Baustil

Das Annaburger Jagdschloss


Das Jagdschloss Annaburg wurde im Stil seiner Zeit, der Sächsischen Renaissance erbaut. Sächsische Renaissance gilt als Architektur von kirchlichen und Profanbauten, die vor allem auf dem Gebiet des Kurfürstentums Sachsen errichtet wurden.  Stilbildende Einflüsse kamen dabei vor allem aus Böhmen, Italien und Polen, von hier durchgewanderten italienischen Künstlerfamilien die auf der Suche nach Aufträgen waren.

Typische Merkmale sind dabei die charakteristischen Giebel und Turmaufbauten, die Farben Weiß und Grau, verputzte Bauten ohne Natursteindekor. Unsere Annaburg ist eines der schönsten und vor allem eines des am wenigste Veränderten Bauwerkes dieser Sächsischen Renaissancezeit. Die sächsischen Baumeister wendeten seit etwa 1530 den Renaissancestil an und exportierten diesen weiter nach Norddeutschland (Brandenburg, Mecklenburg).

Besonders gefördert wurde diese künstlerische und bauliche Entwicklung vor allem auch durch Kurfürst August, der von 1553 bis zu seinem Tod 1586 regierte. Er ist ja auch der Bauherr des Annaburger Jagdschlosses. Belegt ist sein großes Interesse an Fragen des Bauwesens und der Architektur. Seine Bibliothek enthielt viele Architekturschriften und Musterbücher von Bauelementen. Sein Hauptwerk ist das gewaltige Jagdschloss Augustusburg, errichtet von 1568 bis 1572. Nirgendwo in Europa wurde ein geometrischer Idealplan so einheitlich umgesetzt. Der Entwurf des ursprünglichen Modells könnte auf August selbst zurückgehen. Ferner vollendete er den erweiternden Umbau des Residenzschlosses Dresden (1553–1556), den sein Bruder Moritz begonnen hatte. Er ließ den Jägerhof in Dresden erbauen, zahlreiche ältere Burgen zu Jagdschlössern umbauen, darunter Nossen, Grillenburg, Schwarzenberg und die neue Burg Gommern, sowie auch in unserer Stadt gelegen, die Lichtenburg neu errichten.Die Augustusburg wurde gerade vollendet, da gab das Kurfürstenpaar den Befehl zum Bau der Annaburg.

Dem aufmerksamen Betrachter wird sicherlich nicht entgangen sein, dass der Grundriss des Neubaues des Lochauer Jagdschlosses so gar nicht dem Ideal der Renaissance entsprach.

Die Architektur der Renaissance suchte immer nach den idealen Linien und der Symmetrie. Das zeigt sich vor allem in der Harmonie der Gebäude durch Grundrisse die geometrischen Formen wie Quadraten und Kreisen entsprachen und somit von der römischen Antike beeinflusst waren.

Es fehlt der Annaburg die geometrische Symmetrie mit der die Augustusburg so besticht. Die Annaburg wurde zeitgemäß als eine Dreiflügelanlage errichtet. Der mittige Haupttrakt ist breiter angelegt, als die seitlich angesetzten Seitenflügel. Diese sind ungleich dimensioniert wurden, der Nordwestliche länger als der Südöstliche, dafür ist er aber breiter. Während der nordwestliche Flügel rechtwinklig am Haupttrakt anliegt, ist der südöstliche Flügel leicht nach außen schräg angeordnet. Der Neubau folgt weitestgehend den vorhandenen Grundmauern des Vorgängerschlosses. Die bisher am Schloss durchgeführten Begleitarchelogischen Untersuchungen bestätigen diese These.

Eine weitere vermeidbare Unsymmetrie stellt der Haupteingang zum Schloss dar. Man betritt das Hinterschloss durch den nordwestlich gelegenen Flügel. Dazu wurde in den Seitenflügel ein nicht mittig gelegenes Torhaus eingefügt. Man betritt die Annaburg aus ähnlicher Richtung kommend wie die Augustusburg.

Aber alles wird gekonnt kaschiert, indem zum einen die nach Südwesten offene Schlossanlage durch eine Galerie, dem Pfeiferstuhl geschlossen wird und zum anderen werden an den vier Ecken Turmähnliche Erker schräg, im ca. 45° Winkel, angesetzt. Die Erker scheinen nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet. Diese wurden im Dachbereich mit dem im sächsischen Renaissancestil entsprechenden charakteristischen Stufengiebel abgeschlossen. Die Erker sind als Zwerchhäuser in der Dachkonstruktion der drei Flügel intrigiert. Der Haupttrakt erhielt beidseitig ein Zwerchhaus im Giebel, welches mittig angeordnet wurde.

Alle Schlossteile, Haupttrakt, Seitenflügel, außer der Galerie, wurden in gleicher Höher ausgeführt. Über die niedriger gestaltete Galerie kann so zur Mittagszeit der Schlosshof durch die Sonne beschienen werden. So erhält der Haupttrakt Sonnenlicht zur Mittagszeit und damit auch die Hofestube und der Gästespeiseraum. Die erst später errichtete Bergtreppe veränderte diese ursprüngliche „Lichtkonzept“ 

Am Ende der Seitenflügel werden der Galerie zugewandt sich gegenüberliegende Zwerchhäuser in die Dächer eingelassen, die den Eindruck eines unterbrochenen vierten Gebäudetraktes vermitteln. Die Erker an den vier Ecken, einschließlich Torhaus, dagegen wurden um ein Stockwerk erhöht um eine annähernd gleich Höhe zu den Giebeln des Haupttraktes zu erreichen. Da aber die unterschiedlichen Querschnitte der Seitenflügel zu einer und im Verhältnis zum Haupttrakt unterschiedlichen Dachhöhen führen würden, vermitteln die Erker dem Betrachter eine „einheitliche“ Dachhöhe. Das und die Erker mit ihren Stufengiebel prägen das Annaburger Jagdschloss und lassen es äußerlich fast als Quadratische Anlage erscheinen.

Dennoch wird die äußere Symmetrie durch die Platzierung des Tores mit dem Torhaus in der Fassade bewusst gestört. Das Torhaus wurde nicht mittig darin eingefügt. Es steht in Form eines Erkers im Verhältnis 2 zu 3 in der Fassade. Gleichzeitig erhält der Flügel rechts neben dem Tor und dem Giebel einen zusätzlichen Erker, der Mittig angeordnet ist. Ein gleicher Zusätzlicher Erker fehlt anfänglich noch im Ostflügel, wird aber zu einem späteren Zeitpunkt  an gleicher Stelle noch eingefügt. Der wird ohne Zwerchhaus mit Balkon ausgeführt

Das als Wirtschaftstrakt konzipierte Vorderschloss schließt nicht direkt an die Annaburg an. Er ist durch den Wassergraben, aber auch durch den großen (Wirtschafts)Hof räumlich getrennt. Auch das Vorderschloss ist als eine Dreiflügelanlage konzipiert die in keiner Weise symmetrisch angeordnet und auch in keiner symmetrischen Verbindung zum Schloss steht. Eigentlich steht das Schloss seitlich und verschoben neben dem Vorschloss. Nur durch die seitliche Anordnung des Schlosstores wird die visuelle und tatsächliche Verbindung zum Schloss erreicht.

Eine geometrische Ausrichtung des Vorderschlosses ist nicht zuerkennen, es wurde nach den landschaftlichen Gegebenheiten ausgerichtet, bzw. nach den vorhandenen Grundmauern, des Vorgängerschlosses und umschließt den großen Wirtschaftshof.

Die Fassadengestaltung des Schlosses entspricht dem klassischen sächsischen Renaissancestil mit den typische Giebel und Turmaufbauten, hell verputzt ohne Natursteindekor. 

Die Fenster sind überwiegend paarweise angeordnet, wobei sie aber nicht mit einem darüber befindlichen Bogen zusammengefasst wurden, sondern durch den gesamten rechteckigen Sandsteinrahmen. Auch die Toreinfahrt ist zeitgemäß typisch ausgeführt – Rundbögen mit dekorativ gestaltetem Schlussstein. Auf dem Schlussstein sind die Kurschwerter, der Rautenkranz und die drei dänischen Löwen zu sehen. Vor dem Tor, darüber sollen früher die Kurschwerter mit Rautenkranz angebracht gewesen sein. Jetzt befinden sich dort die drei Schlusssteine aus dem ehemaligen Kirchengewölbe der Schlosskirche. Nach dem Abriss der Kirche und dem erfolgten Umbau im 18. Jahrhundert.

Erhalten blieben uns noch die typischen Kassettendecken, die entgegen der Lichtenburg nicht ausgemalt, sondern kostengünstiger mit einer Faserntapete verziert wurden. Sie sind die einzigen uns erhalten Zeugnisse über die farbenfrohe Ausmalung und dekorative Innengestaltung der Räumlichkeiten des Schlosses. 

Vor allem der verheerende 30jährige Krieg hatte zur Folge, dass nur wenige Zeugnisse der ehemaligen Innenausstattung die Zeit überdauert haben. Hierzu zählen Teile der ursprünglich weit verbreiteten Flasertapete, drei Wappensteine aus der Fürstenkapelle, eine hölzerne Türeinfassung und zwei gusseiserner Ofenplatten. Also, heute sieht man nichts von der einstigen Innenausstattung des Schlosses. Einzig die Flaserndecke im heutigen Museum könnte unsere Phantasie beflügeln uns die einstmals durch den Hofmaler Lucas Cranach d. Jüngere ausgestalteten farbenfrohen, meist mit Florahlen Motiven ausgestalteten Räume vorzustellen. Dabei erhielt jeder Raum eine andere Grundfarbigkeit.

Wer bei der Innenausstattung mitgewirkt hat, können wir im „Schlossbuch“ lesen. Dort erfahren wir, dass:

„Die farbigen Flasern (Vorläufer unserer heutigen Papiertapeten) befanden sich an einigen Decken der Räume des Hinterschlosses. Sie zeigen in der Mehrzahl die Wappen sächsischer und dänischer Fürstenhäuser. Im Wechsel sind Wappen und Ornamente angeordnet. So finden wir die Wappen der Pfalz Sachsen, des Herzogtums Sachsen, der Burggrafschaft Magdeburg, der Pfalz Thüringen, der Grafschaft Brehna, der Markgrafenschaft Meißen, der Mark Landsberg, der Burggrafschaft Altenburg, der Grafschaft Orlamünde, des Reichs-Erzmarschallamtes, der Burggrafschaft Wettin, Oldenburgs, des Pleißenlands, Gothlands, Holsteins, Schleswigs, Dithmarschens, Delmenhorsts, Stormarns, Norwegens, Schwedens, Dänemarks, der Wenden, Islands, der Gothen. Als Tapezierer und Schreiner ist uns der Dresdener Meister Hans Wilkom bekannt. Wir dürfen annehmen, dass die aus mehreren Teilen bestehenden Flasern mit Holzmodeln, seiner Werkstatt gedruckt und durch seine Gesellen angebracht worden sind.
An der künstlerischen Ausgestaltung waren weiterhin die Hofmaler Lucas Cranach d. Jüngere, Hans Schröer und Heinrich Godig beteiligt. Malermeister Caspar Perzsch aus Dresden oblag wohl in erster Linie die Aufgabe, alle Räume mit einem Farbanstrich zu versehen. Die aus Sandstein gefertigten 96 steinernen Türeinfassungen, von denen heute nur noch wenige zu finden sind, tragen ebenso wie die steinernen Fenster die Steinmetzzeichen ihrer Meister. Der Torgauer Meister Caspar Reinwolt ist uns als einziger unter ihnen bekannt.“

Beheizt wurde vorrangig mit Öfen. Der Renaissancezeit entsprechend bestanden die Öfen aus einem kubischen Unter- und Oberbau. Es waren so genannte Hinterlader mit großem Feuerraum aber noch ohne Rauchgaszüge aber mit Schornstein. Nach der Beschreibung von Gründler wurden dabei schwarze, vermutlich kleine Ofenkacheln verwendet. Zusätzlich hatten sie an der Vorderfront eine gusseiserne verzierte Platte. Über diese Platte wurde die Wärme schneller freigesetzt. Schwarz, das entsprach dem Zeitgeschmack, sie wurden schwarz graphitiert um Gusseisenöfen nachzuahmen. Die Simse waren meist verziert mit Perlstabmotiven. Diese Öfen standen aber nur in den Stuben, die Schlafkammern waren dagegen unbeheizt. In den größeren repräsentativeren Räumen kamen noch Sandsteinkamine zum Einsatz. Erhalten geblieben sind uns aber nur die Gusseisernen Platten.

Ansonsten entnehmen wir noch:

Den wichtigsten Schmuck des Schlosses bildete eine große Anzahl von Geweihen. Der überwiegende Teil stammte aus der „Annaburger Heide". Noch heute können einige, ursprünglich im Annaburger Schloss befindliche Stücke auf der „Moritzburg" bei Dresden besichtigt werden.“ 

Das Dach wurde damals mit schwarzem Schiefer eingedeckt. Es wurden aber keine neuen Schieferdachsteine verwendet, sondern sie stammten von einem alten Schloss in Tharandt.

Vom einstigen Dachstuhl ist, entgegen dem Amtshaus, nichts erhalten geblieben. Obwohl das Dachgestühl in der Barockzeit Veränderungen hinnehmen musste, wurde das alte Gestühl bei dem Schlossbrand in den 50 iger Jahren des vorigen Jahrhunderts vollständig zerstört und musste entsprechend komplett erneuert werden.

 

 

BERND HOPKE
ORTSCHRONIST

AnnaOffice©2021-01-05

 

 

Quelle

  • Gründler, E.: „Schloß Annaburg“ Festschrift zur einhundertfünfzig-jährigen Jubelfeier des Militär-Knaben-Instituts zu Annaburg, Verlag von Oscar Haebringer, Berlin 1888;
  • Dr. Dr. Uwe Fiedler, „Schloss Annaburg – Unter dem Hofplaster des Hinterschlosses von Annaburg – 650 Jahre Schlossgeschichte“ unter http://www.annaburg.de/AKTUELL/2002/06/01/Ausgrabung/index.html; Zugriff 11/2008;
  • Otto Eduard Schmidt „Kursächsische Streifzüge“ Erster Band, Verlag: Buchdruckerei der Wilhelm und Bertha von Baensch Stiftung 1913;
  • Autorenkollektiv; „Jagdschloss Annaburg  -eine geschichtliche Wanderung“ Verein für Heimatgeschichte und Denkmalpflege e.V. Annaburg; Geigerverlag 1994;
  • Bettina Riedel und Petra Seifert „Nutzungsstudie für Schloss Annaburg“ technische Universität Dresden- Sektion Architektur – 1978;
  • Wikipedia „Sächsische Renaissance  unter: https://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%A4chsische_Renaissance
  • Nationalatlas unter: http://archiv.nationalatlas.de/wp-content/art_pdf/Band6_148-149_archiv.pdf;
  • Wilhelm Lübke: Geschichte der deutschen Renaissance. (Buch 3), S. 775;