Lieblingsschloss Friedrich des Weisen

Grundlagen der Schlossrekonstruktion

Legt man zugrunde, dass das Nachfolgerbauwerk, die heutige Annaburg auf den Grundmauern der alten Lochau errichtet wurde, kann man daraus den räumlichen Umfang ableiten. Die archäologischen Begleituntersuchungen die bisher durchgeführt wurden, widersprechen dieser These jedenfalls nicht.

allgemeiner Burgenaufbau

Außerdem ist zu beachten, dass es beim Schlossbau in der Übergangszeit vom Spätmittelalter zur Renaissance im deutschsprachigen Raum nicht zu einem abrupten Stielwechsel kam. Die deutschen Fürsten jener Zeit kannten keine Prachtpaläste im Sinne der Italiener, sondern sie verwandelten die Burgen durch Ausbau und Vergrößerung in Schlösser. So orientierten sich die Baumeister auch bei einem Neubau noch an den allgemein üblichen Burgenaufbau. 

Dem Wehrcharakter des vormaligen Burgenbau folgend, gab es auch keinen zentralen und direkten Zugang zum Jagdschloss. Der Zugang bei einer Burg musste schließlich gedeckt sein. Damit ließe sich auch die unsymmetrische Anordnung des heutigen Vorburg (Vorschloss) zum eigentlichen Schloss (Hinterschloss) erklären.

Nach dem 1486 sein Vater verstarb und Friedrich der Weise Kurfürst von Sachsen wurde, hat er kontinuierlich an der Lochau Veränderungen vorgenommen. Mit dem Umbau und den Veränderungen in der Innenausstattung des Schlosses im Zeitraum von 1490 bis 1503 stieg auch die Anzahl der Dienstpersonen von 10 auf 36 Personen. 1493 ließ Friedrich eine Badestube und darüber liegendes Gemach im Fürstenturm neu errichten. Dazu kamen das „Neue Haus“ mit 4 Erkern und 8 Kammern, die neue Vogtei und das Jägerhaus im Vorschloss.

In der Zeit 1495/97 mit den nachgewiesenen höchsten Bauausgaben wurde das Saalhaus, Giebelhaus mit Wendelstein und die Kapelle umgebaut. 1503 bis 1509 entsteht die zusammenhängende Vorburg als Wirtschaftshof mit Jägerhaus und Vogtei. Um diese Zeit könnte die Lochau so ausgesehen haben:

Im Vergleich zur heutigen Schlossanlage – oben Rekonstruierte Darstellung

Im Vergleich zur heutigen Schlossanlage – oben Rekonstruierte Darstellung

Schlossbeschreibung 1505

Nach Thomas Lang kann man um 1505 sich das damalige Schloss wie folgt vorstellen:

Das von einem Wassergraben umgebene Hauptschloss besaß mindestens zwei Ausgänge. Ein Ausgang führte durch den Torturm über eine Zugbrücke ins Vorschloss. Der zweite Ausgang führte durch eine Pforte unter der Harnischkammer über einen Steg in den Weingarten. Auch das noch nicht vollständige Vorschloss war von einem Wassergraben umgeben. Ein Torturm mit Zugbrücke führte von dort ins Dorf. Das Jägerhaus befand sich beim noch heute erhaltenen, nordwestlich gelegenen Rundturm des Vorschlosses. Dort werden sich auch die Räumlichkeiten des Schössers und des Gegenschreibers befunden haben.

Die Gemächer des Kurfürsten lagen im Nordostturm über dem Torhaus, welcher neben der im Ostflügel befindlichen Schlosskapelle lag. Das neue Bischofsgemach lag vermutlich im Nordwestturm. Unweit befanden sich die Badestube und die Zypressenkammer. Den Nordflügel bildete schon damals ein Saalbau über dem sich mehrere Gemächer, vermutlich die Frauengemächer, eine Rätekammer und Rätestube, sowie das Gemach des Kämmerers Degenhart Pfeffinger befanden.

Herzog Johanns Turm lag im Südosten, unweit befand sich die Schlossküche. Im Ostflügel zwischen Herzog Johanns Wohngemach und jenem des Kurfürsten im Turm befanden sich mehrere Gebäude. Die Kapelle war in ein großes Haus einbezogen, in dem weitere Wohnräumlichkeiten lagen. Auch ein Haus, in dem die Edelleute schliefen, wird gesondert angeführt. Im Raumzusammenhang zwischen den Fürstengemächern werden vor allem die Schlafkammer der bedeutenderen Hofeliten genannt: jene der Grafen, des Marschalk und der Gelehrten samt ihrer Diener. Weiterhin folgen in der Aufzählung die Kammer der Edelleute, die Silberkammer und Kanzlei sowie die Malerkammer. Bereits im Dachgeschoss sind die Einrösser und der Kaplan untergebracht. In der Kammer unter der Dachspitze sind die Betten der Edelknaben zu vermuten.

Auch die Hofstube für die gemeinsamen Mahlzeiten des Hofes bildete in Baueinheit mit den Räumlichkeiten der Köche und Keller ein eigenes Gebäude im Südflügel. Teile der Hofstube befanden sich – ungewöhnlicher Weise – im Obergeschoss, wie Dachreparaturen über den Tischen belegen. Die Fürsten konnten sich zudem für die Mahlzeiten in eigene Räumlichkeiten zurückziehen.

Schlossnutzung

Aus diesen Angaben kann man leicht entnehmen, dass das Schloss groß genug dimensioniert war, den ganzen sächsischen Hofstaat aufzunehmen. Bedeutende Personen des sächsischen Hofes hatten hier ihr eigenes Refugium. Die Bettenkapazität wurde aus den Inventaren auf 150 hochgerechnet. Es brauch uns auch nicht zu wundern, dass nach Thomas Lang, Friedrich der Weise in seiner Lochau öfter verweilte als in seinem Wittenberger Stadtschloss. Auch die in den Amts- und Hofrechnungen nachgewiesenen Kosten für die künstlerische Ausgestaltung seines Schlosses hier dokumentiert, dass es sich bei diesem „Lieblingsschloss“ um eine fürstliche Residenz mit hoher Außenwirkung handelte.

Er muss sich hier wohlgefühlt haben, kam er schließlich todkrank 1525 hierher, um hier in Lochau in seinem Schloss zu sterben. Traurig ist, dass es im Jahr 2023 nicht mal eine Erinnerungstafel im Stadtgebiet von Annaburg an dieses historische Ereignis gibt. Unter Preußen wurde der Turm der Schlosskirche in Wittenberg architektonisch vergewaltigt und in der Gegenwart im Reformationsjahr sein Stadtschloss in Wittenberg aus Beton neu gebaut – hier, wo er nun tatsächlich verstorben ist, stand kein Geld zur Verfügung um an seinen Sterbeort zu erinnern.   

wichtiges Denkmal am falschen Ort

Aber es gab schon mal einen Fehlerhaften Versuch dazu. In Unkenntnis des tatsächlichen Standortes seines Lieblingsschlosses wurde auf einem Feld nahe Annaburg, welches seit alters her „zum Schlösschen“ hieß, ein Denkmal für den Beschützer der Reformation errichtet. U.a. weil hier ein großer Solarpark errichtet werden soll, gibt es nun auch Bestrebungen dieses Denkmal zu restaurieren und ins Stadtgebiet anlässlich seines fünfhundersten Todestages zu verlegen.  

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BERND HOPKE
ORTSCHRONIST

AnnaOffice©2023-05-17

Quelle

  • Thomas Lang; Auszüge zum Jagdschloss Lochau aus dem Manuskript seiner Dissertation über die ernestinische Hofhaltung im ausgehenden Mittelalter im Übergang zur Neuzeit; unveröffentlicht 2022;
  • Stephan Hoppe „Anatomie einer frühen Villa „Rustica“ 2004;
  • Ingetraut Ludolphy: Friedrich der Weise – Kurfürst von Sachsen 1463-1525, Leipzig 2006,