Trachten
Die Tracht entwickelte sich aus der ländlichen Kleidung einfacher Bauern und Bäuerinnen und bezeichnet eine bestimmte Kleidergepflogenheit, die regional, zeitlich, konfessionell und teilweise auch ethnisch begrenzt ist und den sozialen Status der Trägerin oder des Trägers präsentiert. Je nach Anlass gab und gibt es verschiedene Trachten, diese dienen hauptsächlich der Kommunikation und geben beispielsweise Auskunft über Wohlstand, Beruf oder persönlichen Status.
Erste Trachten im 15. Jahrhundert
Die ersten Trachten gab es in Deutschland seit dem 15. Jahrhundert und einige Trachten haben heute noch ihren Ursprung in dieser Zeit.
Von Adel und Klerus wurden per Gesetz Kleiderordnungen erlassen, die es Bürgern, Bauern und Juden verbot, bestimmte Materialien, Kleidungsstücke oder Farben zu tragen, um die edelste Kleidung so sich selbst vorzubehalten.
Wohlhabendere Familien wollten ihren Wohlstand nichtsdestotrotz auch in ihrer Kleidung präsentieren und entwickelten verschiedenste Ideen, um ihre Kleidung trotz Kleiderordnung möglichst prunkvoll erscheinen zu lassen.
Die stets von den Trachtenvereinen des Flämings vorgeführten „Flämingtrachten“ – sind keine Tracht der Flamen, wie schon der oberflächliche Vergleich mit den sorbischen Trachten um Hoyerswerda schon vermuten ließ. Sie sind eher slawischen Ursprungs. Während die heutigen Sorbischen Trachten sich durch eine homogene sorbische Dorfgemeinschaft erst im 17. Jahrhundert als Abgrenzung zur deutschen Bevölkerung zur Schleifertracht weiterentwickelten, setzten sie sich bei unserer inhomogenen vermischen Bevölkerung nicht so durch. Es bildete sich hier kein so scharfes Regelwerk zu einer festen verbindlichen Kleidung innerhalb der Dorfgemeinschaft heraus die dann von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Mehr noch durch Heirat, kam es auch zu vielfältigen Vermischungen.
Es erklärt nun auch warum die Trachten aus den umliegenden Dörfern in der Elsterniederung den „Flämingtrachten“ sehr ähnlich sind. Es erklärt aber auch warum Annaburg über keine überlieferte Trachten verfügt, da unsere ständische Bevölkerung sich eher an die „städtischen Kleiderordnungen“ hielt und sie sich nicht als eine dörfliche Gemeinschaft sahen.
Kleider und Trachten in Annaburg im 18. Jahrhundert
Die obere Abbildung ist überschrieben mit:
„Entwurf derer in ihren Figuren und Farben aufgegliederten gewöhnl. Kleider und Trachten in der Gegend des Amtes Annaburg...“
und stammt von J.A. Richter aus dem Jahr 1743.
Die Abbildung zeigt insgesamt zehn Figuren, jeweils fünf Männer und Frauen, die Paarweise in schematischer Darstellung Kleidung und Tracht zu unterschiedlichen Anlässen tragen.
Das erste Paar in der oberen Reihe „Bauer und Bäuerin“ „In Feiertags Habith“ und das mittlere Paar „Bauer und Bäuerin“ „In Trauer Habith“ zeigt verheiratete Erwachsene.
Das letzte Paar der oberen Reihe zeigen „In Braut & Hochzeits Trauungs Habit“ eine „Jungfer als Braut“ und den „Junggesell als Bräutigam“.
In der unteren Reihe sind als erstes Paar „In Sontägl. Habit“ der „Junggesell“ und die „Jungfer“ und als zweites Paar „In Alltäglich Habith“ der „Jüngling“ und die „Jungfer“ unverheiratete Erwachsene dargestellt.
Die Darstellung fällt in eine Stilepoche, die im Allgemeinen als Rokoko (ca. 1720 und 1760) bezeichnet wird. Vielfach wird die Epoche auch als Spätbarocks bezeichnen (insbesondere in der Malerei, Architektur und Ornamentik).
Der Männeranzug besteht aus Rock (=Justaucorps), Weste (=Gilet) und Kniehose (=Culotte). Dazu kommen (als Wäsche) Hemd, Halsbinde und überknielange Strümpfe. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts waren Hose, Weste und Rock meist aus dem gleichen Stoff.
Das Justaucorps ist ein enganliegender knielanger Rock, mit schmalen Schultern und enggeschnittene Ärmel (der Name: "juste au corps" bedeutet "eng am Körper"). Die Vorderkante ist gerade vom Hals bis zum Saum, die Ärmelaufschläge sind sehr weit und reichen bis zur Armbeuge. Dafür ist der Ärmel relativ kurz, so dass die Spitze am Hemdärmel gut zur Geltung kommt. Das Justaucorps hat keinen Kragen und die Rockschöße erhalten durch mehrfache Falten in der Seiten- und Rückennaht viel Weite. In der hinteren Mitte befindet sich ein Schlitz, einerseits um das Reiten zu ermöglichen, andererseits damit die Spitze des Degens dort herausschauen konnte.
Die Weste (Gilet) hatte zu dieser Zeit gewöhnlich noch lange Ärmel, die auch oft unter den Ärmeln des Justaucorps hervorlugten. Sie war fast ebenso lang wie das Justaucorps und wurde geschlossen getragen. Dabei waren, wie auch beim Justaucorps, die obersten und untersten der vom Hals bis zum Saum angebrachten Knopflöcher blind. Nur die von Brust bis Hüfte waren echte Knopflöcher. Da von der Weste nur die Vorderseite sichtbar war, wurde der Rücken meist aus ungebleichtem Leinen gefertigt.
Oberhalb der geschlossenen Knopfleiste bedeckt die Cravate die Öffnung des Gilets. Die Cravates, eine Art Halstuch - nicht zu verwechseln mit dem Jabot - bestanden meist aus feinem Batist, evtl. mit Spitze an den Enden, und wurden gern mit lose umeinander-geschlungenen Enden, die dann durch ein Knopfloch gezogen oder oben in die Weste gesteckt wurden getragen.
Die Strümpfe wurden meist über den Saum der Kniehose gezogen. Die Schuhe waren um die Zehen herum eckig, hatten hoch hinaufreichende, sich verbreiternde Zungen und kleine, rein funktionelle Schnallen. Die Absätze waren teilweise recht hoch.
Der Standesunterschied zeigte sich an der Stoffqualität, Farben und Auszier, die z.B. in Gold- bzw. Silberborten, Gold-, Silber- oder farbigen Stickereien bestehen konnte - oder eben fehlte. Der "Mann aus dem Volk" begnügte sich mit einem Wollrock in gedeckten Farben und einer Weste aus dem gleichen Stoff. Zur Zierde dienten, je nach Geldbeutel, silberne, versilberte oder blankpolierte Zinnknöpfe oder ungültig gewordene Silbermünzen, an die hinten eine Öse gelötet worden war.
Körperlich arbeitende Männer trugen statt der üblichen Weste-Rock-Kombination meist Ärmelwesten, d. h. eine Kombination aus Weste und Rock, die man heute wohl als Jacke klassifizieren würde. Anders als der Rock hatte die Ärmelweste keine Ärmelaufschläge, die bei der Arbeit im Weg sein konnten, und keine weiten Rockschöße, so dass sie sparsamer im Stoffverbrauch und damit billiger war als ein Rock. Die Länge der Ärmelweste änderte sich mit der herrschenden Mode, d. h., sie war zu Beginn des Jahrhunderts fast knielang, später nur noch etwa hüftlang. Die Kniehosen waren, je nach Beruf, zuweilen etwas weiter geschnitten als in der Oberschicht üblich um größere Bewegungsfreiheit zu ermöglichen.
Die Frauengewand bestand aus eine Kombination von Rock und Jacke. Die typischerweise T-förmig geschnittene, lose sitzende Jacken (Manteau de Lit), war vorn überlappten und wurde von einer Schürze am Platz gehalten. Einen knöchellangen Rock, ein Schultertuch (Fichu) und eine Haube vervollständigten die Kombination. Die Schnürbrust war weniger steif als die der feinen Damen, um mehr Bewegungsfreiheit zu ermöglichen. Sie konnte angenestelte Ärmel haben, so dass es sich erübrigte, eine Jacke darüber zu tragen. Zuschnitt und Auszier änderten sich im Verlauf des Jahrhunderts kaum.
Die Unterkleidung ist während des ganzen Jahrhunderts und für alle gesellschaftlichen Schichten in etwa gleich. Für Männer und Frauen besteht die Unterkleidung aus dem Hemd und Strümpfen. Männer- und Frauenhemden unterscheiden sich im Schnitt ein wenig, sind aber beide aus Rechtecken und Dreiecken so zusammengesetzt, dass möglichst wenig Stoff verschwendet wird. Männerhemden reichen bis etwa Mitte Oberschenkel, die Ärmel bis zum Handgelenk; sie haben einen Kragen und Manschetten. Frauenhemden reichen mindestens bis gut über die Knie, die Ärmel aber nur bis zum Ellenbogen; der Halsausschnitt ist groß genug, das Dekolleté freizulassen. Das bevorzugte Material ist Leinen, das auch bei heißer Wäsche und starkem Rubbeln lange hält.
Strümpfe konnten am Anfang des Jahrhunderts aus Leder, gewebtem Stoff oder gestrickt sein. Gestrickte Stümpfe waren entweder recht grob oder, wegen des hohen Arbeitsaufwandes für feines Gestrick, sehr teuer. Um die Jahrhundertmitte wurde der Wirkrahmen erfunden, der es ermöglichte, relativ feine Strümpfe zu produzieren, so dass sich auch die obere Mittelschicht feine Strümpfe leisten konnte. Strümpfe reichten bis über die Knie und wurden – bei Frauen wie Männern – von Strumpfbändern gehalten, die um die schmale Stelle zwischen Knie und Wade gebunden wurden.
Ein rein weibliches Stück Unterkleidung ist die Schnürbrust, die von Frauen aller Gesellschaftsschichten getragen wurde.
Für die Bekleidung hauptsächlich verwendeten Fasern waren Leinen, Wolle, Baumwolle und Seide. Leinen wurde wegen seiner Strapazierfähigkeit und Resistenz gegenüber hohen Temperaturen vor allem für Leibwäsche benutzt, d. h. für Männer- und Frauenhemden, Männerunterhosen, Schultertücher, Hauben, Schürzen und Taschentücher; wegen seiner Steifheit und glatten Oberfläche auch als Futterstoff z. B. für Justaucorps oder als Rückenteil von Männerwesten. Ungebleichtes und/oder grobes Leinen war billig, so dass ärmere Leute es auch für Oberbekleidung benutzten. Je feiner gesponnen und je heller gebleicht, desto teurer war der Stoff.
Wolle der einfacheren Qualitäten war ähnlich billig wie Leinen und daher bei der Unterschicht beliebt. Bessere Qualitäten wurden für Alltagskleidung der Mittelschicht benutzt, vor allem im Winter und für Mäntel. Da Wolle Pflanzenfarben sehr gut annimmt, wurden aus feinem Kammgarn auch bunt gemusterte Stoffe gewebt, unter anderem auch Damast und Brokat.
Seide war bei weitem die teuerste Faser und damit weitgehend der Oberschicht vorbehalten.
Schuhe wurden im 18. Jahrhundert rahmengenäht und hatten einen Absatz. Die Schuhe waren einleistig, d. h., der rechte und linke Schuh waren nicht voneinander zu unterscheiden, sofern sie noch nicht eingetragen waren. Frauen- wie Männerschuhe hatten Laschen, die sich über dem Rist kreuzten. In eine dieser Laschen wurden die kürzeren Dornen der Schuhschnalle von oben/außen eingestochen, die andere wurde durch die Schnalle gezogen und die längeren Dornen von innen/unten in diese gestochen.