Hogenest

Der Jägermeister Paul von Hogenest


Im Gründler können wir über das alte Schloss Lochau lesen:

Nach einigen kleineren Umbauten erfolgte ein größerer i. J. 1517. In den Berichten darüber ist viel von einem "Schuttenbau", welcher bis an das Schloßthor reicht, d.h. einer größeren Aufschüttung, die Rede, auf welchem sodann ein neues Haus errichtet wird. Als Jägermeister zur Lochau zu dieser Zeit wird Paul von Hogenest, als Schösser Matthes Wolf genannt. Jener Bau wurde unter Kurfürst Friedrich dem Weisen (1486-1525) ausgeführt,...

Gründler schreibt dann weiter

nach der Schlacht bei Mühlberg (1547) ging mit dem gesammten Kurkreise auch Schloß Lochau in den Besitz der albertinischen Linie über. Aus dieser Zeit rühren zwei .... Inventarien-Verzeichnisse her, ... Das ältere des "Hauses Lochau" stammt von 1544, das andere .... vom "Amt Lochaw" aus dem Jahre 1549. Letzteres enthält die Verfügung des Kurfürsten Moritz aus Torgau vom 11.Mai 1549 an den Schosser "zur Schweinitz" Michael am Ende, dem Oberforstmeister "zur Lochau" Paul von Hogenest die Verwaltung der dortigen Schosserei zu übergeben. Die Übergabe erfolgte am 15. Mai in Gegenwart u.a. des bisherigen Schossers Hieronymus Lachnicht, des Bettmeisters Heinrich Beyer und des neuen Amtsschreibers Barthel Wagner.

Wer ist der Jägermeister oder Oberforstmeister Paul von Hogenest? Ist da von ein und der gleichen Person die Rede?

Die Pilgerreise ins heilige Land

1493 wurde Friedrich der Weise auf seiner Pilgerreise ins heilige Land in Jerusalem zum Ritter des Ritterorden vom Heiligen Grab geschlagen, zusammen mit Herzog Christoph dem Starken, Graf Philipp von Anhalt, Graf Heinrich von Stolberg, Graf Adam von Beichlingen, Graf Balthasar von Schwarzenburg, Heinrich Herr von Gera, Anarg Herr von Wildenfels, Hans Herr von Schwarzberg, Degenhart Pfaffinger zu Salmanskirchen sowie weiteren Edelleuten. Ritter des Herrengrabes – die Aussicht auf diesen Titel ließ von etwa 1460 bis 1520 zahlreiche Vertreter nicht nur des sächsischen Adels nach Jerusalem pilgern.

Ein Edelknabe auf Reisen
Darstellung – Tempelberg von Jerusalem

Einer davon, die wohl dabei waren und der auch den sächsischen Kurfürsten wieder in die Heimat begleitete, war auch Paul von Hogenest. Er gehörte seit 1487 als Edelknabe zum Hof von Friedrich dem Weisen. Das er auch bei der Pilgerfahrt teilnahm und zum engeren Gefolge von Friedrich dem Weisen genauso wie Degenhart Pfaffinger gehörte, beweisen die Rechnungsbucheinträge vom Landvogt Hans Hundt der als Reisemarschall unseren Friedrich den Weisen auf seiner Pilgerreise begleitete. Ob es sich dabei, bei Hans Hundt, um ein Mitglied des fränkischen Uradelsgeschlechtes handelte, das auch im Hessen und in der Oberpfalz ansässig war, weiß ich nicht zu sagen. Dieses „Rechenbuch“ von Hans Hundt gibt uns ein deutliches Bild von der finanziellen Seite der Pilgerreise Friedrich des Weisen im Zeitraum vom 28. März bis zum 27. Oktober 1493. Neben vielen wertvolle Angaben über das Leben im Mittelalter sind diesem Rechenbuch auch die Teilnehmer dieser Reise zu entnehmen. Aus diesen Aufzeichnungen können wir entnehmen, dass Paul von Hogenest auf der Rückreise ab dem Alpenraum zum unmittelbaren Gefolge des Kurfürsten gehören musste. Erstmalig taucht er in der „Reiserechnung“ im Münchener Raum auf:

„Bei München - ,3 fl. 30 kr. Hogenest schuldig gewest“. 

Friedrich der Weise war dem „Hogenest“ „was“ schuldig gewesen. Über das „was“ schweigt unsere Quelle. Die Aufzeichnungen verraten uns, dass der Kurfürst bei Ingolstadt und Salzburg dem Paul von Hogenest zweimal ein paar neue Schuhe aus der Reisekasse spendiert:

„Ingelstadt - Hogenest für ein newe par schue und stevein. 12 kr. Salzburg - 3 gr. Hogenest schuegelt“.

Im September erreicht der Reisezug des Kurfürsten sein Schloss Hartenfels in Torgau. Den Aufzeichnungen können wir entnehmen, dass Paul von Hogenest noch längere Zeit in der Nähe von Torgau verweilt. Unter dem:

30. Okt Torgau - 4 gr. für ein gurt Hogenest.

und unter dem:

14. Nov. Torgau 2 fl. Hogenest zerung, mit etlichen rüden und seinen knockt gein Aldenberg und Torgaw zu ziken.

und

3 gr. Hogenest schuegelt.

Einen „Teuren“ Gurt (Leine), Zerrgeld und ein paar neue Schuhe hat er so bekommen und wurde nach Altenberg ins Osterzgebirge geschickt.

Schloss Hartenfels

Einer anderen zeitgenössischen Quelle, ein Reisebericht über die Reise Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen 1493 ins Heiliges Land vom März bis Ende September eines namentlich nicht genannten Teilnehmer, gibt an:

Kurfürst Friedrichs III. des Weisen von Sachsen reist mit großem Gefolge, einem Hofstaat von ca. 100 Teilnehmern.  –  als Diener und Beamte: Hans Hundt (Rentmeister), Michael Dommatzsch, Asmus Leminger, Hans Leimbach, Hans Muth, Georg Trappe, Hogenest, Schalcke, Ambrosius, Blasius, Hans Schmidt, Moritz Marschalck, Reidanderlein, Bertlein, Lucas, Veit Krabe.
Hogenest ein Mann für die Jagd 

Auffällig, dem Verfasser ist weder Vorname noch „von“ bekannt. Vermuten kann man daher, dass Hogenest nicht zu der „Gelehrten“ und „Schriftkundigen“ Informellen Gruppe zählte, mit der der „Schreibende“ zu verkehren pflegte. Hogenest wird zur tatkräftigeren Gruppe zu zählen sein, zu den Waffenkundigen – die Männer für das „Gröbere“ – aber auch der Jagd. Kriegsdienst und Jagd lagen ja dicht beieinander. Die Jagd seiner Zeit, war nur einer kleinen aristokratischen Oberschicht vorbehalten. Es war deren „Freizeitbeschäftigung“ und sie entsprach den adligen Vorstellungen nach Ausübung des „Kriegshandwerkes“ in Friedenzeiten.Auch Kurfürst Friedrich liebte die Jagd und hier vor allem die Jagd auf Wildschwein. Dazu benötigt man speziell ausgebildete Jagdhunde. Das waren in den Augen der adligen Oberschicht wertvolle, hochgeschätzte und teuere Jagdhunde. Sie wurden besser verpflegt als die Knechte. Im ausgehenden Mittelalter, dem Hoch- und Spätmittelalter gab es etliche Bücher zur Hundezucht und Hundehaltung. Wer also Hundeführer werden wollte, musste schon einiges Können. Der „Rüde“ ist im Gebrauch der Jägersprache ein speziell abgerichteter Hetzhund, der besonders auf Sauen angesetzt wurde. Die Führer von Hunden waren mit die wichtigsten Jäger beim Hofe. Von Ihnen und Ihrem Können bei der Führung der Hunde und in unserem Fall der Rüden, hing maßgeblich der Jagderfolg auf die Schwarzkittel ab. Die Arbeit nannte man „Besuch“. Der Jäger war ein „Besuchsjäger“. Seine Ausbildung dauerte mindestens drei Behänge–Jahre. Behänge leiten sich ab vom Nachhängen am Hängeseil des Hundes auf der Fährte. Der „Teure“ Gurt für Hogenest war sicherlich für den „Besuch“ gedacht und kein Leibgurt. Jedenfalls wissen wir nun welcher Art „Diener“ er im Gefolge und des Hofstaat beim Kurfürsten war.Paul von Hogenest – wir wissen nicht, wann noch wo, er geboren wurde. Wir wissen auch nicht ob er von Geburt aus adlig war oder später erst, bevor er Jägermeister in Lochau wurde, darin erhoben wurde. Sein Alter kennen wir daher nicht. 1487 ist aktenkundig, dass „Hagnest der Junge, der bei den Jägern ist, … (ein) Hofgewand (erhält)“. Wie alt könnte er zur Zeit der Reise gewesen sein. Drei „Behänge-Jahre“ und „bewiesen“ wusste er sich auch schon, wenn er vielleicht mit 17 Jahren begonnen hat, könnte er 1493  21-23 Jahre alt gewesen sein.

Wer waren die Vorfahren von Hogenest?

In alten Urkunden erfahren wir aus der Gegend von Taucha unweit von Leipzig:

Dreissig Acker Feld, welche zu der Pfarre in Seegeritz gehörten, wurden, weil Plaussig und Seegeritz damals einem Besitzer zustanden, zu dem Rittergute Seegeritz geschlagen, wofür der Pfarrer in Plaussig eine Entschädigung durch Rittergutsfelder daselbst erhielt. Eine Urkunde von 1393 nennt Nikol von Hogenest den Pfarrherrn zu Plusk.

Das liegt aber 100 Jahre zurück, das könnte der Urgroßvater von Paul gewesen sein. Eine andere Quelle nennt uns im Havelland:

… als Vasallen des Markgrafen (Brandenburg) die Besitzer Betke und Gyse Dyreke, Claus Duseke, Heinrich Schenk genannt, während Buckow nur 10 Ritterhufen groß war, deren Besitzer Hogenest war.

Möglich und durchaus denkbar ist aber auch, dass die „von Hogenest“ eigentlich von den „Hagenest“ abstammten und er damit aus dieser adligen Familie kam. Sie hatte ihren Stammsitz an der Landesgrenze von Sachsen zu Thüringen im Altenburger Land.

Hagenest wurde 1260 erstmals urkundlich erwähnt. Der älteste Teil des von Slawen gegründeten Dorfs besteht aus einem Rundling. Seit dem 13. Jahrhundert hatte die adlige Familie von Hagenest ihren Stammsitz im Ort.

Sie hatten das Rittergut im Besitz bis ins 18. Jahrhundert.

Letztlich gibt es noch im Preußischen Urkundenbuch unter Regesten 1470, PrUB, JH I 16245 – 1470 X 7. Königsberg einen Eintrag vom Oktober 1470:

Fricze Hogenest bezeugt die Kriegsdienste und Schäden des Fecentcz Stile, der den preußischen Krieg mitgemacht hat.

Andere Quellen aus dem 15. Jh. über die mögliche Familie des Paul von Hogenest sind uns leider nicht bekannt. Es ist uns auch nicht bekannt wie und durch was er die besondere Gunst des Kurfürsten erworben hat. Vermutlich verstand er sein Handwerk sehr gut und die Saunjagd war immer ein Erfolg. Aber es gab da ja auch noch die gerade aufkommenden eingestellten sächsischen Jagden.

Hogenest als Einrösser

Bekannt ist aber im Zusammenhang mit dem Amt Lochau (Annaburg), dass er 1494/95 laut Lochauer Amtsrechnung ein Pferd mit Sattel und Zaumzeug (14,5 fl) erhält. Seit dieser Zeit wird er bis 1500 als Jäger geführt. Zuvor 1494 erhält er zu Weihnachten ein Wintergewand und Zehrgeld mit 5 Knechten und 46 Hunden in Wildenhain. Er begleitet seinen Kurfürsten 1495 auf dem Reichstag in Worms. In der Funktion des Jägers erhält er im Februar des gleichen Jahres seine Auslagen für die Hundeknechte erstattet und im März bringt er die Jagdhunde nach Eisenach. 1501 wird Hogenest als Einrösser geführt und erhält er 1501/02 lt. Akten als „Hohnest“ einen Quartalssold von je 11 fl (Florentiner).

Der Jägermeister

1502 ist er dann zum Jägermeister des Kurfürsten aufgestiegen. Hogenest war da vielleicht 30 Jahre alt. Die Jägermeister waren die Schlüsselfiguren der großen Jagden die der Kurfürst veranstaltete. Planerisch in der Vorbereitung und auch in der Durchführung, wurde den maßgeblichen Akteuren dieser „Jagdveranstaltungen“ ein hohes Maß an Organisationstalent abverlangt. Materiell und Personell war so einiges in einer konkreten Zeitachse zu bewegen und zu organisieren. Ja, und das Kriegshandwerk musste zu guter Letzt auch verstanden werden – das professionelle Töten halt. Außerdem hing der Erfolg in dieser Position auch davon ab Hirsche  „vorsuchen“ zu können. Wenn die sächsischen Fürsten hochadlige Gäste auf eine erfolgversprechende Jagd einladen wollten, hatten die Jäger, Wolfsteller oder Heideknechte in Lochau das Wild „vorzusuchen“ und zu melden, ob und wo die Jagd Erfolg versprach. Paul von Hogenest musste genau diesen Anforderungen an einem Jägermeister voll entsprochen haben und nicht nur ein sehr guter Hundeführer gewesen sein. Anders hätte er nicht diese Stelle in der Lochauer Heide, dem Lieblingsjagdgebiet des Kurfürsten bekommen. Damit bekam er sogar seinen Platz im Lieblingsschloss Friedrich des Weisen zugewiesen. Das geht aus der Quelle von 1509 hervor:

Inventarium Jurgen Hesßenn der das ampt Lochaw am sontag nach Fabian unnd Sebastiann om 1500 nono Pauel von Hogenest Jegermeister und Mattheus Wulff ampscreyber ubir antworth der iczlicher wy gehandelt zu bekennus undenn ann gedrucgt etc.Dieser Urkunde nach wurde dem Jägermeister im alten Jagdschloss Lochau eine:
Ins jeger meisters kammer

mit

2 bette, 1 pffol, 2 kussenn und 2 tucher 

zugewiesen.

Der Jägermeister war allerdings in seinem „Wald“ ständig vor Ort, er hatte schließlich den Wald, oder besser das Wild vor Eindringlinge und Wilderer zu schützen. In Abwesenheit des Kurfürsten war er dann „Schlossgesessener“.  Dabei wurde an vieles gedacht:

Einrichtung der Kammer und Stube, des Back- und Malzhauses für den Jägermeister durch das Amt

Verwaltungsreform

Um 1512/13 ordnete der Kurfürst in Lochau eine nachhaltige Reform der Amtsverwaltung an. Er bestimmte das Lochauer Vorschloss zum festen Sitz des Jägermeisters Paul von Hogenest. Dieser übernahm vom Lochauer Amtsschösser den größten Teil des örtlichen Personals, welches er wie die Jäger zu entlohnen und in der eigenen Küche zu versorgen hatte. Jetzt war Paul von Hogenest vielleicht 39 Jahre alt. Der Jägermeister der Lochauer Heide war nicht irgendjemand. Die Jagd stand bei der adligen Oberschicht über alles. Wer hier seine Stelle gefunden hatte, der war „Oben“. Das wird auch daran deutlich, dass dem Jägermeister Paul von Hogenest der Amtsmann (damals noch Schösser genannt) von Lochau jetzt unterstellt war. Das geht aus der zweiten Quelle hervor:

ungeverlich unterricht und v(er)zceichnus wie meiner gnedigsten und gnedigen hern ampt irer gnad furstenthumen itzo allinthalb mit amptlewt(en) bestalt auch was ir vorsoldung und gemein zugeng sein 

Zum besseren Verständnis: es handelt sich hierbei um die Gesamtaufnahme der Amtsbediensteten und der Konditionen zu welche sie unter Paul von Hogenest ihren Dienst zu verrichten haben. Danach waren neben dem Amtmann (Schosser), dem Pfarrer Michael Stifel, dem Heidevogt Jörg Weidemann und den zum Jägeramt gehörenden zwei berittenen Jägerknechte sowie einem Jägerknecht zu Fuß, noch 21 weitere Personen in Lochau unterstellt. Mit diesem Personalbestand soll er nutzen

„für die Bestellung der Vorwerke und der Amtsgeschäfte …, auf seine Kost und Lohn verrechnen“. 

Außerdem hatte er noch 40 Jagdhunde zu halten und dafür zwei weitere Personen und einen Jungen (Lehrling) auf seine Kosten einzustellen.

Aus dieser Quelle geht auch hervor, wie er selber Entlohnt wird, neben vielen Nießbrauchrechten u.a. mit dem

Vorwerk Lochau nutzen; kein sonderlicher Ackerbau, außer dem großen Garten

und

Vorwerk Arnsnest - 142 sch Lochauer Maß Korn zu besäen mit Korn, Gerste, Hafer und Heidekorn; Fron durch vier Lehnleute zu Arnsnest und Handfröner bei der Ernte, Drei Baumgärten, 2 Baumgärten am Vorwerk: einer mit guten Obstbäumen zu etwa 20 sch Äpfeln und Birnen, der andere Baumgarten mit Hopfen belegt ungefähr einen Acker groß. Der 3. Garten ist im Dorf an der Badestube gelegen, etwa 1 Acker groß, darin Kraut, Hanf, Flachs zur Haushaltung erzeugt werden können.

Und noch das

Vorwerk Frauenhorst, dem Jägermeister zuvor beschieden.

Nach dieser Nachricht wissen wir, dass er die Einkünfte des Vorwerkes Frauenhorst schon vor seiner Amtseinführung zugesprochen bekommen hatte. Wir können davon ableiten, dass er schon als Hundeführer hier in der Lochauer Heide beschäftigt war. Er kannte sich hier aus. Ortskenntnis war eine der notwendigsten Voraussetzungen um die aufwendigen eingestellten Jagden, aber auch die einfacheren Treibjagden zu organisieren. Zusammenhängende Karten oder auch die „Jagdsterne“ gab es noch nicht zu dieser Zeit. Hier waren „Macher“ gefragt, die Männer der Tat.

Der Gutsbesitzer

Im März 1518 erhält Paul von Hogenest die Verschreibung über die Lehngüter Jorg Schaffs zu Falkenberg für sich und Erben (auf einen Anfall 1000 fl). Er ist auf dem Gipfel seiner Karriere angekommen. Der größte Teil des Amtes stand unter seiner Verfügungsgewalt, und er brauchte darüber nicht einmal exakt Rechnung zu legen. Während diese Regelung die direkte Kontrolle des Hofes erschwerte, war so eine reguläre Besetzung und Nutzung des Schlosses durch einen lokalen Stellvertreter mit erweiterten Befugnissen gewährleistet. Die Kehrseite dieser hohen Gunst beim Kurfürsten, sie erzeugt Neider. „Schreiberling“ vor allem wenn sie Schösser sind haben eine Waffe gegen die jeder Jägermeister machtlos ist. Sie führten Buch und können „Belegen“. Außerdem sind sie in einem Netzwerk eingebunden. Ihnen untersteht ja auch die Gerichtsbarkeit, die Richter in den Dörfern usw. usf.

Ermittlungen

Nießbrauchrechte sind gefährlich vor allem wenn man vielleicht selber des Schreibens nicht kundig ist. Aber Macht kann auch verführen. Jedenfalls wird 1519 gegen Paul von Hogenest ermittelt. Das belegt unsere dritte Quelle:

Diesse nachvolgendt stuck an geldt und anderm hat der jhegermeister Paulus von Hogenest von der Lochisch Heyden genommen, inclusis die gerichts busse unnd von etzlichem vorgebenn holtz. 

Wer da ermittelte geht aus der Akte nicht hervor. Es ist zu vermuten, dass es der Schösser von Lochau Matthäus Wolf war. Ihm wird u.a. vorgeworfen:

13 fl Holzgeld 1516, 10 fl Holzgeld 1517, 30 fl Holzgeld; es sei zu vermuten, dass der Jägermeister schon 1512 bis 1514 Geld einbehalten habe.

Die Aussagen:

* Gerichtsbuße (wegen Wilderei) unterschlagen von einem Thomas Heintz  angesag  
* Gerichtsbuße (wegen Wilderei) unterschlagen von Ulrich von Nawendorf angesagt von Plosig  
* Gerichtsbuße (wegen Wilderei) unterschlagen von Mauritz Wolfsteller angesagt  
* Geld und Sachwert (für was?) unterschlagen von Kathewitz anno ? empfangen
* Gerichtsbuße unterschlagen aus der Stadt Herzberg empfangen

Stadt Prettin:

Wollen nichts ansagen, zeigen an, so dass der Jäger 'inne wurde', müssten sie sich der Heide enthalten, da sie denn nicht mögen geraten, da von in 8 Jahren viel zur Buße gefallen

Stadt Jessen:

Sagen, dass sie etliches Holz, das unser g. H. auf Gnaden gegeben hat, dem Jäger zahlen müssen  (unterschlagen?)

Dagegen belasten die unmittelbaren Unterstellten von Paul von Hogenest nicht ihren Dienstherrn:

Hans Wolfsteller (Bruder des Mauritz) und Jorg Weidemann (Heidevogt) haben nichts wollen ansagen, ist zu besorgen, dass sie auch Nutzung empfangen (wird ihnen unterstellt).

Das Ergebnis der Untersuchung kennen wir leider nicht. Aus der „Berufungsakte“ wissen wir, dass ein neuer Schosser den Matthäus Wolf ablöste. Neuer Amtsmann wurde laut dieser Quelle 1526 Christoff Egersdorf und später 1532 folgte Joachim Bule. Für den neuen Schosser wurden die Konditionen neu geregelt. Der direkt zum Amt und auch zum Schloss gehörende Personalbestand unterstand jetzt dem Schösser wieder direkt. Der Jägermeister musste jedoch sicherstellen dass dem Schosser neben anderen materiellen Gütern

10 fl [Florentiner] von jeder Person zu Kost Torwärter, 2 Wächter, 1 Ochsenknecht; für Bauhandwerker von jeder Person ½ gr [Silbergroschen]“ 

zur Verfügung standen.

Ein Leben geht zu Ende

Paul von Hogenest hatte die Anfeindungen überstanden 1521 tritt er noch im November zu Lochau als Jäger als Urkundenzeuge in Erscheinung. Er erhält noch 1523 eine Geldzuwendung von 300 Florentiner vom Hof aus der Ostermark angewiesen. Allerdings soll schon im Januar 1522 ein Ludwig Goldacker als neuer Jägermeister eingesetzt worden sein. 

Paul von Hogenest stirbt 1523  (vermutlich ist er etwas über 50 Jahre alt geworden).  

Amtsnachfolge

1530 wird als neuer Forstmeister,  Heyntz Heckelbach in Lochau geführt. Die Eintragungen in den Bescheidakten über Paul von Hogenest hören offiziell 1532 auf. Es darf vermutet werden, dass sein Nachfolger der Forstmeister Heinz Heckelbach diese Funktion in der verbleibenden Ernestineschen Zeit auch innehatte. In der damaligen Zeit war es üblich, dass der Sohn immer die Professur des Vaters erlernte. Auch die Hogenest blieben dem Waidberufe treu, so wurde den Überlieferungen entsprechend durch den Kurfürsten Moritz 1549 im Amt Lochau der Oberforstmeister „zur Lochau“ Paul von Hogenest die Verwaltung der Schosserei (des Amtes) übertragen. Mit ihm wird neuer Amtsschreiber Barthel Wagner. Als bisheriger Schösser wird Hieronymus Lachnicht in der Quelle genannt. Lachnicht folgte nach Otto Heintze dem Schösser Matthäus Wolf, was aber nicht den Tatsachen entsprechen konnte. Wir wissen jetzt aus gesicherter Quelle das Lachtnicht den Joachim Bule abgelöst hat.Das Vorwerk in Arnsnesta war entsprechend des Erbbuch des Amtes Annaburg immer noch im Besitz der Familie von Hogenest: Arsnesta laut Amtbuch von 1550 ein Dorf mit 4 Anspannern (Hüfnern), 16 Gärtnern, 1 Pfarrer und ein Richter – insgesamt etwa 120 Einwohnern. Das örtliche Vorwerk gehörte Paul und Hans von Hogenest.

Die von Hogenest waren die letzten Jägermeister mit dieser hohen Machtbefugnis, denen auch das Amt Lochau unterstellt war. Nachdem August Kurfürst von Sachsen wurde entstand der Machtdualismus das Nebeneinander der gleichberechtigten hohen sächsischen Beamten, des Wild- und Forstmeisters und des Amtmann in Lochau dem späteren Annaburg. Aber dieser Übergang war fließend, denn der Wild- und Forstmeister in Lochau (Annaburg) wurde auch zuständig für die Glücksburger Heide und später auch der Wälder hinter Schlieben bei Hohen Buckow. Deswegen musste er auch auf die Ressourcen vieler weiterer Ämter zurückgreifen können.

Die Hogenest waren eine der ersten in der Funktion der Annaburger Wild- und Forstmeister und späteren Oberforstmeister die uns namentlich bekannt sind. 

 

BERND HOPKE
ORTSCHRONIST

AnnaOffice©2023-06-26

 

 

Quellen:

Thomas Lang; Auszüge zum Jagdschloss Lochau aus dem Manuskript seiner Dissertation über die ernestinische Hofhaltung im ausgehenden Mittelalter im Übergang zur Neuzeit; unveröffentlicht 2022
Gründler, E.: „Schloß Annaburg“ Festschrift zur einhundertfünfzig-jährigen Jubelfeier des Militär-Knaben-Instituts zu Annaburg, Verlag von Oscar Haebringer, Berlin 1888
Autorenkollektiv: Forsteinrichtungsbücher, Ergebnisse der Standorterkundung, Teil I u. III, Institut für Forsteinrichtung und Standortserkundung Potsdam, Falkenberg/Elster 1956;
Erbbuch des Amtes Annaburg D 1, Nr. 1, 1550-1745 (Akte); Landesarchiv Sachsen-Anhalt/Ast.Wernigerode;
Otto Mörtzsch, Waffenkundliches von der Jerusalemfahrt des Kurfürsten Friedrich des Weisen von Sachsen und des Herzogs Christoph von Bayern im Jahre 1493; in :Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 7.1915-1917; Seite: 328;
Neues Archiv für Sächsische Geschichte und Alterthumskunde; 4 Bd.; Dresden 1883; Hrsg. Dr. Hubert Ermisch, Archivrath; Wilhelm Baensch Verlagshandlung;
Europäische Reiseberichte des späten Mittelalters : eine analytische Bibliographie; Hrsg. von Werner Paravicini. - Frankfurt am Main; in Teil 1. Deutsche Reiseberichte; bearb. von Christian Halm. – 1994 (KieleT Werkstücke: Reihe D, Beiträge zur europäischen Geschichte des späten Mittelalters ; Bd. 5);
Reinhold Röhricht; Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande; Gotha 1886;
Julius Theodor Christian Ratzeburg; Forstwissenschaftliches Schriftsteller-Lexikon; 1801-1871; Verlag Nicolaische Verlagsbuchhandlung  1874;
Falke, Johannnes; Die Geschichte des Kurfürsten August von Sachsen in volkswirtschaftlicher Beziehung; Bei S.Hirzel 1868;
Karl Pallas; Die Registraturen der Kirchenvisitationen im ehemals Sächsischen Kurkreise in Evangelisch -Lutherische Kirche im Kurkreis Sachsen, Historische Kommission für die Provinz Sachsen und das Herzogtum Anhalt; O. Hendel 1908;
Beschwerde der Gemeinden Lebien, Plossig, Bethau, Zwiesigko und Grabo gegen den Oberforstmeister Theodor Eberwein in Annaburg wegen der auf der Annaburger Heide untersagten Hut und Eichelmast; D 1, Nr. 450 Reg: L Nr. 34; OF Nr. 918; Landesarchiv Sachsen-Anhalt Anhalt/Ast.Wernigerode;
Thomas Lang; Inventar des Amtes Lochau  des Jürgen Hesse von 1509 in Thüringer Hauptstaatsarchiv Weimar, EGA, Reg. AA 1134, Bl.23R-37V (hier Blatt 35-37); 2019; Ausarbeitung zur Erstellung seiner Doktorantenarbeit;
Thomas Lang; Beschiedbuch der Ämter Sachsen, Meißen, Thüringen, Franken 1509, Lochau (32R) in Thüringer Hauptstaatsarchiv Weimar, EGA, Kopialbuch F 38); 2019; Ausarbeitung zur Erstellung seiner Doktorantenarbeit;
Thomas Lang; Amt Lochau hinterzogene Nutzungen durch den Jägermeister Hogenest 1510-1519 in Thüringer Hauptstaatsarchiv Weimar, EGA, Reg. BB 1790; 2019; Ausarbeitung zur Erstellung seiner Doktorantenarbeit;
Beschwerde der Gemeinden Lebien, Plossig, Bethau, Zwiesigko und Grabo gegen den Oberforstmeister Theodor Eberwein in Annaburg wegen der auf der Annaburger Heide untersagten Hut und Eichelmast; D 1, Nr. 450 Reg: L Nr. 34; OF Nr. 918; Landesarchiv Sachsen-Anhalt Anhalt/Ast.Wernigerode;
Stadt Herzberg; https://www.herzberg-elster.de/verzeichnis/objekt.php?mandat=90203;
Deutsche Biographie; unter https://www.deutsche-biographie.de/sfz19236.html;