aus dem Dreißigjährigen Krieg
Auch in der letzten Phase des Dreißigjährigen Krieges, der eigentlich in Süddeutschland ausgetragen wurde, war unsere Region noch direkt betroffen.
Den kaiserlichen Truppen unter Gallas gelang es zwar im Vorfeld des letzten Kriegsabschnittes Banér bis Hinterpommern zurückzudrängen, aber als dieser im Sommer 1638 durch 14.000 Soldaten aus Schweden Verstärkung erhält, war Gallas am Ende. Das Hinterland war verwüstet, die Truppe ausgehungert und demoralisiert. Der Offensivdruck der Schweden war so stark, dass sich die kaiserlichen Truppen unter Gallas zurückziehen mussten.
Die kaiserlichen waren zur Unterstützung der sächsischen Truppen nach Schlesien auf dem Durchzug durch unsere Region. Im April 1642 wurde das sächsische Heer unter Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg bei Schweidnitz in Schlesien von den Schweden unter Torstensson schwer geschlagen. Der Krieg kam zu uns zurück.
„Im Jahre 1644 fing gleich der Neujahrstag in Jessen übel an; denn die Schweden schlugen unsere sächsischen Völker in einem Treffen vor Lichtenburg und verfolgten sie dann bis an unsere Elster; worüber ein solcher Schrecken in unserer Stadt gewesen, dass viele Bürger darüber ausgerissen und gegen Wittenberg geflohen sind… Von den fliehenden Sachsen wurden mehrere hier begraben. Ein Jessener Bürger wurde durch Unvorsichtigkeit eines 16 jährigen Knaben erschossen. Eine Bürgerstochter sprang, um sich vor den Nachstellungen der Schweden zu retten, in die Elster.
Am 8.8.1644 war abermals ein Schreckenstag; früh morgens, da die meisten noch schliefen, brachen die Schweden ein und raubten alle Pferde und was sie sonst noch kriegen konnten, plünderten etliche Häuser und erpressten 2.000 Gulden. Da die Stadt nicht so viel aufbringen konnte, wurde der Bürgermeister Martin Fiedler als Geisel durch die Schweden mitgeführt.
Noch im August kam kurz danach der schwedische General Königsmark und ließ die ganze Stadt, auch Kirche, Pfarre und Schule so plündern, dass fast nicht ein bisschen Brot noch ein Trank dünnen Bieres mehr übrig blieb. Auch kam dabei ein Feuer auf, das aber noch glücklich gelöscht werden konnte.
Die nächste verlorene Schlacht folgte am 23.11.1644 vor Jüterbog. Die Kaiserlichen Truppen unter Galles und an ihrer Seite die Sachsen unterlagen gegen die Schweden unter Torstenssohn. Die kaiserliche Armee löste sich auf und es kam 1645 zu den Waffenstillstandsverhandlungen zwischen Schweden und Sachsen und der folgenden schwedischen Besatzung (Torgau von Schwedischen Truppen belegt) bis 1650. Jetzt war Banèr am Ziel seiner strategischen Pläne: den Krieg in die seiner Meinung nach noch verschonten Gebiete Süddeutschlands und Österreichs zu tragen.
Der Waffenstillstand zwischen Sachsen und Schweden wurde 1645 in Kötzschenbroda ausgehandelt und kurz vor Ablauf der Waffenstillstandsdauer dann in Eilenburg erneuert. Der am 31. März 1646 geschlossene Friede von Eilenburg war dann gültig bis zum allgemeinen Waffenstillstands- oder Friedensvertrag, der mit dem Westfälischen Frieden 1648 erzielt wurde. Kursachsen schied damit zwar aus dem Krieg aus. Die schwedischen Besatzer blieben jedoch in Torgau und Leipzig und hatten das Recht, in ganz Sachsen mit Ausnahme eines Drei-Meilen-Kordons um Dresden, frei zu marschieren. Die Kontributionen wurden auf 8.000 Taler reduziert, dennoch hatte das gesamte Land unter der schwedischen Besatzung noch bis 1650 zu leiden.
Das schützte auch nicht vor weiteren Plünderungen, so 1646 in Annaburg;
es war gerade um die Osterzeit, als die unwillkommenen Gäste erschienen. Schon am Gründonnerstag war ein Trupp von etwa 30 kaiserlichen Reitern auf’s Schloss gekommen, hatten mittels über den Graben geworfener Leitern die Zugbrücke vor dem Schloss erstiegen, das Schlosstor aufgebrochen und in den Ställen des Vorderschlosses nach Pferden und Rindvieh gesucht. Da jedoch um der Schweden willen bei Nacht alles Vieh beiseite und nach Torgau geschafft war, so begnügten sich die kaiserlichen damit, Kisten und Kasten nach Futter zu durchsuchen und außerdem „was sie fortbringen konnten und ihnen dienlich zu sein bedünkte“, aufzupacken und mitzunehmen. Tags darauf, am Karfreitage, erschien eine größere Schar, gegen 150 Pferde stark, und drang auf demselben Wege in das Schloss. Wieder wurde alles und schärfer als am vorherigen Tage durchsucht. Im Hinterschloss erbrachen die Reiter alle verschlossenen Türen. Das Saatgetreide und die für die kurfürstlichen Jagdpferde bestimmten Vorräte rafften sie zusammen. Von den Betten wurden die Ziechen abgezogen, die Federn auf den Schlosshof geschüttet. Alles vorhandene Federvieh „an indianischen und kalekuttischen Hühner, Gänsen, Enten und Haushühnern, sie mögen auf der Brut oder sonst angetroffen sein“, hieß man mitgehen. Die Gesamtsumme des von diesen und der ersten Reitern genommenen Getreides betrug: 6 Scheffel Korn, 15 Scheffel Gerste, 4 Scheffel Heidekorn, 7 Scheffel Hafer, 8 Scheffel Hirse – für ein kurfürstliches Schloss nur ein geringer Vorrat, in den teueren Zeiten aber von unschätzbarem Werte. Vom Schlosse aus begaben sich einige Soldaten nach der Ortskirche. Hier hatten diejenigen Einwohner eine Zufluchtsstätte gesucht, welche es an Fuhrwerk zur Fortbringung ihrer Habe gefehlt, die anderen hatten sich nach Torgau geflüchtet. Die Kirchtür war vom Schulmeister verschlossen worden, so stiegen die Plünderer durchs Fenster ein – „was nun diese armen Leute bei sich gehabt und ihnen, den Soldaten, gedient, haben sie hergeben müssen“. Von Annaburg zog die Schar nach Treben, nahm auch hier, was sie kriegen konnte, und begab sich dann in die Heide. Ihre Absicht, „sich die geraubten Viktualien den Abend auf grüner Heide selbst wohl zurichten“ zu wollen, führte sie getreulich aus, dass infolge ihres Kampierens ein Waldbrand in jener Gegend entstand, der sich etwa 8000 Schritt weit erstreckte. Der Annaburger Schosser Martin Zeibig und der Forstmeister Martin Rohrwacher waren unter den nach Torgau Geflüchteten. Der letztere musste zu seinem Leidwesen berichten, dass die Reiter auf ihren Pferden eine Anzahl (31) Hirsch- und Wildhäute hatten mitgehen heißen. Wir werden ihm Recht geben, wenn er – zur Entschuldigung dafür, dass er schreibt: „hätte auch nicht vermeinet, dass sie an Ew. Churfürstlich Durchlaucht Schloss solche Plünderung üben sollten“.
Der Ort Annaburg sah zum Ende des Krieges trostlos aus. Viele Gehöfte waren niedergebrannt, teilweise auch ausgestorben. Kaum ein Haus war heil geblieben. Die Neuen Häuser am Markt waren zerstört, Schloss und Tiergarten verwüstet. Im ehemaligen Mustergut von Kurfürstin Anna war nur noch eine alte Kuh zu finden. Die Wasserkunst und die Röhrleitung waren zerstört. Die Äcker waren größtenteils mit Buschwerk und Bäumen bewachsen.
Das war auch ein Grund für die geringen Amtseinkünfte der nachfolgenden Jahre, da die Brennholznachfrage geringer geworden war.
Umso mehr Gesuche gingen ein zur Gewährung von Bauholz zum Wiederaufbau der verwüsteten Gebäude. Sie alle erwähnten, dass die Güter seit 1637 wüst liegen, wo sie „von den feindlichen Pannirischen Völker in Asche gelegt wurden.“ – Eines dieser Schreiben ist unterschrieben von „gehorsamsten armer Mann Hans Beyer“. Es enthält u.a. folgenden Hinweis: „Weil ich denn, da nunmehro Gott der Allerhöchste den lieben lange gewünschten Frieden gegeben, dasselbe (Haus) wieder auf- und anzubauen vorhabens bin… als habe ich zu Ew. Churfürstlichen Durchlaucht das unterthänigste Vertrauen, Dieselben werden gnädigst geruhen und mir armen notdürftigen Mann berührtes Holz, wie anderen Benachbarten um dieser Gegend geschehen, auch aus Gnaden dazu schenken.“. Bauernstellen, …im Orte gelegenes „abgestorbenes“, ehemals dem Hans Proschwitz gehörendes Wohnhaus sollte, da keine Erben vorhanden waren, zum Besten des Amtes verkauft werden und wurden gerichtlich auf 30 Gulden geschätzt. Jessener Bürger bewarben sich um den Abbruch, doch der Preis war ihnen zu hoch. Als das Haus schließlich im Jahr 1650 dem Einfall nahe war, erbat es sich der Schösser Jakob Becker, um das noch brauchbare Material zum Wiederaufbau seines abgebrannten Hauses in Pruzien zu benutzen, der Kurfürst gewährte ihm den Wunsch und schenkte ihm solch „ dem Amt zugestorbenes wüstes Haus“
Bernd Hopke
Ortschronist
AnnaOffice©2020-12-29
Quellen
- GRÜNDLER, Schloß Annaburg – Festschrift zur einhundertfünfzig-jährigen Jubelfeier des Militär-Knaben-Instituts zu Annaburg, Verlag von Oscar Haebringer, Berlin 1888
- HEINTZE, Annaburg das Städtlein an der Heide – Geschichtlicher Rückblick, aus gebundene Beilagen der „Annaburger Zeitung“ um 1930
- GENTZSCH, Der Dreißigjährige Krieg, S. 208.
- GONZENBACH, Der General Hans Ludwig von Erlach von Castelen II, S. 130.
- WILSON, Peter H., Der Dreißigjährige Krieg. Eine europäische Tragödie, Oxford
- AUTORENKOLLEKTIV, unter: http://digbib.bibliothek.uni-augsburg.de/dda/flugschriften_titel_g.html, 2.3.2003.
- UNBEKANNTER AUTOR, Nachrichten aus der Stadt Jessen und den umliegenden Dörfern, Beilage zum Schweinitzer Kreisblatt – Jahrgang 1927
- UNBEKANNTER AUTOR, Denkwürdigkeiten der Stätte und Stadt Herzberg, Beilage zum Schweinitzer Kreisblatt – Jahrgang 1927
- UNBEKANNTER AUTOR, Nachrichten über das Kreisgebiet aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges und der ihm folgenden Zeit des Wiederaufbaues, Beilage zum Schweinitzer Kreisblatt – Jahrgang 1927