Hintersee

Das Dorf Hintersee


Im Mittelalter lag unsere Region in einer entlegenen, einsamen, wilden und wechselhaften Landschaft. Eine wildreiche mit Eichen- und Kiefernwälder bestanden, deren Ausläufer bis an die Elbe heran reichten und zahlreiche Seen und Sümpfe einschlossen, durch die sich Wasserläufe hindurchschlängelten, die bei Hochwasser zu reißenden Bächen und Strömen anschwollen und ihre Wassermassen in die Elbe ergossen. Einer dieser im Walde verborgenen Seen war der Hintersee, nach dem das erst viel später – 1627 – entstandene Dorf seinen Namen erhielt. (Leisegang)

Das Dorf Hintersee im Amt Axien, welches einige hundert Schritte nördlich und nordöstlich von Lichtenburg liegt, hat seine Entstehung einer späteren Zeit zu verdanken als dieses; es steht aber zu demselben in so naher Beziehung, dass wir seine Beschreibung der des ersteren anreihen. Es wird uns in alten Schriftstücken erzählt, dass die Fürstin – Witwe Hedwig (Hedwig, Kurfürstin von Sachsen_1581-1641) um 1626 einen Damm durch den See im Schlossgarten aufschütten ließ, der das Gasthaus zum Kessel mit Lichtenburg verbinden sollte. Dieser Damm ist die noch vorhandene Kochgasse. Die Kesselwirtschaft selbst hatte sie schon 1620 erbaut und ihren Hofbüttner Martin Kessel geschenkt. Später kam das Gasthaus an die Kirche von Hohndorf, von welcher es aber auch bald wieder anderweitig verkauft wurde. Der Kesselwirt und seine Nachkommen erhielten das Recht, in Prettin, wo die Bürger Braugerechtigkeit hatten, gegen Erlegung der üblichen Steuer, mit zu brauen. Auch sollte er und seine Nachkommen berechtigt sein, wenn sie es zu so viel Vermögen bringen würden, eine eigene Brauerei anzulegen. Dazu bestimmte die Fürsten-Witwe, dass die Kesselwirtschaft frei von Abgaben bleiben sollte; nur zu Martini jeden Jahres hatten der Besitzer jedes Mal zwei Enten oder Hühner an das Amt in Schweinitz abzuliefern; dafür musste er aber durchreisende Fremde besser bewirten, als dies sonst geschah. [Urkunde vom 29. August 1623 befand sich um 1875 lt. Leisegang im Besitz des Kesselwirtes].

Laut dieses Schriftstückes sollte niemand in der Umgegend berechtigt sein, Wein oder Bier zu schenken. Wie lange die Verordnung aufrechterhalten worden ist, lässt sich nicht mehr nachweisen. Der Zeiten Zahn hat auch hier alles verändert. Der jetzige Besitzer des Gasthauses zum Kessel macht in Bezug auf Abgaben und Gerechtigkeiten keine Ausnahme mehr von den übrigen Bewohnern des Dorfes, das von 1627 ab entstanden ist. Um diese Zeit nämlich schenkte Hedwig den fremden Arbeitern, die gekommen waren, den See im Schlossgarten auszufüllen und den Damm aufzuschütten, Baustellen und Bauholz, so dass sich dieselben hinter dem See an siedeln konnten. Da keiner der Ansiedler größeren Grundbesitz erhielt, so blieb der Ort ohne Ackerland mit Ausnahme des Gärtchens am Hause. Erst später haben sich einige Bewohner in andern Feldmarken solches erworben. Der Ort zählt gegenwärtig (1875) 380 Bewohner, die in 51 Häusern wohnen und sich teils von Handarbeit, teils vom Handel nähren. Zur Zeit (1875) leben an Professionisten in Hintersee drei Windmüller, zwei Töpfer, ein Fleischer, zwei Schuster, ein Beutler und eine Anzahl Maurer und Zimmerleute.
In den 1830 er und 40 er Jahren ließ der damalige Strafanstalts – Direktor v. Grabowsky die toten Sandberge, welche sich vom Großtrebener Weg um Hintersee herum bis zur Prettiner Grenze erstreckten, abfahren und urbar machen, so dass jetzt da, wo ehemals Flugsand wehte, der schönste Weizen wächst. Grabowsky hat sich dadurch, wie durch manche andere Einrichtung und Verbesserung der Landstraßen ein bleibendes Denkmal für hiesige Gegend gesetzt.

Die nördlich von Hintersee stehende Holländer – Windmühle wurde im Jahre 1875 massiv erbaut. Bisher stand an derselben Stelle eine Bockwindmühle, welche ein Raub der Flammen wurde.
Kirchen – und Schulverhältnisse sind dieselben wie in Lichtenburg, da das Dorf in letzteres eingeschult ist und mit ihm zur Kirchengemeinde Prettin gehört. Zu den Schulbau – und Unterhaltungskosten trägt Hintersee 5/16 bei, während Lichtenburg 11/16 zahlt, nachdem vor-her die Anteile der Königlichen Strafanstalt und der Königlichen Domäne in Abzug gebracht sind.
Da es manchen Leser interessieren dürfte, die oben erwähnte Urkunde aus dem Jahre 1623 kennen zu lernen, so mag dieselbe wortgetreu eine Stelle finden.

Zu wissen, nachdem der Durchlauchtigste Hochgeborne Fürst und Herr, Herr Johann George Herzog zu Sachsen, Jülich, Cleve und Berg, des Heil. Königl. Reichs Erzmarschall und Churfürst, Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meißen und Burggraf zu Magdeburg, Graf zu der Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein pp. Unser gnädigster Churfürst und Herr Uns untenbenannten durch gnädigsten Befehlig zu erkennen gegeben, wie das die auch Durchlauchtigste Hochgeborene Fürstin und Frau. Frau Hedwig geborne aus Königlichem Stamme zu Dennemarken, Churfürstin und Herzogin zu Sachsen, Jülich, Cleve und Berg, Landgräfin in Thüringen, Markgräfin zu Meißen und Burggräfin zu Magdeburg, Gräfin zu der Mark und Ravensberg, Frauen zu Ravenstein pp. Wittbe St. Churfürstl. Gnädl. Liebe Muhme, Schwägerin, Frau Schwesterin, und Gevatterin, unsere auch gnädigste Churfürstin und Frau Sr. Churfürstl. Gnädl. In Schriften freundl. zu vernehmen geben, dass Ihro Churfürstl. Gnädl. Unlängst ein Wirtshaus am Dorfe Lichtenburg erbauen lassen, und dasselbe Dero Hofbüttne, Martin Kesseln aus Gnaden verliehen übereignet, auch darneben anbefohlen, dass er den allda ankommenden und durchreisenden Personen uff Ihr Begehren gebühren Bewirthunge gethun sollte, und damit solch Wirthausen in mehr Uffnahme gebracht, die Durchreisende auch bessere Bewirthunge erlangen, freundlichen ersucht, Sr. Churfürstl. Gnade um angezogenen Ursachen willen nachlassen wollten, dass gemeldeter Kessel und künftiger Besitzern solches Wirtshauses gegen Entrichtung der Steuer in dem Städtlein Prettin zu brauen, das Bier zu verzapfen und zu verkaufen, auch Kessel, oder seine Nachkommen, wenn sie es im Vermögen bringen können ein Brauhauß zu diesen Wirtshause zu bauen befugt seyn möchten. Welches Sr. Churfürstlichen Gndl. um beschehener Ihr Churfürstl. Gndl. Intersseion willen, und Deroselben zu Freundlichen Gefallen, aus Churfürstl. Macht bewilligt. Und darauf uns gnädigst anbefohlen gedachten Kesseln und künftigen Besitzern oder Inhabern solches Wirtshauses dieses alles oben erzählter maasen zu verstatten, ihnen hierinnen im geringsten keine Einhalt zu thun, sondern bey dieser bewilligten Brau – und Schank-Gerechtigkeit, doch dass sie nicht vor noch nach der Brauzeit zu brauen, sondern sich der Gewohnheit dieses Ortes mit anheben und aufhören gebrauchen sollten, geruhiglichen verbleiben zu lassen, und darbey jederzeit bis an seiner Churfürstl. Gndl. Zu schüzen und Hand zu haben, auch sonsten niemanden in und bei diesen Dorf Lichtenburg, wer der auch sein möge einigen Wein oder Bier-Schank bey Verlust des Getränkes zu verstatten, wie solches aus nachgeschriebenen Copiy Sr. Churfürstl. Gndl. an uns ergangenen gnädigsten Befehlige mit mehrern zu vernehmen.

Johann Georg
Herzog zu Sachsen p.
Churfürst p.
Liebe getreue, das hat die hochgeborne Fürstin Frau Hedwig geboren aus Königlichen Stammen zu Dennemarken, Herzogin zu Sachsen, Jülich, Cleve und Berg, Churfürstin p. Wittbe p. Unsere Freundliche liebe Muhme, Schwägerin, Frau Schwester, und Gevatterin in Schriften freundlich zu vernehmen gegeben, wie Ihr Gdl. Unlängst ein Wirthshaus am Dorf Lichtenburg erbauen lassen, und dassselbe dero Hofbüttnern Martin Kesseln aus Gnaden erb-lichen übereignet, auch darneben anbefohlen, dass er den allda an kommenden und durchrei-senden Personen auf ihr Begehren gebührende Bewirtung thun sollte. Damit aber solches Wirtshaus in mehr Ufnehmen gebracht, die Durchreisenden auch bessere Bewirthung als bis-her geschehen, erlangten, Ihr Gdl. Uns hierneben freundlichen ersucht Wir um angezogene Ursachen willen nachlassen wollten, dass gemeldeter, und künftiger Besitzern solches Wirths-haus, gegen entrichtung der Steuer in dem Städtlein Prettin zu brauen, das Bier zu verkaufen und zu verzapfen, auch Keßl, oder seine Nachkommen, wenn sie es im Vermögen bringen könnten, ein Brauhaus zu diesen Wirthshause zu bauen befugt seyn möchten. Wenn wir denn dieses, um Ihr Löbl. Intercession willen, und Dernselben zu freundlichen Gefallen aus Chur-fürstl. Macht bewilligt. Als begehren wir hiermit, Ihr wollet gedachten Kesseln, und künftige Besitzern oder Inhaber solches Wirthshauses, dieses alles oberzähltermaasen nachlassen und verstatten, ihnen hierinnen in geringsten Einhalt thun, sondern sie bey dieser bewilligten Bier- und Schank–Gerechtigkeit geruhiglichen verbleiben lassen, und jederzeit bis an Uns dabei schüzen und handhaben, doch sollen Dieselben nicht vor noch nach der Brauzeit brauen, sondern sich der Gewohnheit dieses Ortes mit anheben Aufhören gebrauchen, auch sonsten niemand in bey diesem Dorf Lichtenburg, wer der auch sey möge einigen Wein und Bier Schank, bei Verlust des Getränkes erstatten, Wie denn du der Schöffer solches im Amt mit Fleiß registrieren, und ihr ins gesammt ob dieser unser Bewilligung steif und fest halten wollet hieran geschieht Unsere Meinung.

Datum Dresden 
den 29 sten Augusti 
Anno 1623 
Johann George 
Churfürst
An
Rudolph Albrechten, Schöffen zu Schweinitz,
Moritz Grafen, Verwaltern zu Lichtenburg 
Und dem Rath zu Prettin.

Wann dann solchen Sr. Churfürstl. Gndl. gnädigsten Befehlige unterthänigst zu gehorsamen, und dem Gnädigsten nachberührten Kessel bis Sr. Churfürstl. Gndl. und so viel uns Amzswegen gebührte, zu schüzen, wir uns pflichtschuldig erkennen; Als haben wir uns nicht allein solche gnädigste Bewilligung dem Rathe zu Prettin, und dann berührten Martin Kesseln zu ihrer Nachricht gebührlichen publiciret, Ich, der Amtsschöffer auch solches dem Amts – Buche incorporiret, sondern auch dieses um mehrer Gewissheit willen, Bedürfenden Martin Kesseln unter unsern gewöhnlichen Petschaften und Handschriften zum Schein ertheilet

Geschehen und geben den 20 sten May 1624 
Rudolph Albrecht
Moritz Grafe .

So weit aus der Leisegang-Chronik über das Dorf Hintersee. Das ehemals selbstständige Dorf wurde nach Lichtenburg eingemeindet. Die Lichtenburg nach Stadt Prettin und Prettin nach Annaburg.

Bernd Hopke
Annaburger Ortschronist

 

Quelle:

Handschrift; „Die Geschichte der Stadt Prettin und ihrer nächsten Umgebung dargestellt von Superintendent Leisegang“; aus einer von Superintendent Buch 1833 begonnenen Chronik Prettins: Kapitel 1.; In ältester Zeit; übertragen 2015 von Hans-Albrecht Gäbel; Prettin

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