Antonier und die Reformation

Die Antonier von der Lichtenburg und die Reformation


Aus der „Chronik der Umgebung Prettin von Julius August Richter
bis 1881“ erfahren wir viel über die Lichtenburg und das Antonierkloster. Über die Zeit der Reformation wird folgendes in der Chronik berichtet:

"Die Lichtenburger Antonier treten ganz besonders kurz vor und mit der Reformation selbst in den Vordergrund und erwerben sich Anerkennung und Einfluss. Der Vorsteher eines Antonierhofes nannte sich nicht Propst oder Abt wie die anderen Klöster sondern Präzeptor; der von Lichtenburg verwaltete aber die Propstei Schlieben mit; später, als der Klosterhof hier aufgelöst wurde, nahmen diese Propste dauernd Wohnsitz in Schlieben; der Superintendent führt dort heute noch den Titel eines Propstes. Als im Jahre 1502 die neue Universität zu Wittenberg eingeweiht wurde, berief der Kardinal Raymund den gelehrten Präzeptor Goswin von Orsoy zum ersten Kanzler an dieselbe; als solcher hatte er bei der Einweihungsfeierlichkeiten zu amtieren. 
Als Tetzel mit seinen Ablasskram nach Deutschland kam und in Annaburg zuerst auftrat, da waren es die Antonier, die sich seine Gunst ganz besonders zu erwerben mussten. Während er sonst gegen alle Mönche wütete, behandelte er die Lichtenberger in der zuvorkommenden Weise; er nahm sie sogar in Schutz, wo es nötig schien. 
Der Kurfürst von Sachsen, Friedrich der Weise, welcher von 1486 – 1525 regierte, verkehrte ebenfalls viel und gern in Lichtenberg und beriet sich oft mit dem Präzeptor Reysenbusch, der auch zugleich Präzeptor der Universität Wittenberg war.
Im Jahre 1518 ließ der Dr. Luther und Spalatin nach Lichtenberg kommen, um in Gemeinschaft mit Reysenbusch über Luthers Bleiben oder Nichtbleiben zu beraten.
Dr. Wolfgang Reysenbusch, der Luther’s Freund schon längst im Stillen geworden war, legte, ebenso wie der Kanzler und die ganze Universität, Fürbitte beim Kurfürsten für Luther ein, deren es aber gar nicht bedurfte, da sich der glaubensstarke Luther Friedrich’s Herz schon selbst zu erobern verstand, infolge dessen er auch in Wittenberg blieb.
Friedrich war von jetzt ab ganz andere Ansicht über Luther als früher.
Zwei Jahre später, am 12. Oktober 1520, fand abermals eine Besprechung in der Lichtenberg statt; es war dies die dritte und letzte, zu welcher der päpstliche Legat Dr. Karl von Miltitz, ein gewandter Weltmann, aus Sachsen geschickt war. Diese Besprechung war von besonderer Wichtigkeit, da Luther in derselben dem päpstlichen Gesandten ein Schreiben an den Papst überreichte, wie er ein derberes und kernigeres vorher und nachher nicht geschrieben hat. Luther schreibt über diese Zusammenkunft an Spalatin: Miltitz wollte mich armen Teufel gerne mit in’s Spiel bringen, auf dass, so man sich an Dr. Luther rächen wollte, dies Bad von mir selbstens ausginge, aber der Gebrannte scheuet das Feuer“. 
Seit dieser Besprechung wurden Luther und Reysenbusch immer mehr Freunde; das Verhältnis wurde immer inniger, so dass Reysenbusch schon im Jahre 1525 mit sämtlichen Antonierherren in Lichtenberg zu Luthers Lehre übertrat und dieselbe predigte und förderte.
Dieser innige Verkehr zwischen Luther, Melanchthon und Reysenbusch hatte für die Kirche gesegnete Folgen. Die beiden erstgenannten verkehrten von jetzt abfast wöchentlich auf dem Jagdschloss zu Prettin, wo selbst zur Zeit Elisabeth, Joachim’s I. von Brandenburg Gemahlin weilte, mit Reysenbusch. Bei dieser Gelegenheit predigten sie in der Stadtkirche und auf den nahen Dörfern, wobei sie von Reysenbusch reichlich unterstützt wurden. Im Frühjahr 1529 wurde in Prettin Jakob Patorius als erster evangelischer Prediger angestellt und in sein Amt eingeführt; von Lichtenberg aus wurden seine Einkünfte bedeutend verbessert. Noch in demselben Jahre visitierte Luther im Beisein des Hauptmann von Metzsch und Hans von Taubenheim das Kirchen- und Schulwesen in Prettin. Die Visitationsversammlungen, welche mit Luthers eigenhändiger Unterschrift und Siegel versehen sind, werden noch heute im Ephoral-Archiv als seltene Urkunde aufbewahrt. 
Als 1525 die Lichtenberger Antonier zur neuen Lehre übergetreten waren, hörte selbstverständlich der alte Zwang der Klosterregeln und das frühere Treiben der Mönche ganz auf. Viele derselben gingen wieder in die Welt oder übernahmen Predigerstellen.
Dr. Wolfgang Reysenbusch blieb mit wenigen Brüdern bis zum Jahre 1536 oder 1540 in Lichtenberg und verwaltete das reiche Gut. Er gründete mehrere Stiftungen, die noch bestehen. Zunächst gedachte er der 5 Klöstervögte und 12 Arbeiter, welche beim Kloster angestellt waren.
Jedem der ersteren überwies er mit Zustimmung des Kurfürsten ein größeres Stück Land, woraus die 5 Hüfnerwirtschaften in Lichtenburg entstanden sind. Von den 12 Arbeitern erhielt jeder eine Baustelle nebst Hof und Gartenland, daraus sind die heute noch vorhandenen Gärtnernahrungen hervorgegangen. 
Um dieselbe Zeit dotierte Reysenbusch auch die Pfarre in Prettin mit den jetzt zu ihr gehörigen Hufen in der Lichtenburger Flur. Von Reysenbusch rührt auch die Präsenz-Stiftung, aus der noch heute die Geistlichen zu Axien, Bethau und Plossig jährlich am 28. November die Zinsen beziehen. Es erhält jeder ca. 21 Mark. 
Nachdem so durch die Reformation das Klosterleben in Lichtenberg aufgehört und die Bewohner des alten Klosterhofes ihre Wohnstätte verlassen hatten, gingen sämtliche Einkünfte desselben an den Kurfürsten über, der die Liegenschaften als Kammergut verwalten ließ. Im Jahre 1533 zerstörte eine aus Bosheit angelegte Feuerbrunst fast alle Gebäude des alten Klosterhofes, so dass nur ein Flügel von demselben stehen blieb, der bis auf diese Zeit erhalten ist; es ist der jetzige innere, in welchem am 15. Februar 1576 der Lichtenberger Konvent abgehalten wurde. Zu demselben hatte der Kurfürst August von Sachsen, welcher von 1553 – 1587 regierte, 12 seiner berühmtesten Theologen befohlen, die beraten sollten, wie der kirchliche Friede wieder hergestellt werden könne, denn nach Luther’s Tode durchzog die evangelische Kirche viel Hader und Streit über manchen Hauptartikel der evangelischen Lehre , besonders von dem Sakrament des Altars. Auf der einen Seite standen die streng lutherischen, auf der andern die Anhänger des milden Melanchthon. Als der Kurfürst zu der Überzeugung kam, dass, falls nicht ernstlich eingeschritten würde, der Lutherischen Kirche große Gefahr drohe, gebot er seinen Theologen, von denen Töpfer, Selnecker, Christoph Corner, Jakob Andreä Muskulus und Chemnitus besonders erwähnt werden, sich in Lichtenberg über die Punkte zu einigen, auf denen der Friede hergestellt und die lutherischen Kirche gerettet werden möchte. Fleißig haben sie denn auch geforscht und gearbeitet und so die Formula concordua oder Eintrachtsformel zu Stande gebracht, welche der Kurfürst im Mai des Jahres 1577 als symbolisches Buch publizierte, und noch heute gehört es zu den Bekenntnisschriften der evangelischen Kirche."
Quelle
Richterchronik; „Chronik der Umgebung Prettin“ von Julius August Richter um 1880; übertragen von Hans-Albrecht Gäbel 2003; abschriftlich, unveröffentlicht

AnnaOffice©2020