Die Not der Jagd

Das Jagdwesen der hohen adligen Herren am Beispiel des sächsischen Kurfürsten August


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Im 16. Jahrhundert gab es wohl kaum einen hohen adligen Herrn, der nicht von der Jagdleidenschaft ergriffen war. Zu ihnen gehörte auch der sächsische Kurfürst August von Sachsen (1526-1586), der, wenn bei ihm das Jagdfieber ausbrach, selbst wichtige politische Geschäfte liegen ließ. Seine Briefe an seine hohen adligen Freunde berichten voller Stolz, wie viele Tiere er auf seinen letzten Jagdausflügen erlegen konnte. So schrieb er dem Erzherzog Ferdinand II. von Österreich-Tirol,

„daß er am 4. Octbr. 1562 in einem Treiben und Stellstädte auf der Dresdner Haide 539 wilde Sauen, darunter 52 hauende Schweine gewesen, erlegt“ 

habe, und dem Landgrafen Philipp I. von Hessen am 30. Dezember 1563,

 „daß er weil die Sauen aus Mangel an Gefräß nicht feist gewesen, zeitlich von der Sauhatz habe ablassen müssen und nur 1226 Sauen, darunter 200 Schweine, 500 Bachen, und 526 Frischlinge“

töten konnte. 1)

Die hungrigen Untertanen durften hingegen ihre Mägen nicht mit von ihnen erlegtem Wild füllen. Selbst kleinste Vergehen gegen das Jagdverbot wurden bestraft. So war einem Wirt in Strehlen eine Geldstrafe auferlegt worden, weil sein Sohn einige wilde Enteneier gefunden hatte, die er von einer Henne hatte ausbrüten lassen. Weitaus härter fielen die Strafen beim Töten von Wild aus. Die hohen adligen Herren betrachteten nämlich die „Wilddieberei“ als eine der schwersten Verbrechen:

„Einige Wilddiebe wurden nach Urthel und Recht gehangen, wobei dann 'alsbald über Jeden ein Hirschgeweih, Andern zum Abscheu an den Galgen genagelt ward.' Indessen war die Todesstrafe die Ausnahme. ... Einigen Wilddieben ließ August durch den Scharfrichter zwei Hirschhörner auf die Stirn brennen und sie 'nachdem ihnen ein recht Hirschgeweih mit einem starken eisernen Halseisen aufs Härteste vernietet worden', des Landes verweisen. Andere Wilddiebe ... ließ der Churfürst in Eisen schmieden und beim Bau der Augustusburg verwenden. Sie mußten sogenannte Springer an den Beinen und ein Halseisen mit Hirschhörnern tragen. Der Schösser ward angewiesen: 'der Steckenknecht solle sie alle Abend in einen Schrot oder Stall eintreiben und versperren und des Morgens wieder auslassen, der Schösser aber solle ihnen die schwerste Arbeit, es sei mit Heben, Ziehen oder Tragen anstellen und mehr nicht geben, denn daß sie sich nothdürftige Speise kaufen und den Leib bedecken könnten.' ... Ein schreckliches Schicksal erlitten zwei Brüder Fabian und Gregor Zschirnstein. Der Churfürst befahl (19. Octbr. 1570) sie sollten 'mit ewigem Gefängnis im Thurm zu Hohenstein bestraft werden, daß sie ihr Leben darin enden: der Schösser solle jedem nicht mehr als für 1 pf. Brot täglich und nichts daneben reichen, aber Wasser eine Nothdurft, er solle sie nicht aus dem Thurm heraufziehen lassen, es sei denn daß sie das hochwürdige Sacrament des Altars begehrten, sobald sie solches empfangen, sollten sie wieder verwahrt werden.'“ 2)

Wenn die Wächter oder Gerichtsdiener zuweilen mit den Wilddieben Mitleid hatten und ihnen zur Flucht verhalfen, dann lernten sie ihren Herrn vielleicht zum ersten Mal richtig kennen:

„So dictierte er [August von Sachsen] dem Schösser zu Dresden, als ein Wilddieb aus dem Gefängniß entsprungen war, 2000 Gulden Strafe, wenn er ihn nicht binnen zwei Monaten wieder herbeischaffe und ließ die dem Entflohenen zuerkannte Strafe, Staupbesen und Landesverweisung, an den Gerichtsknecht, der ihn entfliehn lassen, vollziehn (1574).“ 3)

Der Bauer hatte zudem kein Recht, das Wild davon abzuhalten, sich auf seine Felder zu begeben und sich der Saat reichlich zu bedienen:

„Damit das Wild mit aller Bequemlichkeit in die Felder treten und in den fetten Saaten äßen könne, wenn diese selbst auch dabei vernichtet wurden, erging das Verbot, die Felder zu umzäunen. Der Bischof von Meißen nahm sich deshalb seiner Unterthanen an und zu deren Gunsten erließ August unter dem 22. August 1555 ein Rescript an den Bischof ... daß er dessen Unterthanen 'gutwillig nachgelassen und verstattet, daß sie ihre Felder mit Zäunen befrieden und vermachen mögen, doch wolle Ew. L. das freundliche Aufsehn hierin haben lassen, damit diese Verzäunung dermaßen mit Höhe und sonst verfertigt werde, daß kein Hirsch sich darin spießen kann.“ 4)

Es mussten also alle Spitzen der Zäune abgeschnitten werden, damit sich die Hirsche beim Hinüberspringen in die Saatfelder nicht verletzten. Dieses Zugeständnis an den Bischof von Meißen blieb zudem eine Ausnahme. Am 7. Oktober 1555 teilte der sächsische Kurfürst dem Schösser zu Pirna nämlich Folgendes mit:

„'... Nachdem wir Dir [dem Schösser] aber unter andern befohlen, alle Zäune, Hecken und Anderes, so unsere Unterthanen im Amt Königstein zur Befriedigung ihres Getreides aufgerichtet und dadurch dem Wildbret seine Gänge und freien Läufe versperrt, wieder niederlegen zu lassen, welches denn zum Theil als geschehn, aber doch, wie wir berichtet, die Zäune, Hecken und andere vermachte Hinderung in und um die Dörfer Struppen, Leupoldshain etc. aufrecht stehn sollen, als begehren und befehlen Dir hiermit, Du wollest unverzüglich alle Zäune, Hecken und andere Hindernisse in gemeldeten Dörfern gänzlich niederlegen lassen und selbst dabei sein und davon nicht hinwegkommen, bis dieselben alle niedergerissen, niedergehauen und hinweggeschafft worden.' ... Ein sehr ausführliches Rescript vom 30. August 1558 milderte rücksichtlich der Unterthanen im Amt Pirna die harte Maaßregel wenigstens einigermaaßen. Es ward danach die Umzäunung der Felder gestattet, jedoch unter Wegfall 'des Wildschadengeldes'. Zugleich ward aber die Abschaffung aller Ziegen und aller Hunde, mit Ausnahme der Kettenhunde, angeordnet und den Unterthanen auferlegt, daß sie außerhalb der eingezäunten Felder einige Acker mit gutem Saamen für das Wild bestellen und auf jeder Dorfflur mindestens drei Wildgänge, 300 Ellen breit, offen lassen sollten. Die Aussaat für das Wild wurde im Jahr 1559 dahin geregelt, daß die Unterthanen im Amt Pirna 150 Scheffel Hafer jährlich auszusäen hatten, wozu ihnen ein Beitrag von 33 Scheffel gewährt ward.“ 5)

Es gab, wie wir aus der obigen Quelle erfahren, auch Erlasse, die es verboten, das Wild durch Hunde von den Feldern zu vertreiben. In der Landesordnung vom 1. Oktober 1555 liest man,

„daß Niemand einen Hund mit ins Feld nehmen dürfe, 'der Hund habe denn einen großen Knittel oder Prügel am Hals.'“ 6)

Und dies galt auch, wenn Getreidemangel herrschte und das Korn nur zu hohen Preisen erstanden werden konnte, wie uns im Jahr 1575 der Bäcker Thomas Heckel aus Stolpen mitteilt:

„daß die Förster dem armen Volk so gar großen Verdruß thäten, wenn ein Bauer ein Hündlein habe, so erschössen sie es ihm bald und es dürfe keiner das Wild abschrecken.“ 7)

Die Untertanen der sächsischen Kurfürsten hatten zudem zusätzliche „Jagddienste“ zu leisten:

„So mußten sie 'die Wagen, Tücher und das Jagdzeug' dem Churfürsten auf seinen Jagdzügen nachfahren. ... die Dienste der Unterthanen beim Treiben des Wildes und insbesondere die sehr beschwerlichen Wolfsjagddienste ... Einzelnen Gütern lag die Verpflichtung ob, Jagdhunde zu dressieren oder zur Fütterung zu übernehmen [z. B. Klöstern und den Fleischern in den Städten], die Scharfrichter mußten die verwundeten Hunde unentgeltlich heilen.“ 8)

Für den geistlichen Stand konnte es durchaus gefährlich sein, sich für die Untertanen des sächsischen Kurfürsten einzusetzen, wie das Beispiel von Martin Hoffmann, dem Prediger an der Frauenkirche in Dresden, zeigt:

„ ... weil er einige Mal allzuhart über dessen [Augusts] Jagdwesen gepredigt. Nach einer solchen, in Gegenwart Augusts gehaltenen, Predigt erließ dieser den Befehl, daß Hoffmann alsbald seines Dienstes entsetzt werden und sofort die Residenz meiden solle. Er mußte auch am 7. August 1564 die Stadt verlassen, fand aber noch in demselben Jahr eine andere Anstellung als Archidiaconus in Zittau.“ 9)

 Aber Kurfürst August wäre ein zu schlechter Volkswirt und Landesvater wenn er nicht verstanden hätte, dass Wildschaden zu einer schlechten Ernte und damit volkswirtschaftlich schädlich war. Er ließ es, zumal im fortgeschrittenen Lebensalter durchaus zu, dass seine Landeskinder ihre Feldfluren komplett einzäunten. An Hand des überlieferten Kartenmaterials aus dieser Zeit ist nachgewiesen das die komplette Feldflur von Annaburg eingezäunt war. Das gleiche gilt für Teile der Züllsdorfer Feldflur und für die Elbauedörfer Dautzschen bis Bethau.

Quelle

  1. Karl von Weber: Anna, Churfürstin zu Sachsen, geboren aus dem Königlichen Stamm zu Dänemark – Ein Lebens- und Sittenbild aus dem sechzehnten Jahrhundert, Leipzig 1865, S. 242
  2. ebenda, S. 268-271
  3. ebenda, S. 271
  4. ebenda, S. 263
  5. ebenda, S. 264-266
  6. ebenda, S. 266
  7. ebenda, S. 298
  8. ebenda, S. 267-268
  9. ebenda, S. 272