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Das Kriegsgefangenenlager in Annaburg 


Nach der Auflösung der Unteroffiziers[vor]schule in der Kaserne - der heutigen Garnison - im Jahre 1920/21 wurden die Räume für Privatwohnungen genutzt. Außerdem soll zeitweise eine Einheit der Schutzpolizei untergebracht gewesen sein. Nach dem Machtantritt des Hitler-Faschismus 1933 wurde die Kaserne ab 1933 als RAD-Lager (Reichsarbeitsdienst) genutzt, wahrscheinlich bis zum Jahre 1939/40. 450-500 Mann unterstanden dem Wasserausbau Torgau und der Oberförsterei Eberswalde.
Ab 1941 wurde die Kaserne als Kriegsgefangenen-Lager eingerichtet. Auf dem Hof gab es 4-6 Baracken. Insassen waren Engländer und Inder. Die Wachmannschaft wurde von der Wehrmacht gestellt. Die heutige "Sekundarschule" war vom 4. Landesschützen-Bataillon 383 belegt. Es handelte sich um Wehrmachtsangehörige, die im Krieg verwundet wurden, aber noch nicht wieder kriegsverwendungsfähig waren und deshalb als Wachmannschaft eingesetzt wurden. In Erweiterung des Lagers in der Kaserne wurden auf dem heutigen Schulhof Baracken errichtet, um die wachsende Zahl von Kriegsgefangenen unterzubringen. 4 Baracken sollen quer zwischen Schule und Schloss gestanden haben. Außerdem befand sich möglicherweise noch eine große Baracke in Längsrichtung.
Das Gelände war mit einem Stacheldrahtzaun eingefasst. Insgesamt haben sich wahrscheinlich etwa 1.800 Kriegsgefangene in Annaburg befunden. Nur für die englischen bzw. indischen Gefangenen gab es Post und Pakete. In der Turnhalle war ein Proviantlager eingerichtet worden.
Die Annaburger Einwohner sollen keinen oder nur spärlichen Kontakt gehabt haben. Es wird aber berichtet, dass bei der Arbeit oder durch den Zaun Häftlingen - auch von Kindern - Esswaren zugesteckt wurden, obwohl es ein strenges Verbot gab.
Die Gefangenen - Ausnahme Engländer - wurden in Annaburger Betrieben, bei den Bauern der Stadt und Umgebung sowie bei wald- und Straßenarbeiten eingesetzt, um die fehlenden deutschen Arbeitskräfte zu ersetzen. Mit der Dauer des Krieges wurden immer mehr Männer zur Wehrmacht eingezogen. Mittag- und Abendessen gab es in der Kaserne, Frühstück stellten die jeweiligen Betriebs- bzw. Wirtschaftsbesitzer.
In der Kaserne war auch wahrscheinlich ein englisches Austausch-Lazarett eingerichtet. Im Jahre 1942 soll auf dem Dach u.a. auch ein rotes Kreuz angebracht worden sein.
Im der früheren Gaststätte Dubro (Eckhaus Torgauerstr./Markt) befand sich mindestens seit 1942 ein polnisches Frauenlager. Unten im kleinen Saal und in einigen oberen Zimmern waren diese Frauen untergebracht; wahrscheinlich waren es zwangsverschleppte polnische Bürger.
Auch im damaligen Steingutwerk sollen Franzosen und Inder untergebracht gewesen sein und im Werk gearbeitet haben.
Neben dem Schilbach`schen Grundstück (Marktplatz) waren etwa 40 Franzosen in einem kleinen Lager. Auch der (ehemalige) "Bürgergarten" (neben dem Kino) war mit polnischen Kriegsgefangenen belegt. Einzelne Polen waren bei einigen Bauern der Stadt als billige Arbeitskräfte fest einquartiert.


Annaburg, den 20. April 1987

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Quellen: 
AG "Junge Historiker" Leiter B. Hohler, Archiv des Verein für Heimatgeschichte und Denkmalpflege Annaburg e.V.