Friedrich der Weise

weise5Anlässlich des bevorstehenden Fünfhundertjährigem Todestag Kurfürst Friedrich des Weisen, Beschützers der Reformation, rückt unsere Geschichte wieder in unser Bewusstsein und hier vor allem die Annaburger Geschichte. Da gibt es so viel Erstaunliches, so viele geschichtliche Geschichten, die wir (eine Gruppe interessierter Annaburger) als eine Serie im Amtsblatt veröffentlicht haben. Es gibt viele Bücher und Beschreibungen zu unserer Geschichte, die sogar selbst schon wieder geschichtlich sind, denn sie wurden in den vergangenen Jahrhunderten verfasst. Dass unsere Geschichten nicht immer tiefgründig erforscht und mit Quellen belegbar sind, möge uns verziehen werden. Es sind Beschreibungen, die immer wieder weitergegeben wurden, wie Traditionen oder Familienerinnerungen.

Beginnen wir hier mit Friedrich dem Weisen. Unser Lochauer Schloss war sein Lieblingsschloss und dadurch, dass er hier vor fast 500 Jahren verstorben ist, gehört Annaburg, damals noch Lochau unauslöschlich zur deutschen Geschichte. Jeder, der sich für Luther interessiert, wird auch immer auf dessen Beschützer, „unseren“ Friedrich stoßen und damit auf „unser“ Lochauer Schloss.

ps_20161020222053Die Hirschjagd von Lukas Cranach trägt die beiden sächsischen Wappenschilde. Das Jagdschloss, das im Hintergrund mit seinen Giebeln aufragt, könnte die Lochau sein. Denn dies war das köstlichste Weidgelände des Kurfürsten, das Paradies der fröhlichen Jägerei: die Lochhauer Heide. Ein Urwald damals. In dem Winkel zwischen der Elbe und der Schwarzen Elster. Die Schlösser Torgau, Prettin, Pretzsch an dem einen Fluss, Herzberg, Schweinitz, Jessen an dem anderen. Und mitten drin in der Weltverlassenheit allein Schloss Lochau. Die Lochauer Heide war ein vielseitiges Waldgebiet. Teile von ihr ein Dickicht von Eichen, durchzogen von Bächen, erfüllt mit kleinen Seen und weiten Sümpfen. Der andere Teil, trockener Sandboden, Kiefern soweit wie das Auge blicken konnte – allerdings in kleinen Gruppen bestanden, kein Hochwald wie wir diese Kiefernwälder heute kennen. Zwischen diesen Beständen gab es noch viel Offenflächen, eine Heidelandschaft – so wie der Name es ja sagt. Wie ergiebig die Jagdbeute an Raubtieren war, lässt sich aus der Notiz ersehen, dass Friedrichs Neffe hier die Summe von 208 Bären, 200 Luchsen und 3538 Wölfen erlegt hat. Zur Lochau in der Stille hat Friedrich die guten Tage seines Lebens gelebt. Wie die neueren Geschichtsforschungen beweisen, war er hier viel öfter als in seiner Wittenberger Residenzstadt. Ein damaliger PR-Trick, sorgt noch heute dafür, dass neben Lochau auch Torgau, Weimar, Coburg und Altenburg als Residenzstädte verblassen. Der Kurfürst höchst selbst wollte, dass seine von der Pest gebeutelte Universitätsstadt Wittenberg als ebenbürtige Residenzstadt mit Nürnberg und Innsbruck konkurrieren konnte. 

Nicht nur die Jagdaufenthalte sind belegt. Auch namhafte Künstler und Persönlichkeiten weilten hier. Nicht nur das der Meister Kunz (Maler)  zwischen  1494 und 1497 die Stube hier ausmalte und nebenbei noch 21 Konterfeits für die Ahnengalerie anfertigte und Lukas Cranach den Saal mit Jagdstücken und mythologischen Szenen ausstaffierte. Hier arbeitete auch Adam von Fulda an den Sachsenchroniken. Sie sind die Grundlage für die 56 Kurzbiogramme zu den sächsischen Herzögen und Kurfürsten die dann 1507/08 als die Wittenberger Stammstube beschrieben wird. Hier wurde Kunstgeschichte geschrieben, vom italienischen Maler Jacopo de Barbari der in Lochau tätig war und vermutlich das erste Stillleben nördlich der Alpen schuf.  Barbari stellte darauf realitätsgetreu ein erjagtes Rebhuhn samt Armbrustbolzen und Panzerhandschuhen dar. Jagdrecht, Wehrbereitschaft und der Verweis auf das Erzjägermeister- und Erzmarschallsamt wurden hierin ausgedrückt. 

Am Lochauer Schloss sind 1505-09 mehr Ziegelsteine verbaut worden, als zeitgleich an den Wittenberger Schlosskirchen- und Kollegienbauten. Es ist die Zeit in der Friedrich seine „villa rustica“, den ersten namhaften Renaissancegarten jenseits der Alpen schuf. Professor Stephan Hoppe schrieb:

Im Jahr 1520 hatte kein deutscher Territorialfürst einen so komplexen und kostspieligen dekorativen Garten. Es gibt auch keine wirklichen Beweise für die Idee eines Rückzugsortes, der direkt mit einem Garten im Land in dieser Schicht potenzieller Kunden verbunden ist. Nur die Kaiser sollen Zugang zu Gärten von einiger Größe gehabt haben, aber über ihr tatsächliches Aussehen ist wenig bekannt.

Überliefert hat uns die erste vollständige Beschreibung eines Gartens der Frührenaissance der Adlige Herzheimers, ein enger Gefolgsmann des Kaisers Maximilian.

Im Schloss waren die Lieblingssprüche Friedrich des Weisens an den Wänden zu lesen. Hier befand sich auch seine umfangreiche Ahnengalerie. Hierher lud er auch seine fürstlichen Genossen. Und dann gab es nicht nur sächsische Trinkgelage, sondern auch manches Planen, bundesbrüderliche Verknüpfungen und geheime Staatsaktionen.

Das Schloss sollte die Sterbekammer Friedrich des Weisen werden. Im Herbste 1524 hatte er sich vom Schlosse Colditz nach der einsamen Lochau bringen lassen.

Hier, wo er sein Leben lang am liebsten geweilt hatte, wollte er von der Welt scheiden, die ihm nicht mehr gefiel. Nur der getreue Spalatin war bei ihm. Gicht, Fieber und ein Steinleiden schmerzten den Kranken. Er nahm dann wohl den Brief zur Hand, den Luther ihm geschrieben: Trost im Leiden. Oder er las in den Gnadensprüchen, die Spalatin aus der Bibel zusammengestellt hatte. Immer näher ringten sich seine Gedanken um Gott, um das Geheimnis seiner Liebe und seines Zornes. Das Los der schlichten Leute ging ihm nahe. 
„…Mein Bruder soll mit den armen Leuten, denen ich in ihren Nöten Getreid geliehen, Erbarmung und Mitleid haben, dass Sie mit der Bezahlung nicht hart bedrängt werden.“ 
So rührend sprach aus ihm das, was Spalatin seine „wundersame Güte und Mitleidsamkeit“ nennt.
Und nun zog er auch, angesichts des Todes, den Schluss aus seinem evangelischen Verhalten, bekannte sich zu den äußeren Formen des Luthertums. Am Palmsonntage ließ er zum ersten Male auf seinem Schlosse den neuen deutschen, evangelischen Gottesdienst halten und am zweiten Sonntage nach Ostern musste man ihn zum letzten Male zur Predigt tragen. Es ist nun auch, als ob er zur letzten Frist doch einmal mit dem Manne sprechen wollte, der so ungestüm in die Welt seiner Gedanken gegriffen hatte. „Wir hatten Luther bestellt“, notierte Spalatin, „er war aber nicht daheim, sondern im Harz, denn der Bauern Aufruhr dort eben schwang.“ Spalatin riet ihm, vor seinem Hinscheiden noch das Abendmahl nach lutherischer Weise zu nehmen, und er schrieb nachher in seinen Memoiren:“…Danach empfingen auch ihre kurfürstlichen Gnaden das hochwürdige Sakrament des wahren Leibes und Blutes unseres lieben Herren und Heilandes, vermöge seiner heiligen Einsetzung ganz und gar in beiderlei Gestalt mit solcher Andacht, Ernst und Innigkeit, dass wir alle weinten, soviel unser dabei waren.“ Am 5. Mai starb Friedrich der Weise auf der Lochau. Fürstliches und ritterliches Geleit führte den Leichnam nach Wittenberg zur Schlosskirche. (Ernst Borkowsy)

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BERND HOPKE
ORTSCHRONIST

AnnaOffice©2022-06-18

Quellen: 
Ernst Borkowsy; Auszüge aus „Das Leben Friedrich der Weise Kurfürst zu Sachsen“; verlegt bei Eugen Friedrichs; Jena 1929; 
Thomas Lang; Auszüge zum Jagdschloss Lochau aus dem Manuskript seiner Dissertation über die ernestinische Hofhaltung im ausgehenden Mittelalter im Übergang zur Neuzeit; unveröffentlicht 2022;
Prof. Stephan Hoppe; Anatomie einer frühen „Villa“ in Mitteleuropa 2015
Karin Reihs; Countdown 2017; Amtsblatt der Stadt Annaburg Nr.: 04 vom 05.04.2016