Aus dem Liebesleben eines sächsischen Kurfürsten

Liebesnest in der neuen Lochau


Friedrich der Weise ist 39 Jahre alt, als er das langjährige Werben um die Hand von Margarete von Österreich, der einzigen Tochter des späteren Kaisers Maximilian I. einstellte. Mit Johann, seinem Bruder ist er übereingekommen, dass in seinem Todesfall der Kurfürstentitel an ihn und seinen standesgemäßen Nachkommen fallen wird. Damit ist die Erbfolge der Ernestiner gesichert. Also warum noch standesgemäß heiraten, wenn das Glück auch beim Hofe zu finden ist?

1502 ergeht an den Forstmeister der lochischen Heide, Paul von Hogenest der Befehl eine „Neue Lochau“ zu errichten. Sie soll ihren Standort in der Lochischen Heide finden. Genau zwischen Lochau und Torgau soll sie entstehen. Die „Neue Lochau“ wird von Torgau kommend hinter dem Schwanensee in der Nähe der Torgauer Straße als Fachwerkbau errichtet. Sie besteht aus mehreren Gebäuden die vielleicht auch als eine Dreiseitenanlage untereinander verbunden waren. Berichtet wird von einer Zypressenstube mit Kammer (Schlafgemach), einer Vorratsstube, einer Kapelle im Garten, einem Vogelhaus und einer Schmiede. Zum Schutz der Anlage vor unliebsamen Besuch wurde ein Wassergraben angelegt, auf dem 51 Entlein und sieben Schwäne lebten. Die „Neue Lochau“ war ständig belegt. Das geht aus den Akten über den Forstmeister Hogenest hervor, der auf seine Kosten die dort ansässigen zwei Personen zu versorgen hatte. Von 1505 und 1506 liegen Nachweise für einen „Einsiedler“ vor, der dann im folgenden Jahr als Mylagk bezeichnet wird. Er und seine Frau erhielten Kost aus der Amtsküche und auch Roggen zur Selbstversorgung im Haus zur Neuen Lochau. Die Kammer war ausgestattet mit einer Bettstatt mit großem Federnüberbett und drei Unterbetten, dazu vier Kissen. Wer schlief da in der Kammer hinter den grünen Vorhängen? Eine Jagdgesellschaft?

Doch vielleicht war es gar keine Jagdhütte. Denn kurz nach ihrer Errichtung heiratete Friedrich III. schließlich 1506 die bürgerliche Anna Weller. Eine sehr, sehr junge Witwe war sie. Sie wurde erst kurz davor mit einem Diener aus seiner unmittelbaren Umgebung verheiratet, mit einem gewissen Bernharden Watzler.

Diese Eheschließung musste jedoch vor Friedrichs hohen Standesgenossen geheim gehalten werden, da sie einen hohen Prestigeverlust bedeutet hätte. Aber da auch im Fall der heimlichen Eheschließungen die Trauung durch einen Geistlichen und vor Trauzeugen erfolgte, gibt es immer Zeitgenossen, die von dieser Eheschließung Bescheid wussten. Die Trauzeugen von Friedrich dem Weisen und Anna Weller plauderten aber nicht. Aber wie schrieb schon Annette Droste-Hülshoff so treffend: „Nichts ist so fein gesponnen, es kommt doch ans Licht der Sonnen“. Daher verfügen wir doch über einige wenige zeitgenössische schriftliche und bildliche Quellen, von Martin Luther, einem gewissen Lauterbach, der sächsischen Herzogin Elisabeth von Hessen/Rochlitz und von Lucas Cranach dem Älteren, die uns von dieser heimlichen Eheschließung zwischen den beiden bruchstückhaft berichten.

Anna Weller konnte daher nicht in den Schlössern Friedrichs wohnen, sollte aber in ihrer Nähe sein. Wie uns die sächsische Herzogin Elisabeth verriet, wurde sie „bei Nacht im Geheimen geholt“, wenn Friedrich der Weise sie sehen wollte. Wenn das so war, musste sie ja irgendwie in der Nähe gewohnt haben, denn große Entfernungen waren zu dieser Zeit nicht leicht zu bewältigen. Die Wege waren schlecht und die Wagen kaum gefedert. Am besten und schnellsten ging es noch zu Pferd, weswegen es wahrscheinlich scheint, dass es Friedrich war der seine Anna des Öfteren besuchte. Und das ging am besten wenn er zur Jagd in seiner lochischen Heide mit kleinstem Gefolge unterwegs war – mit seinem Jägermeister zum Beispiel.

Auf der Waldkarte von 1556 ist die „neue Locha“ als Waldort in der Nähe des Schwanensees an der Torgischen Straße gelegen eingezeichnet, 8,5 km von Lochau (Annaburg) und 13,5 km von Torgau entfernt gelegen.

Interessant ist auch das von 1505-1509 die Lochau an erster Stelle vor Weimar, Wittenberg und Torgau an den durch Kurfürst Friedrich besuchten Orten steht. Wen würde es also wundern, wenn er dabei des Öfteren in seiner „Neuen Lochau“ vorbeischaute und auch einige Nächte dort mit seiner kleinen Familie verbrachte.

Friedrich trieb in dieser Zeit mit Nachdruck sein Lochauer Projekt voran. Hier entstand eine zur damaligen Zeit einzigartige Gartenlandschaft mit direktem Zugang vom Schloss in mitten einer künstlich angelegten Teichanlage. Hier wurden mehr Steine verbaut als zeitgleich am Wittenberger Schloss. Auch die eingesetzten Geldmittel waren erheblich höher beziffert als dort. Obwohl namhafte Künstler an der Lochau arbeiteten, war einzig allein ein Forstmeister für die „Neue Lochau“ zuständig. 1506 im Jahr der Eheschließung sind weitere Arbeiten an der „Neuen Lochau“ ausgeführt wurden, wie uns die Amtrechnungen aus dieser Zeit verraten.

Es ist überliefert, dass Anna Weller sehr bescheiden lebte. Sie hielt in ihrem Haushalt nur einen alten Knecht und eine alte Frau und je nach Bedarf noch eine Säugamme. Letztere wurde für die von Martin Luther bezeugten vier Kinder Friedrichs des Öfteren benötigt. Sein erster Sohn mit Anna Weller war Friedrich, auch „Fritz“ genannt wurde um 1506 im Jahr der Eheschließung geboren. Der zweite Sohn ließ nicht Lage auf sich warten. Er hieß Sebastian, auch „Bastel“ genannt und erblickte um 1507/08 das Licht der Welt. Der Dritte Sohn war Hieronymus und wurde 1509 geboren. Und die „Neue Lochau“? Im Inventar von 1509 steht neben den zahlreichen noch in Bau befindlichen Lochauer Lusthäusern, ein kleines Haus zur Neuen Lochau. Der zuletzt geborene Sohn verstarb nach Informationen von Martin Luthers schon vor 1525.

Noch 1512 geht aus dem Beschied an Paul von Hogenest über das Amt Lochau hervor, dass er für die Dienstkost u.a. für 2 Personen zur neuen Lochau aufzukommen hat. Das Vierte Kind, 1512 geboren, war eine Tochter, deren Namen wir leider nicht kennen. Sie taucht aber in manchen Amtrechnungen als kleines Mädchen auf. Friedrich der Weise liebte seine Kinder sehr. Daher wurden seine Söhne und seine Tochter, die er mit Anna Weller hatte in den zeitgenössischen Quellen nie als „uneheliche Kinder“ bezeichnet! Und zumindest Fritz und Bastel lebten schließlich zeitweise bei ihrem Vater auf seinen Schlössern und wurden auch wie Prinzen erzogen. Er sorgte für ihre standesgemäße Ausbildung. Das bedeutete aber auch, dass sie getrennt von der Mutter erzogen wurden. Überliefert ist, dass im Zeitraum von 1511 bis 1514 sich die lüneburgischen Neffen des Kurfürsten, Otto I. und Ernst I., mit kleinem Gefolge in Sachsen aufhielten. Ihr Lehrer war der Chronist Georg Spalatin, unter ihren Edelknaben befand sich ab 1513 ein Bastian. Dazu wird 1513 berichtet, dass er sich zuvor bei der Patrizierin Barbara Volckamerin in Nürnberg aufhielt und von Degenhardt Pfeffinger aus ihrer Obhut nach Sachsen geholt wurde. Er erhielt Geschenke und Kleidung vom Hof und besaß einen Edelknaben.

Hieronymus der 1509 geboren dritte Sohn verstarb schon in als Jugendlicher vor 1525. Weitere Nachrichten sind leider nicht überliefert. 1525 verstarb Friedrich der Weise in seiner Lochau. Schwer krank hatte er sich schon 1524 vom Schloss Colditz nach der einsameren Lochau bringen lassen. Seine Anna wird er sicherlich noch einmal gesehen haben. Seinen Kindern, Friedrich und Bastian vermachte er Schloss Jessen und eine jährliche Summe von 500 Gulden in seinem Testament. Seine 13-Jährige Tochter, die mit ihrer Mutter bei Dr. Paßka einem seiner Hausärzte in Magdeburg lebte, hatte er mit 500 Gulden bedacht. Wie viele Jahre Anna Weller noch beschieden waren, ist ungewiss. Aber Lucas Cranach der Ältere hatte sie auch nach dem Tod ihres Gatten nicht vergessen und soll noch ein Porträt von ihr als Witwe erstellt haben.

Und die „Neue Lochau“? Außer die spärlichen Informationen in den Akten im Zusammenhang mit dem Jägermeister Hogenest liegen uns keine weiteren Kenntnisse vor. Einzig die alte Waldkarte von 1556 zeigt uns den Ort wo sie sich befunden haben muss. Die späteren Waldkarten aus dem 17. Jahrhundert geben keine Auskunft über diesen Ort in der Heide, die jetzt Annaburger Heide heißt. Erst 1888 im Gründler können wir lesen: „ …. Dieser Ort hieß vor Zeiten die „alte Lochau“, und schon im Jahre 1575 gab es auch eine „neue Lochau“. Letztere lag in der Richtung nach Torgau, mitten in der Heide, und bildet heute unter dem Namen „neue Schenke“ einen gleichfalls von einem Graben umschlossenen Platz, der etwas größer ist, als der Raum bei der Nachtheinichte. Vermutlich waren die alte und die neue Lochau zwei zum Aufenthalte auf größeren Jagden dienende Pirschhütten oder Jagdhäuser, wie es solche in ausgedehnten Waldrevieren häufiger gab und heute noch gibt.“

 

 

BERND HOPKE
ORTSCHRONIST

AnnaOffice©2022-06-19

 

 

Quelle:
Thomas Lang; Auszüge zum Jagdschloss Lochau aus dem Manuskript seiner Dissertation über die ernestinische Hofhaltung im ausgehenden Mittelalter im Übergang zur Neuzeit; unveröffentlicht 2022
Enno Arkona; Die Humanistenverschörung unter: https://humanistenverschwoerung.de/historischer-hintergrund/ Zugriff 05/2022
Maike Vogt-Lüerssen; Anna Weller aus Molsdorf - Die große Liebe und Gattin des sächsischen Kurfürsten Friedrich des Weisen; 2022; unter http://www.kleio.org/de/geschichte/renaissance/frauen/anna-weller/; Zugriff 05/2022 
Thomas Lang; Material zur Dissertation zu „Lochau als Fallbeispiel zur Hofhaltung und Itinerar des sächsischen Kurfürsten Friedrich III. der Weise“; unveröffentlicht 2018;
Gründler, E.: „Schloß Annaburg“ Festschrift zur einhundertfünfzig-jährigen Jubelfeier des Militär-Knaben-Instituts zu Annaburg, Verlag von Oscar Haebringer, Berlin 1888;
Walther Haupt: Sächsische Münzkunde. Deutscher Verlag der Wissenschaft, Berlin 1974;
William Walker Rockwell, Die Doppelehe des Landgrafen Philipp von Hessen, Marburg 1904;
Ernst Kroker, Luthers Tischreden in der Mathesischen Sammlung, Leipzig 1903, Nr. 77
Martin Luther in Weimarer Ausgabe Tischreden Bd.4 322 von 1912;
Waldkarte von 1556; Lochische und Seydische Heide mit den umliegenden kleineren Wäldern und Gehölzen, Sächsisches Staatsarchiv 12884 Karten und Risse, Nr. Schr 006, F 077, Nr 014