bis zur Besetzung von Torgau durch die Schweden
Unsere Region war durch die ständig gestiegenen Kriegskosten und Preisteuerungen ausgezehrt.
Einer Quelle nach erhielt der Schösser zu Annaburg, David Hübner, im März 1632 den Befehl, eine bestimmte Menge Hafer zusammenzubringen und jeden Scheffel Dresdenisch Maß mit 1 Gulden zu bezahlen. Die Leute erklärten jedoch, nicht eine Metze ablassen zu können. Da der Hafer und alles Getreide durch das Ross täglich durchziehende Kriegsvolk gänzlich verfüttert sei, so hätten sie nicht ein Korn Sommergetreide zur Saat und müssten die Felder in diesem Jahr unbestellt lassen. Das zur „Brötung“ (Brotbacken) nötige Korn müssten sie bis zur nächsten Ernte „um den teuersten Pfennig“ beim Adel und in den Städten sich holen, wenn sie nicht mit Weib und Kind hungern wollten.
So konnten 1636 notwendige Instandsetzungsarbeiten an der Tiergartenmauer nicht mehr erfolgen, weil unsere Leute aus den Ämtern Schweinitz und Annaburg abwechselnd zu Schanzarbeiten nach Wittenberg geschickt wurden. Ersten direkten Kriegskontakt brachten durchziehende sächsische und kaiserliche Truppen am 7.4.1636 in Jessen, die den Bürgern hundert Pferde wegnahmen. Kurze Zeit später wurden am 19.4. über fünfhundert Stück eigenes und fremdes Rindvieh durch die sächsischen Truppen während des Gottesdienstes von der Weide bei Jessen weggetrieben, und kehrten nur wenige Stück zurück, die aus der Herdentrift ausbrachen. Im Mai wurden durch eigene durchziehende Truppen Belzig, Schlieben und Schönewalde verbrannt.
Am 4. Oktober 1636 kam es bei dem brandenburgischen Städtchen Wittstock zu einer der blutigsten Schlachten des Dreißigjährigen Krieges. Die schwedische Armee mit 15.000 bis 17.000 Mann unter dem schwedischen Feldmarschall Johan Banèr und dem schottischen Feldmarschall Alexander Leslie suchte die Entscheidungsschlacht gegen das zahlenmäßig überlegene kaiserlich-kursächsischen Heer mit 20.000 bis 30.000 Mann unter Generalfeldmarschall Melchior von Hatzfeld und Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen und siegte. Gepäck, Kanzlei und Silbergeschirr des sächsischen Kurfürsten fielen dabei in die Hände der siegreichen Schweden und der Weg zur Besetzung Mitteldeutschlands durch die Schweden stand weit offen. Banèr marschierte auf Erfurt während Leslie in Brandenburg einfiel. Durch die Schweden werden große Teile von Sachsen und Brandenburg besetzt und Erfurt erobert.
Spätere Historiker beschrieben diese Besetzung:
„Wie ein entfesselter Strom, überall Tod und Verderben ausbreitend, so stürzten sich die feindlichen Scharen in das unglückliche Land. Städte und Dörfer wurden verwüstet, weder Haus noch Kirche, weder Lebende noch Tote schonte man, und alle nur ersinnlichen Gräuel wurde vollführt. Um den Leuten das Geständnis über verborgene Schätze auszupressen, oder auch nur, um sie zu quälen, marterte man sie in wahrhaft teuflischer Weise. Man ließ die Unglücklichen langsam im Backofen braten oder hing sie über einem Feuer auf. Anderen sägte man die Kniescheiben an oder schnitt die Fußsohlen auf und streute Salz und Gerste hinein, oder man schlug an Händen und Füßen Holzpflöcke zwischen Nägel und Fleisch. Ein berüchtigtes Torturmittel war der – übrigens nicht nur von den Schweden angewandte – „Schwedentrunk“. In den durch einen Holzpflock aufgesperrten Mund goss man Düngerjauche und trat den Leuten, die dabei auf dem Rücken liegend festgehalten wurden, auf den Bauch. Aus jenen Tagen stammt der lange Zeit in machen Gegenden Deutschlands bekannt gewesene Spruch: „Kinder, betet, die Schweden kommen!“ Zur Schande Deutschlands muss es bekannt werden, dass auch viel deutsches Gesindel sich unter den schwedischen Scharen befanden und diesen an Verworfenheit nichts nachgab. Die Bestie im Menschen war erwacht, und die Hölle feierte ihren Triumph.“
Am 13. Dezember 1636 entsendet Kurfürst Johann Georg aus Torgau zwei Regimenter zu Roß und ein Regiment zu Fuß zur Unterstützung der bedrängten Brandenburger unter dem Obersten Schirstedt. Kurfürstin Hedwig zu Lichtenburg in Prettin muss die durchziehenden Mannschaften in Annaburg, Jessen und Schweinitz mit Brot und Bier versorgen lassen. Aber schon am 18. Dezember erfolgte ihr Rückruf, da der Kurfürst von Sachsen die Nachricht erhält, dass die Schweden unter Johan Banèr von Erfurt über Halle auf Torgau marschieren.
Die Sächsischen Truppen marschieren nach Eilenburg um die Schwedischen Truppen dort aufzuhalten. Sie werden dort am 03.01.1637 geschlagen und ziehen sich auf Torgau zurück. In Torgau hatten sich, bevor die Truppen von Banèr heranrückten, die Reste von fünf sächsischen Regimentern schutzsuchend versammelt. Nach Umzingelung der Stadt und der sofortigen Einnahme der Schanze am gegenüberliegenden Ufer (rechte Elbuferseite), gaben die Sachsen angesichts des schlechten Zustandes der Stadtwälle jeden weiteren Widerstand auf, auch um ein beschießen der Stadt zu verhindern. Die Kapitulation beinhaltete den freien Abzug der Offiziere nach Dresden und den Mannschaften wurden die Wahl gestellt – Übertritt in schwedische Dienste oder Gefangenschaft. Banèr ließ eine Besatzung von zwei Regimentern in Torgau und wand sich sofort am 11.01.1637 mit seiner Hauptmacht Leipzig zu und belagerte die Stadt erfolglos bis zum 7.2.1637. Er verweilte dann vom 8.2.- 4.3.1637 in den Schanzen von Eilenburg und kehrte am 05. März nach Torgau zurück. Die Bürger von Torgau mussten für die Hauptmacht der Schweden vor den Toren ihrer Stadt eigenhändig Schanzen (großes Lager) errichten, wo die Truppen Quartier bezogen. Außerdem ist überliefert, dass zwei Regimenter in Herzberg einquartiert wurden. Da zu diesem Zeitpunkt die finanziellen und materiellen Möglichkeiten von Torgau und Herzberg zur Versorgung der schwedischen Truppen erschöpft waren, mussten die Städte und Dörfer im unmittelbaren Umkreis zur Versorgung der Truppen herangezogen werden. Es erfolgten täglich Streifzüge (Raubzüge) der schwedischen Truppen in der umliegenden Region zur Lebensmittelbeschaffung. Dabei gingen Belgern, Dommitzsch, Schildau, Schweinitz und auch Annaburg in Flammen auf, umliegende Dörfer wurden verwüstet oder verschwanden für immer von der Bildfläche.
weiter unter:
Die überlieferten Kriegsereignisse von 1637
Bernd Hopke
Ortschronist
AnnaOffice©2020-12-29
Quellen
- GRÜNDLER, Schloß Annaburg – Festschrift zur einhundertfünfzig-jährigen Jubelfeier des Militär-Knaben-Instituts zu Annaburg, Verlag von Oscar Haebringer, Berlin 1888
- HEINTZE, Annaburg das Städtlein an der Heide – Geschichtlicher Rückblick, aus gebundene Beilagen der „Annaburger Zeitung“ um 1930
- GENTZSCH, Der Dreißigjährige Krieg, S. 208.
- GONZENBACH, Der General Hans Ludwig von Erlach von Castelen II, S. 130.
- WILSON, Peter H., Der Dreißigjährige Krieg. Eine europäische Tragödie, Oxford
- AUTORENKOLLEKTIV, unter: http://digbib.bibliothek.uni-augsburg.de/dda/flugschriften_titel_g.html, 2.3.2003.
- UNBEKANNTER AUTOR, Nachrichten aus der Stadt Jessen und den umliegenden Dörfern, Beilage zum Schweinitzer Kreisblatt – Jahrgang 1927
- UNBEKANNTER AUTOR, Denkwürdigkeiten der Stätte und Stadt Herzberg, Beilage zum Schweinitzer Kreisblatt – Jahrgang 1927
- UNBEKANNTER AUTOR, Nachrichten über das Kreisgebiet aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges und der ihm folgenden Zeit des Wiederaufbaues, Beilage zum Schweinitzer Kreisblatt – Jahrgang 1927