Straßenausbaubeitrag

Geschichte der Straßenausbaubeiträge 1880 – 2020

Am 03.12.2020 verkündete der MDR „Koalition beschließt Abschaffung der Straßenausbaubeiträge“. Der Landtag von Sachsen-Anhalt stimmt am 15.12.2021 dem entsprechenden Gesetzesentwurf zu. Damit sind auch in Sachsen-Anhalt die Straßenausbaubeiträge endgültig und rückwirkend zum Jahresbeginn abgeschafft worden. Unser Bundesland war eines der letzten Länder, in denen die Kommunen noch verpflichtet waren, einen Teil der Kosten für den Straßenausbau bei den Anwohnern einzutreiben. Für die Jahre 2017 bis 2019 müssen die Kommunen nun selbst entscheiden, ob sie die Beiträge noch eintreiben. Wenn nicht, müssen für die Ausbaumaßnahmen innerhalb von 5 Jahren den  betroffenen Anwohnern die Straßenausbaubescheide zugestellt werden.Damit endet diese „Bürgerbeteiligung“ an den Straßenausbaukosten die in unserer Region im Zusammenhang mit der Durchsetzung der preußischen Landgemeindeordnung vom 3. Juli 1891 ihren Anfang nahm. Sie stand auch damals schon im Zusammenhang mit dem allgemeinen Straßenausbau. Befestigte Wege waren noch nicht üblich. In Annaburg waren innerhalb des Stadtgebietes noch Knüppeldämme notwendig um nicht in der Regenzeit im Schlamm zu versinken. Gepflasterte Ortsverbindungsstraße gab es genauso wenig wie ausgebaute Landstraßen. Im Kreis Torgau war 1868 erst die Torgauer-Leipziger Chaussee (B87) fertig gestellt. Dagegen wurde zu dieser Zeit die Strasse von Torgau bis Herzberg (B87), für deren Herstellung der Torgauer Kreis bis zu 12.000 Taler bereitstellte, erst viel später in Angriff genommen. So zählte sie noch zu den nichtchaussierten Wegen, genauso wie die sandige Wegestrasse von Annaburg bis Torgau, sowie die nur „mit einer Kiesdecke versehene“ Torgau – Wittenberger Strasse (B182). Für diese Straßen, die auch durch die Fahrpost genutzt wurden war der Königliche Wegebaufiskus zuständig. Es standen im Kreis Torgau für den Unterhaltung dieser fiskalischen Strassen

nur jährlich ca. 2.000 Taler …, von welchem Betrage auch noch die Brückenbauten und Aufsichtsposten bezahlt werden müssen" 

zur Verfügung.

Für die anderen Straßen und Wege waren die allein die Grundstückbesitzer zuständig. So hatten die Anlieger auch von den Gemeindewegen meist in Anlehnung an den Separationsvereinbarungen aber auch durch freiwillige gegenseitige Übereinkünfte es übernommen, für den Unterhaltung dieser Wege Sorge zu tragen.

Mit Hacke und Spaten in der Hand zog der Besitzer aus, um, soweit der ausbesserungsbedürftige Weg an seinem Grundstück entlang lief, hier selbst die nötigen Aufbesserungen vorzunehmen.

Klar war, dass die Ausführung hierbei sehr unterschiedlich erfolgte. Die Arbeiten wurden auf das notwendigste beschränkt und so ausgeführt wie es nach der Ansicht der Betreffenden genügte. Andere Gemeindeeinwohner haben auch aus eigenem Interesse die Befestigung und Beschüttung ihres Straßenanteils besser ausgeführt, um eine gute und bequeme Zufahrtsstraße zu ihrem eigenen Grundstück zu erhalten. Erst allmählich kamen in den Gemeinden die einzelnen Bewohner wohl vornehmlich aus Bequemlichkeit überein, dass die Unterhaltung der Wege durch die Gemeinde stattfinden sollte und dass dann der einzelnen Anlieger sich an den Kosten des Wegebaues beteiligen musste.

So wurde im Juni 1880 in Annaburg mit der Pflasterung eines Teiles der Torgauerstrasse auf der Basis der „Freiwilligkeit“ begonnen. Das Stück Strasse kostete damals 400 Taler (1.200 Mark). 1881/82 erfolgten die Pflasterung des heutigen Marktes und die Kostenübernahme seiner Anlieger. Erst 1887 war die ganze Torgauer Straße fertig gestellt. Es folgten immer noch auf „Freiwilligkeit“ die Mittel- und Hinterstraße. Ab 1890 wurden weitere Straßen von Annaburg gepflastert und die bis damals existierenden Knüppeldämme verschwanden endlich. Dazu hatte Annaburg vom Kreisausschuss jährlich 300 Taler bewilligt bekommen. 

Diese „Freiwilligkeit“ wurde mit der Wegeordnung von 1891 zur Pflicht, in der nun die Gemeinden für den Unterhaltung und Ausbau ihrer schadhaften Wege verpflichtet waren. Anfänglich haben sich die Gemeinden schwer getan mit deren Umsetzung. So widerspiegeln die Gemeindeausgaben bis 1894 auch nur noch Ausgaben für „Gräben räumen, Brücken wieder herstellen, Bäume raupen„, das sind die Posten, auf die sich der Wegebau in dieser Zeit im Kreisgebiet Torgau erstreckte. Für die Gemeinden des Torgauer Kreises änderte sich das schlagartig mit dem neuen Landrat Wiesand und sein nachdrückliches Eintreten für den Wegebau ab 1894. Ab dieser Zeit erst wurde in unserer Region Straßenausbau betrieben. Die bekannten Kreischausseen, Annaburg – Jessen und Annaburg – Schweinitz wurden mit Kostenbeteiligung der Bürger von Annaburg aber erst 1905 gebaut. Bis 1895 wurden durch die Gemeinde im Durchschnitt 160 Mark pro Jahr für den Straßenausbau ausgegeben. Von 1895 bis 1904 schon 1.000 Mark pro Jahr und von 1905 bis 1910 dann 3.200 Mark pro Jahr. Die Finanzierung erfolgte noch nicht direkt, sondern durch:

"Es geschieht dies in allen Gemeinden durch Umlagen ; seit dem Kommunal- Abgaben- Gesetz von 1893 lebt sich die Einrichtung, die Steuern nach einem bestimmten Steuerfuss zur Deckung der jährlichen Ausgaben einzuziehen, immer mehr ein."

Bis 1891 wurde hier der Hufen- und Mannschaftsfuß (Grundstückbesitzer und Landlose Gemeindemitglieder) beim Steueraufkommen genutzt. Und nach Einführung des:

"Kommunalabgabegesetz (KAG) von 1893 haben die allgemeinen Umlagen aufhören müssen und es wurden auf Grund der staatlichen Veranlagung zur Einkommen-, Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer die nach einem Voranschlage nötigen Ausgaben durch Gemeindesteuern aufgebracht, denen ein jährlicher bestimmter Steuerfuß zugrunde gelegt wurde."

Seit 1892 hat man zum ersten Male scheinbar regelrecht Steuern im heutigen Sinne erhoben und es zeigt sich hier ganz deutlich die vor Einführung des K.A.G. stärkere Belastung der Einkommensteuer und schwächere Heranziehung der Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer, indem nämlich in diesem Jahre als Zuschläge zur Klassen- und klassifizierten Einkommensteuer 40 %, zur Grund- und Gebäudesteuer dagegen 30 % erhoben wurden. Das nächste Jahr zeigt dieselbe Höhe und Verteilung. Das Muster ist immer das Gleiche, die „Habenichts“ zahlen immer mehr als die „Besitzenden“. Eigentlich auch klar, denn im Gemeinderat sind die „Habenichtse“ auch gar nicht vertreten. Bevor man die Grund- und Gebäudesteuer anhob führte man bereitwillig neue Steuern ein um die steigenden Kosten zu decken:

Die Gemeinde Annaburg hat seit 1894 die Einführung einer Hunde-, Bier- und Lustbarkeitssteuer beschlossen. 

Und übernahm sogar eine „Vorreiterrolle“ im Kreisgebiet:

Als letzte und neueste indirekte Steuer ist noch die Umsatzsteuer zu erwähnen, deren Einführung erst seit 1907 beschlossen ist und die in dem oben genannten Jahre eine Einnahme von 2468.31 Mk. und 1908 von 1557.59 Mk. brachte (Außer in Annaburg ist die Umsatzsteuer zurzeit im Kreise Torgau nur noch eingeführt in den Gemeinden Staupitz und Zinna.[Stand 1910])

Und alles obwohl es ja eigentlich keinen Zwang zum „Neubau“ von Straßen gab, den die „Habenichtse“ in der Steingutfabrik auch gar nicht benötigten:

"Leider kann ein Zwang, Chausseen zu bauen, vom Staate auf die Gemeinden nicht ausgeübt werden. Letztere sind nur nach dem Gesetz verpflichtet, ihre Wege in einem ordnungsmässigen Zustande zu erhalten."

resümierte ein verantwortlicher Beamter aus dieser Zeit. Da es ja nun mit dem Ausbau vorwärts ging brauchte sich der „Staat“ mit seinen „Straßen“ nicht mehr so zu beeilen. Die Annaburg – Torgauer Straße, die in Verantwortung des Kreises Torgau lag und nicht mit „Straßenausbaubeiträge“ der Kommune finanziert werden konnte, blieb uns als „Sandweg“ erhalten. Nachdem das „Auto“ auch unsere Region erreichte, wurde die Annaburg-Torgauer Straße in den 30iger Jahren für den Kraftverkehr gesperrt, um so die „Unterhaltskosten“ des Kreises zu minimieren.

 

BERND HOPKE
ORTSCHRONIST

AnnaOffice©2021-1002-23

 

 

Quellen

  • Der Landtag von Sachsen-Anhalt unter: https://www.landtag.sachsen-anhalt.de/2020/strassenausbaubeitraege-werden-abgeschafft/
  • Johannes Herrmann „Die Entwicklung der ländlichen Gemeindeabgaben im Kreise Torgau (Elbe).“ In Inaugural-Dissertation der hohen philosophischen Fakultät der Vereinigten Friedrichs-Universität Halle –Wittenberg; Juni 1910.