Deutsche Industrialisierung

Gedanken des Magisters Fürchtegott Buch zur beginnenden Industrialisierung in Deutschland – der industriellen Revolution.


An Aktualität haben Teilweise seine Gedanken jedenfalls leider nicht verloren, denke ich an die Schere zwischen Arm und Reich in unserer gegenwärtigen Gesellschaft.
Ein Zeitzeugenbericht aus dem Jahr 1836. Seine Gedanken darüber hielt Buch in seiner Prettiner Chronik fest:

Dass die Zivilisation in unseren Tagen wunderbar rasche großartige und folgenreiche Fortschritte macht, haben von genügend in diesen Jahr gebildete Aktien Verein für Eisenbahn, Maschinenbau u. Fabriken in Groß und Klein. Wie die Gegenwehr und Kämpfe die Bequemlichsten des Leben sich täglich mehren und unvollkommen, das füllt Tränen in die Augen. Die gewaltigen Kräfte der Natur sind dem Menschen dienstbar geworden und müssen für ihn arbeiten. Industrie, Produktion, Confussion, rascher Vorrat, Erwerb und Genuss so heißt die Losung in unserer geschäftigen Zeit. Die Länder und Völker sind einander näher gerückt; jede Tätigkeit hat 1000 Wege geöffnet. Die reichlichsten und vollkommen materiellen Resultate werden mit geringem Kraftaufwand erzielt. Das Los der niederen Volksklassen erscheint als gebessert, sie haben an Kenntnis und an Bildung zugenommen; viele Erwerbsgründe und geistige Beschäftigungen, woran sonst nur die Reichen und Vornehmen amtlich nahmen, sind jetzt ein Gemeingut aller geworden. Ja, es läßt sich zuversichtlich gesprochen, daß die Entdeckung u. Benutzung der Dampfkraft eine neue Aera in der Geschichte der Menschheit herbei führte, dem Menschen im vollen Sinne des Wortes zum Herrn der Erde machen wird.Rerum norus nascitur ordo!“ (Dies alles will ich Dir geben)
Sollen wir unbedingt in dies Loblied auf die eine, auf die kommende Zeit einstimmen? Ist der Fortschritt der Zivilisation nur durch materielle, nicht auch durch moralische Erfordernisse bedingt? Wenn das Volk besser sich kleidet – wohnt und auch nährt, wenn es mehr fabriziert und mehr liest als vor 100 Jahren, ist darum wirklich mehr Glück in die Welt gekommen? In unserem Leben herrscht mehr Comfort, mehr Verfeinerung, mehr Luxus; in unser Gehirn stecken mehr Kenntnisse, Ideen, aber sind darum unsere Herzen zufriedener? Ist nun unsere Seele besser bestellt? Was sagen uns die Jahrbücher unserer Krimi als Gerichtshöfe, und Zucht, Strafe, Ehebruch, Säufer – was die wachsende Zahl unehelicher Geburten und der Ungeist der Findelhäuser. Nimmt wirklich in dem Maße, wie diese neue Zivilisation sich ausbreitet, auch die Immoralität zu? Und die Armut in der arbeitsreichen Volksklasse, je mehr ich Actionaris Geld vermehren kann (ich arbeite?). Das sind sehr ernste Fragen, Lebensfragen für die Zukunft. Hier sind die gefährlichsten Untiefen, die Klippen, an dem wir scheitern können. Wir haben die Aufgabe, die Reform zu reformieren, d. h. durch sittliche Kräfte zu läutern und zu befestigen.“

Soweit die Gedanken des „Zeitzeugen“ Magister Buch aus Prettin zur beginnenden Industrialisierung in Deutschland aus der uns überlieferten Handschrift.

 

Bernd Hopke
Annaburger Ortschronist

Quellen:
„Chronik von Prettin und Lichtenburg angefangen von M.F.A.F. Buch, Oberpfarrer (Magister Friedrich Adolph Fürchtegott Buch) im Jahr 1833“; von Hans-Albrecht Gäbel handschriftlich 2009; unverlegt;