Forstmeister Stubenrauch

über die Annaburger Heide


Georg Karl Hugo Stubenrauch wurde am 13.11.1854 in Sagan, Schlesien, geboren. Nach seiner Dienstzeit als Königlicher Oberförster in Denensen (b. Seelze, Hannover) kam er 1896 nach Annaburg, wo er bis zum Eintritt in den Ruhestand 1921 als Oberförster die Oberförsterei Annaburg leitete. Am 25. Juni 1914 fand eine Oberförster-Versammlung in Wittenberg statt. Forstmeister Stubenrauch hielt damals einen umfangreichen Vortrag über die Annaburger Heide.

Die forstwirtschaftlichen Themen der damaligen Zeit waren Nachhaltigkeit, Flächennutzungsänderungen, Waldschutz (Brand-, Sturm und Insektenbefall) und die Wechselwirkung des Bodenzustandes, der Erträge und des Klimas.

Der anschauliche und praktische Teil der Wittenberger Veranstaltung fand in der Annaburger Heide statt, dem langjährigen Arbeitsbereich des Forstmeisters Stubenrauch. Einige Passagen seines Vortrages sind gerade wegen seines Bezuges zu unseren heutigen Problemen ausgesprochen Interessant, sie waren vom Verfasser gegen süddeutsche „wissenschaftliche Theoretiker“ gewandt. Er beschrieb seinen Wald um 1900 wie folgt:

Sie bildet, früher Lochauer Heide genannt, einen geschlossenen Komplex von etwa 14.000 ha Fläche … . Zu kürfürstlich-sächsischen Zeiten, der Herrschaft gehörend, war sie ein großes Jagdgebiet …. das wohl in früheren Zeiten nach der Elbe zu eine erheblich größere Ausdehnung gehabt hat und augenscheinlich dort hauptsächlich aus großen Eichenhudebeständen bestanden hat. ... , durchsetzt mit großen Dornenhecken, der Aufenthalt des Wolfes und des Schwarzwildes. Die Ortsbezeichnungen Eichenheide, … weist auf diese verschwundenen Teil des großen Jagdkomplexes hin.
Der Kern des jetzigen Waldes, weitaus den größten Teil der Fläche einnehmend, ist eine Dünenlandschaft, die, so lange sie Wald ist, niemals etwas anderes getragen hat, wie Kiefer; auch nicht den geringsten Anhalt habe ich im Wald, dass dort jemals eine andere, anspruchsvollere Holzart Platz gehabt hat. Nur die Feldränder der Oberförsterei Annaburg zeigen etwas Nachzucht der Eiche, nur Ausläufer ...(von ihr)…ins Feld mit frischem Boden trägt noch die Rudimente einer verschwunden Pracht …alter Eichen. … Der nach der (Schwarzen) Elster zu gelegene Rand der Oberförsterei Tiergarten deutet…darauf hin, dass früher dort die Eiche vielleicht bestandesbildend aufgetreten ist…., aber der Kern der jetzigen Annaburger Heide ist nur Kiefernwald gewesen; auch die ältesten Häuser von Annaburg…(meine Oberförsterei gehört auch dazu) haben nur Kiefernholz  als Balken und Fachwerk.

Er geht dann in seinem Text auf die vielen Schlenken und Feuchtwiesen ein, die es vor der Eindeichung der Elbe und der Schwarzen Elster in den jeweiligen Randgebieten gegeben hat und dass der Grundwasserspiegel seit dieser Zeit stetig gesunken ist.

Früher war der Wasserstand in  Annaburg so hoch, dass kein Keller angelegt werden konnte; die alten Kellereien sind alles Erdkeller.

Der Neugraben führt seit der Elsterregulierung kein Wasser mehr aus ihr heran. Die Mühlenstaus wurden abgeschafft und auch die Gewässerschutzverordnung der EU tut heute ihr übriges. Denn wenn man einen 500 Jahre alten künstlichen Wasserkanal renaturiert bedeutet es doch das er verschwindet.

"Kein Tropfen Wasser aus der Heide" , muss die Parole sein… Wenn etwas zu Himmel schreit in der Annaburger Heide, dann ist es der Schrei nach dem Wasser, und diesen Ruf kann meines Erachtens die Änderung der Wirtschaftsform nicht befriedigen, da sind wir machtlos…. Wenn die unberührte Natur nur Kiefernwald hervorgebracht hat, dann werde ich jetzt nach diesen umwälzenden Änderungen, die in der Wasserhaltung unseres ganzen Tieflandes stattgefunden haben, diesem Boden keinen Mischwald aufzwingen können. Und solange er produktiv bleibt, muss er als Nutzwald bewirtschaftet werden, und das kann er nur als Kiefernhochwald.

Zu den klimatischen Verhältnissen in unserer Region zur damaligen Zeit vor 110 Jahren berichtet er:

Ganz besonders bemerkenswert ist die Häufigkeit der Trockenheit oder gar Dürre in der Jahreszeit, wo wir Feuchtigkeit am meisten gebrauchen, im Frühjahr.   …  Nach dem Gedächtnis herrschen im März  bis April trockene Ostwinde vor, häufig tritt nach einem Kälterückschlag in der ersten Hälfte des Mai eine außergewöhnliche Hitze ein, ... kurz ein Klima, das keineswegs dem Waldbau auf armen Boden günstig ist. Dieses Klima gestattet den künstlichen Anbau der Kiefer auf freier Fläche,…aber der natürlichen Verjüngung ist dieses Klima abhold. … trockene Frühjahre kann der Sämling auf unserem armen Boden unter dem Kronendach nicht überstehen.

Zur natürlichen Verjüngung schreibt er:

Die Kiefer ist eben sehr unverträglich gegen Artgenossen. Schon 1840 sagt von Hagen: "Die früher aus natürlicher Besamung erzogenen Bestände sind aber fast alle mehr oder weniger lückenhaft und unvollkommen und scheinen diese Verjüngungsart nicht zu empfehlen." … Es liegt in der Natur des Pflanzenwuchses sich seitlich auszubreiten, und diese seitliche Ausbreitung wird gerade auf armen Böden besonders begünstigt …. wo ich versuchsweise Anflughorste heranwachsen ließ …. Aber wie lange wird es gedauert haben bis sich … (in den) überalterten Beständen ... der Jungwuchs entwickelte. Plentnerwald ist kein Nutzwald.

Zum Mischwald:

Schön wäre es ja nun, dem lichten Kiefernbestande einen Unterbau geben zu können, aber bis jetzt hat uns der Botaniker noch keinen Baum, keinen Strauch gezeigt, … Wo die Natur unter dem lichten Baumholze kein Unterholz hinschafft, schaffen wir es auch nicht.

So weit aus dem Vortrag vom Forstmeister Stubenrauch. 

 

BERND HOPKE
ORTSCHRONIST

AnnaOffice©2022-04-02

Quellen:
Georg Karl Hugo Stubenrauch, königlicher Forstmeister; "Aus der Annaburger Heide"; Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen; Jahrgang XLVII:, April 1915, viertes Heft;