Samendarre

Gewinnung von Kiefernsamen


Die Gewinnung des Kiefern- und Fichtensamens sowie den Samen anderer Nadelhölzer erfolgte in Samendarren oder – wie sie auch genannt werden – Klenganstalten, deren es die verschiedensten Arten gab. Das wesentliche bei allen ist, dass die Zapfen einer gleichmäßigen bestimmten Wärme ausgesetzt werden, bis sie sich öffnen und die Samen ausfallen. Der Vorläufer unserer heutigen Samendarre in Annaburg war eine Kleindarre, die auf dem Gelände des heutigen Forstamtes stand und nur eine lokale Bedeutung für die Nachzucht des Baumbestandes der Annaburger Heide hatte. Im Jahre 1896 brannte diese veraltete Darre bis auf die Grundmauern nieder.

Der damalige Forstmeister Stubenrauch ließ unter Leitung des Landbauinspektors von Pentz und des Forstassessors Dr. Bergmann die jetzige Kiefernsamendarre in Annaburg bauen. Als Vorbild dieser neuen Samendarre diente eine kleinere in Eberswalde im Jahre 1896 erbaute Feuerdarre. Aufgrund der dort gesammelten positiven Erfahrungen beim Bau und Betrieb dieser kleineren Anlage wurde die Annaburger Samendarre als Großdarre nach gleichem Trocknungsprinzip geplant. Dabei sollte die Anlage im Winter- wie Sommerbetrieb in der Lage sein 10.000 hl Zapfen (100 Tonnen) im Jahr zu darren. Im Jahr 1901 konnte mit dem Bau auf dem heutigen Grundstück begonnen werden. Im Jahr 1902 wurde die Anlage fertig gestellt (Kosten zu damaliger Zeit 110.000 Mark). Neben dem Anlagengebäude für die Darre wurden noch ein Trocknungsschuppen aus Holz und ein Wohnhaus für den Darrmeister errichtet.

Der Darrprozeß

Mittels einer Ofenheizung wird im Erdgeschoß Heißluft mit einer erforderlichen Temperatur von 60 °C erzeugt. Diese Luft wird durch ein Gebläse in die Vor- und Trommeldarre geblasen. Die Beschickung mit Kiefernzapfen erfolgt über ein Transportband aus dem Trockenschuppen über einen Elevator (mechanischen Stetigförderer für die Senkrechtförderung) in die Vordarre und von dort in die Trommel. Die Erwärmung der Zapfen führt zum Öffnen der Schuppen und die rotierende Bewegung in der Trommel zum ausfallen der Samen. Dieser wird in darunter befindliche Fallschächte aufgefangen und in Säcke geleitet. Eine weitere spezielle mechanische Maschine führt die Reinigung und Entfernung der „Flügel“ aus. Danach endet der Prozess und das gewonnene Saatgut kann in große Glasflaschen verfüllt im Vorratskeller bis zum Verkauf abgelagert werden.

Wissenschaftliche Begleitung

Da dieser Saatgutgewinnungsprozess damals bei Errichtung der Darre noch „Neuland“ war, setzte der Forstmeister Stubenrauch als Darrverwalter den noch jungen Forstwissenschaftler Oberförster Haack ein. Seine wissenschaftliche Begleitung führte zu brauchbaren Keimprüfverfahren. Die hier entwickelten Verfahren zur Bestimmung der Keimfähigkeit wurden auch später noch in der Eberswalder Forstsaatgutprüfstelle eingesetzt. Leider wurde Oberförster Haack im 1. Weltkrieg zum Militärdienst eingezogen und auch dessen Opfer.

Sie hat sich bewährt

Bis 1945 war die Annaburger Samendarre „Hauptzapfenerfassungsstelle“ für das Waldgebiet des gesamten Regierungsbezirk Merseburg, des späteren (1945 – 1952) Land Sachsen-Anhalt.

Aber wir wissen, dass auch Zapfen aus den damaligen Regierungsbezirken Oppeln, Breslau, Lüneburg und Schleswig-Hollstein geliefert und verarbeitet wurden.

Die Annaburger Samendarre, die unbeschadet den 2. Weltkrieg überstanden hatte, übernahm als die größte Darre neben 4 anderen Samendarren die Versorgung von mehr als 20 Forstwirtschaftsbetrieben mit Saatgut in der SBZ und der späteren DDR. Eine zusätzliche Aufgabe bestand noch darin, dass auch das Importsaatgut in Annaburg einging und von hier aus verteilt wurde.

In dieser Zeit (ca. 1955 – 1973) wurde die Samendarre auch genutzt um Vermehrungssaatgut wie Rübensamen, Mais, Sonnenblumen, Erbsen u.a. zu trocknen und damit die landwirtschaftlichen Betriebe zu unterstützen.   

Versäumnisse im Unterhalt der Darre führten 1973 zu einem Brand. Auslöser war ein schadhaftes Flamenrohr der die Vordarre und die Trommelverkleidung zerstörte. Die Samendarre nahm aber nach kurzer Reparaturzeit (1 ½ Monate) ihre Arbeit wieder auf und leistet auch heute noch, nach dem alten Produktionsprozess ihre Arbeit.

Heute ist die Landesdarre eine Einrichtung der Landesforstverwaltung und Struktureinheit des Staatlichen Forstamtes Annaburg. Als Mitglied der deutschen Vereinigung für forstliches Saat- und Pflanzgut e.V. nimmt sie über den Darrprozess hinaus die umfangreichen Funktionen des zentralen Forstsaatgutdienstes des Landes wahr. Sie ist eingebunden in das staatliche Programm der Sicherung von Genressourcen für die Erhaltung der Arten- und Formenvielfalt der heimischen Flora.

 

BERND HOPKE
ORTSCHRONIST

AnnaOffice©2021-01-21

 

 

Quelle

Autorenkollektiv unter Leitung von Willy Hartung; „Betriebsgeschichte des Staatlichen Forstwirtschaftsbetriebes Jessen in Annaburg“, um 1985 unverlegt; Eigenverlag,;