Zusammentreffen amerikanischer und sowjetischer Truppen in Annaburg
Am 25. April 1995 trafen das erste Mal amerikanische und sowjetische Truppen zusammen und reichten sich in Torgau die Hände. Das war für die Alliierten ein Ereignis von großer politischer Bedeutung. Für die Deutschen war es das Zeichen, dass der Zusammenbruch des deutschen Reiches immer näher rückte, Das Zusammentreffen sowjetischer und amerikanischer Truppen am gesprengten Brückenübergang in Torgau hatte dazu geführt, dass die deutsche Wehrmacht in zwei Teile aufgespaltet war.
Bill Shank, der im April 1945 als First Lieutenant Verbindungsoffizier bei der 104. mot. Schützenabteilung der 104. Schützendivision („Timberwolf“) war, schildert in dem Buch „Yanks meet reds“ (Yanks treffen Rote), dass er in diesen Tagen zweimal den Auftrag erhält, möglichst die Verbindung mit den sowjetischen Truppen aufzunehmen. Über seine Erkundungsfahrt am 26. April 1945, die ihn und seine Kameraden über Pretzsch nach Annaburg führt, hat er niedergeschrieben:
„Es war 01.30 Uhr, am Morgen des 26. April. Ich hatte nicht mehr geschlafen, seit ich am 22. April ins Bett gegangen war. Nach einem Frühstück mit meinem Alten war ich gerade erst in mein Quartier zurückgekehrt, hatte meine Socken ausgezogen und das Radio angestellt, als ein Kamerad hereinkam und sagte, der Alte wolle, dass ich mich wieder auf den Weg mache. Die Division hatte Sergeant Jack Adler ausgewählt, der versuchen sollte, mit den Russen in Pretzsch an der Elbe in Kontakt zu kommen - ungefähr achtzehn Meilen nördlich von Torgau. Adler wählte Corporal Bob Gilfillan, Corporal Sam Stanovich und denselben Russen (ein ehemaliger Kriegsgefangener), der schon mit mir gewesen war, für seine Patrouille aus. Ich sollte die Männer im Jeep begleiten, so weit man mit dem Fahrzeug kommen konnte, sie dann zu Fuß weiterschicken, versehen mit Verpflegung und der Instruktion, sich notfalls zu verschanzen und auf die Russen zu warten. Wieder ließen wir einen Panzerwagen in Wellaune. Wir fuhren bis zu einem Punkt nördlich von Düben. Überquerten die Mulde auf einer handbetriebenen Fähre und stießen vier Meilen nach Osten bis Rösa vor. Von Rösa ging es nach Schwemsal. Pretzsch lag ungefähr zwanzig Meilen entfernt. Berlin sechzig. Wir hatten eine amerikanische Fahne mitgenommen, um uns wenigstens kenntlich zu machen. Nachdem wir Schwemsal einige Meilen hinter uns gelassen hatten, holten wir die Fahne hervor und banden sie an einen zwei Meter langen Stab, den wir an der rechten Seite der Windschutzscheibe befestigten. Auf der Landstraße waren wir den Blicken schutzlos preisgegeben, und so schien es nur logisch, dass wir die Aufmerksamkeit auf uns lenken mussten, da wir keine Gelegenheit hatten, uns zu verstecken. Am späten Nachmittag fuhren wir über eine Anhöhe östlich von Bad Schmiedeberg. Dort fielen uns am Rand der Landstraße sieben Deutsche auf, die ihre Gewehre auf uns richteten. Wir lüfteten unsere Helme, erhoben uns im Jeep, machten freundliche Gesten und hielten auf sie zu. Von fern her hörten wir Gewehrfeuer. Ich fragte die Männer, was sie hier täten, und sie antworteten, sie bildeten die Nachhut einer Einheit, die in einen Kampf mit den Russen verwickelt sei. So nahe also waren die Russen. Wir fuhren weiter nach Pretzsch und passierten das verlassene Dorf Splau. Von einer Anhöhe nahe Pretzsch sahen wir, wie zu unserer Linken aus einem Feld zwei russische Soldaten auftauchten, vorsichtig zu uns herüberschauten und dann Luftsprünge vollführten. Sie - ein Hauptmann und ein Soldat - rannten auf unseren Jeep zu, umarmten und küssten uns und schrieen aus Leibeskräften. Sie kletterten auf die Stoßstange und Kühlerhaube und dirigierten uns zu einer Fähre an der Elbe Wir fuhren mit dem Jeep auf die Fähre und zogen sie mit der Hand ans andere Ufer. Auf der anderen Seite des Flusses begrüßte uns ein Trupp von sechzehn Russen mit einem dreifachen donnernden „Hurra“. Wir legten noch ungefähr sechzehn Kilometer zurück bis zum Stab der 118. Infanteriedivision in Annaburg. Dort kamen wir um 19.30 Uhr an und wurden vom kommandierenden Offizier, Generalmajor Suchonow, begrüßt.“
Generalmajor Suchonow war der Kommandeur der 118. Schürzendivision, die zur 5. Gardearmee gehörte. Sie hatte im Verlauf der sowjetischen Offensive die Elbe erreicht und sicherte an diesem Abschnitt den Fluss zwischen Elster und Torgau. Der Bericht des amerikanischen Offiziers macht deutlich, dass die Verbände dieser Schützendivision spätestens am 26. April den Fluss überwanden und Pretzsch und andere Orte in der Elbaue und Dübener Heide einnahmen.
Bill Shank berichtet dann sehr anschaulich, wie sie vom Divisionskommandeur Generalmajor Suchonow empfangen wurden. Die Begrüßung der amerikanischen Delegation erfolgte in einer behelfsmäßigen Speisehalle, in deren Mitte ein langer Tisch zum Essen einlud. Bill Shank erinnerte sich, dass neben ihm ein gebildeter russischer Hauptmann saß, der gut deutsch sprach, so dass sie sich einigermaßen verständigen konnten. Die Begegnung der Amerikaner und Russen wurde offensichtlich zu einer sehr freundschaftlichen Feier, die mit vielen Trinksprüchen auf den gemeinsamen Sieg verbunden war. Er schreibt, wie er von der herzlichen und freundschaftlichen Mentalität der Russen beeindruckt war. Dann wurden sie von einem reichlichen Gastmahl überrascht. Für ihn wurde dann der Wodka zum Problem, der an diesem Abend zu den vielen Trinksprüchen getrunken werden musste.
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Quelle
- http://www.dreikastanienverlag.de/wittbr.htm; Zugriff Mai 2008