Gleichschaltung

Verfolgung und Vernichtung

„anderstdenkender“


GROSSKORTENHAUS, Karl (Ernst Florenz), 
geboren am 6.9. 1875 in Köln,
gestorben am 29.6. 1941 in der Strafanstalt Tapiau/Ostpreußen.
Gründer und Leiter der "Auferstehungsgemeinde", Glaubensgemeinschaft (resp. "Sekte") im Rheinland zwischen 1919 und 1937

Karl Ernst Florenz Großkortenhaus wurde 1875 in Köln als drittes von vier Kindern eines Stadtsekretärs geboren; als Sechsjähriger verlor er seinen Vater. Die Zeit zwischen dem zehnten und dem fünfzehnten Lebensjahr verbrachte er auf der Unteroffiziers-Vorschule in Annaburg bei Wittenberg. Im Lothringischen Mörchingen (heute: Morhange, Frankreich), wohin seine Mutter inzwischen verzogen war, trat er anschließend in das staatliche Baukommando ein, mit dem Berufsziel Bautechniker. Kennzeichnend für Großkortenhaus waren sowohl Intelligenz, Fleiß wie auch ein unermüdlicher Einsatz für seine jeweilige Tätigkeit. – Andererseits konnte er jedoch Rückschläge oder Erfolglosigkeit nicht hinnehmen und setzte sich zur Wahrung seines Persönlichkeitsbildes durchaus auch über bestehendes Recht hinweg. Dieser Charakterzug brachte ihn daher sehr früh mit dem Gesetz in Konflikt: Bereits 1895 zu einer vierwöchigen Gefängnisstrafe wegen Urkundenfälschung verurteilt, folgten 1910 eine zweite Gefängnisstrafe wegen Begünstigung zu einem Jahr Gefängnis sowie 1912 eine dritte Bestrafung wegen Betruges und Betrugsversuchs zu sechs Jahren Haft Gefängnis von (Willich-) Anrath und einer Zahlung von 1.000 Mark. – Geheiratet hatte Karl Großkortenhaus am 27.7. 1901 in Mittersheim/Lothringen Hulda Wendeler; aus dieser Ehe gingen drei Söhne hervor, ein Kind starb nach nur wenigen Wochen. – Während seiner Haftzeit in Anrath soll Großkortenhaus in der Nacht zum 5. November 1913 eine Einweihung (Vision) erlebt zu haben und glaubte eine Stimme zu hören, die ihm „seine Erlösung verkündete“. Im Zentrum seines intensiven Bibel-Selbststudiums stand die Figur des Judas Ischarioth. Nach seiner Haftentlassung wurde Großkortenhaus von seiner Frau mit der damaligen „Freien evangelischen Gemeinde Gräfrath“ (auch als Pfingstgemeinde bezeichnet) bekannt gemacht und dort als Laienprediger eingeführt. Seine begnadeten Redekünste, seine exzellenten Bibelkenntnisse sowie sein Charisma verschafften ihm ungeheuren Zulauf, so daß sich aus der bisherigen „Freien evangelischen Gemeinde Gräfrath“ heraus 1919 die Großkortenhaussche „Auferstehungsgemeinde“ gründete. – Großkortenhaus und seine Anhängerschaft gerieten schon bald in schlechten Ruf, einerseits wegen der teils sehr bizarren Glaubenswelt, andererseits durch nicht verstummen wollende Gerüchte über sexuelle Übergriffe innerhalb der „Auferstehungsgemeinde“. Am 16. Dezember 1924 erging Haftbefehl gegen Karl Großkortenhaus mit dem Vorwurf der Kuppelei; in der unmittelbaren Folgezeit kam es zu fünf weiteren Festnahmen von Unterpredigern und -predigerinnen seiner Gemeinde. Die aus den Aussagen bekannt gewordenen Vorwürfe gegen Großkortenhaus und seine Führungsriege erregten großes Aufsehen. Bevor es jedoch zu einem Prozeß kommen konnte, floh Großkortenhaus Ende Januar 1927 während eines Krankenhausaufenthaltes aus der Untersuchungshaft. Ungeachtet der Ermittlungen gegen Großkortenhaus war die „Auferstehungsgemeinschaft“ bis 1937 weder verboten noch Ziel von Ermittlungen. – In den folgenden elf Jahren (Anfang 1927 – Anfang 1938) führte Großkortenhaus seine Auferstehungsgemeinschaft aus der Illegalität weiter, unter Verwendung der Alias-Namen „Eisenbahner a. D. Schmitz“, „Spicker“, „Meyer“ oder „Schmitz-Meyer“, gedeckt von seiner Anhängerschaft. Er wechselte ständig die Wohnsitze und hatte den Schwerpunkt seiner Tätigkeit aus dem Wuppertal-Solinger Raum nach Duisburg verlagert. – Erst ein Jahr nach dem Verbot der „Auferstehungsgemeinschaft“ wurde Großkortenhaus aufgrund der Denunziation eines Zellenleiters der NSDAP Ortsgruppe Korschenbroich festgenommen. Im nachfolgenden Prozeß vor dem Landgericht Wuppertal wurde Großkortenhaus am 27. April 1939 wegen Sexualvergehens sowie wegen des Vergehens gegen die „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“ unter Anrechnung seiner Untersuchungshaft zu fünf Jahren Zuchthaus sowie zu anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Nachdem er seine Haftstrafe im Zuchthaus zu Münster am 9. März 1941 verbüßt hatte, wurde er zunächst in die Sicherungsanstalt Werl und wenig später – auf Anweisung des Reichsinnenministeriums – von dort in die Strafanstalt Tapiau in Ostpreußen gebracht. Schon nach vier Wochen kam von dort die Mitteilung, daß Großkortenhaus angeblich „an den Folgen einer Lungenentzündung“ am 29. Juni 1941 verstorben sei.

Die Auferstehungsgemeinde (Hintergrundsinfo)

Die von Großkortenhaus begründete Auferstehungsgemeinde (Alias-Namen: "Auferstehungsfamilie", "Habe Dank Vater"-Gemeinde, auch: "Habe Dank Lieber Vater") war eine religiöse Gemeinschaft mit fundamentalistischen Strukturen, Alleinvertretungsanspruch und Endzeit-Erwartung, völlig fixiert auf die sehr charismatische Persönlichkeit des Gründers. Sie bestand in den Jahren von 1919 bis 1937 und ging aus der um 1905 unter dem Namen "Gemeinschaft des Heiligen Geistes" begründeten "Freien evangelische Gemeinde" in Gräfrath (heute Solingen-Gräfrath) hervor. Die Großkortenhaussche "Auferstehungsgemeinde" blühte in den nachfolgenden Jahren auf und fand weite Verbreitung im Rheinland. Ausgehend von nachweislich knapp 1000 festen Mitgliedern, soll die Gemeinschaft über angeblich bis zu 70.000 Anhänger verfügt haben. Die "Auferstehungsgemeinde" wurde am 2.6.1937 auf Betreiben der Gestapo in Münster durch Heinrich Himmler unter Bezugnahme auf die "Reichstagsbrandverordnung" (Verordnung zum Schutz von Volk und Staat vom 28.2.1933) aufgelöst und verboten. Die Auferstehungsgemeinschaft muß zu den "Endzeitsekten " gerechnet werden, in deren Glaubensmittelpunkt eine recht diffuse "Erlösung" stand, die - nach einem relativ festen Zeitrahmen - etwa ab dem Jahre 1935 eintreten sollte. Diese Erwartungszeit wurde in drei Perioden zu jeweils etwa sieben Jahren gerechnet, beginnend mit dem Jahr 1913, als der Gemeindegründer Großkortenhaus erste Visionen im Anrather Gefängnis hatte.

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Quelle
www.bbkl.de/g/grosskortenhaus_k.shtml Zugriff 05.2008
Lit.: , "Habe Dank Lieber Vater - Der Prediger Karl Grosskortenhaus (1875-1941)". In: Jörg Hentzschel-Fröhlings / Guido Hitze / Florian Speer (Hrsg.), Gesellschaft - Region - Politik. Festschrift für Hermann de Buhr, Heinrich Küppers und Volkmar Wittmütz. Norderstedt 2006, 234-274.