Kinderkrippen

Die Krippe in Annaburg


Kindergrippe steht für eine Einrichtungen der Kindertagesbetreuung für Kleinkinder und Säuglinge ab einem Lebensalter von ca. einem halben Jahr. Als Kurzform wird auch das Wort „Krippe“ gebraucht.

Die erste Kinderkrippe in Europa wurde von dem Juristen Firmin Marbeau initiiert und am 14. November 1844 in Frankreich eröffnet. Deutschland folgte mit weiteren Krippen in 1851 in Dresden und Hamburg. Sie standen damals noch im Zusammenhang mit den „Kinderbewahranstalten“, wenn auch ohne pädagogischen Ansatz. Kinderkrippen sah die Mehrheit der gehobenen Bevölkerung zu diesem Zeitpunkt als eine Notlösung an, die der Mutter eine Berufstätigkeit ermöglichen, das Kind aber vor einer als weniger gut angesehenen Betreuung in einer Pflegefamilie oder einem Säuglings- und Kinderheim bewahren sollte. Als entscheidend für eine Kinderkrippe galt eine Verringerung der Säuglingssterblichkeit und der Krankheitshäufigkeit. Bis in die Zeit der Weimarer Republik galten Kinderkrippen vor allem als Einrichtung der Fürsorge für Säuglinge, deren Mütter mittellos oder aber erziehungsunfähig waren.

Nach 1945 in der SBZ hatte die Kinderbetreuung und hier auch die der Kleinstkinder gegenüber den westlichen Alliierten Ländern einen höheren Stellenwert. Auf Grund der Arbeitskräftesituation mussten in der SBZ unverhältnismäßig viele Frauen arbeiten. Nur dann hatten sie auch Anspruch auf die Lebensmittelkarten. Auf die Kinder nahmen die Besatzer keine Rücksicht, alle arbeitsfähigen Frauen mussten arbeiten – in den Ostdeutschen Großstädten meist als Trümmerfrauen und ansonsten in der Landwirtschaft. Hier wurden zu Spitzenzeiten (Sommer und Erntezeit) die Arbeitszeiten per Befehl auf 16 h festgelegt. Eine organisierte Kinderbetreuung gab es in der Anfangszeit nicht. Meist erfolgte die Betreuung durch die Geschwister, was zu Familienproblemen führte die sich bis in die Gegenwart auswirkten. Gab es Ärger mit den „Kleinen“ mussten die „Großen“ herhalten. Die Neugegründete DDR versuchte durch die Schaffung von Kinderbetreuungsplätzen die „Not“ zu lindern. Für die Mütter bestand die „Not“ darin für den Familienunterhalt aufzukommen, weil ihre Männer im Krieg geblieben sind, in Gefangenschaft waren oder als Krüppel eine zusätzliche Last darstellten und nicht die Kinder dort abzugeben. Es wurde daher von der Masse der betroffenen Frauen als Positiv empfunden einen solchen „Platz“ bekommen zu haben. Da über die Löhne und Gehälter die lang anhaltende Reparationszahlung an die UdSSR reguliert wurde, war es auch später kaum möglich als eine ostdeutsche Ehefrau am „Herd“ zu hause zu verweilen. Auch in diesen Fällen wurde es als „positiv“ empfunden einen Betreuungsplatz endlich gefunden zu haben. So gab es auch in Annaburg einen Bedarf an einer solchen Einrichtung.

Die Geschichte der Annaburger Krippen-Einrichtungen nach 1945 bis zum erfolgten Anschluss an die Bundesrepublik hat uns Frau Reihs freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Ab August 1956 gab es in Annaburg in der Holzdorfer Straße eine Kinderkrippe. Die ersten 20 Plätze waren anfänglich nicht ausgelastet. Doch schon 1958 wurden 25 Kinder und 1959 bereits 30 Kinder betreut. Die erste Leiterin war Rita Rein. Auch Christel Gottwald, Rosel Wille, Monika Hertel, Liane Brause als Schwestern sowie Frau Pink in der Küche und Frau Elsterluss in der Wäscherei waren von Anfang an dabei. Es gab 2 Spiel- und Schlafräume
1 Baderaum und später noch 1 Raum rechts neben dem Eingang. Doch der Bedarf wurde immer größer und so zog die Krippe 1960 in die Klausnitzer Villa in der Schweinitzer Straße. Oben waren die Säuglinge untergebracht, unten die Krabbelgruppe und die größeren Kinder. Dort war dann die ehemalige Gemeindeschwester Karin Richter Leiterin. 1961 konnten nun 35 Kinder betreut werden, und 1963 gab es 30 Tages- und 15 Wochenplätze. Neben der Leiterin arbeiteten eine Milchküchenschwester, 6 Pflegerinnen, 4 Hilfspflegerinnen, eine Köchin und eine Küchenhilfe, eine Wäscherin, eine Reinigungskraft, eine Nachtwache und ein Hausmeister in der Villa.
1963/64 arbeiteten in der Krippe neben Karin Richter auch die Pflegerinnen Karin Bogen, Sonja Bräuning, Monika Malinowski, Christel Herbig, Rosel Wille, Helga Mietzsch, Christel Gottwald, Monika Härtel, Helga Schlobach, Ruth Klemm und Erika Hecht. Als Köchin arbeitete Hilda Pink und als Wirtschaftskräfte Helga Träger und Meta Bogen.

Doch der Bedarf stieg weiter. So wurde ein neues Krippengelände von der Stadt vorgeschlagen. Und die Krippe zog 1967 ins Alte Lazarett. Im schlossseitigen Flügel war unten noch die Gemeindeschwester und oben zwei Klassenzimmer untergebracht, doch turnhallenseitig fand nun die Krippe für die nächsten 22 Jahre ihren Platz. Hinterm Haus befand sich eine Kohlebaracke und ein Wirtschaftsplatz. Der Spielplatz war nach vorne raus, mit einem Zaun vom Spielplatz des Kindergartens nebenan getrennt. Die Kinderpflegerinnen, wie die Schwestern jetzt hießen, hatten drinnen weiße und draußen graue Schürzen auf den blauen Kleidern. Diese wurden in Krippe gewaschen und gebügelt von Frau Kaiser. Leiterin war bis 1971 Frau Bärbel Griechen, dann Frau Chibolowski und ab September 1973 Frau Doris Jähnichen. Ab 1974 hatte die Annaburger Krippe ca. 30 Mitarbeiter. Bügelfrau war Frau Kastner, die Wäsche erledigten Frau Böttcher und Frau Engelbrecht. In der Küche arbeiteten Frau Juhl und Frau Müller. Die 20 Dauerbrandöfen wurden zwar von einem Heitzer befeuert, doch nachlegen und die Asche rausbringen mussten auch die Erzieherinnen.
Unten neben dem Haupteingang befanden sich Waschküche, Hausmeisterraum und 4 große Gruppenräume. In der Mitte befanden sich die Küche sowie links 4 Räume für 2 Gruppen und rechts 2 Räume für 2 Gruppen. Ganz oben war eine Gruppe mit 1 ½-Jährigen untergebracht. Der Aufenthalt im Freien wurde durch die auf der Kinderwagengarage neu errichtete Terrasse voll wirksam. Dadurch mussten die Kinder der Kleinkindstufe 1 nicht immer die Treppe runter. Die Kinder der 2. Kleinkindstufe waren im Erdgeschoss untergebracht und erreichten so leicht den Spielgarten.
12-15 Kinder wurden pro Gruppe betreut. Dr. Mahler war Krippenarzt und wurde bei auffälligen Kindern gerufen. Er entschied, ob Kinder abgeholt werden müssen. Dann lag auch schon ein Rezept bereit. Mindestens einmal wöchentlich kam ein Arzt (Dr. Mahler), es wurden Impfungen erbracht und etwa 1x monatlich fanden Reihenuntersuchungen in den Gruppen statt. Auch der Speiseplan wurde regelmäßig mit dem Arzt besprochen.
Wie in allen Bereichen wurde im Sozialismus viel Wert auf Rechenschaftsberichte und Jahrespläne gelegt. Dort sind u.a. die Aufgaben zur Erhaltung und Förderung der Gesundheit der Kinder und Stärkung ihrer Widerstandskraft aufgeführt.
1985 arbeiteten in der Annaburger Krippe eine Krippenleiterin, eine stellv. Krippenleiterin, 3 Gruppenleiterinnen und 7 Krippenerzieherinnen (Frau Dietrich, Frau Kossagk, Frau Lorenz, Frau Herbig, Frau Thinius, Frau Belding, Frau Vogel, Frau Kaulig, Frau Preuß, Frau Georgi) , 9 FA für Kinderpflege (Wille, Malinowski, Härtel, Bogen, Stassny, Bräuning, Schlobach, Klemm, M. Wille, Schatz, 2-3 Reinigungskräfte (Frau Böhme, Frau Ullrich, Frau Liebmann, Frau Kügler) und 2-3 Küchenkräfte (Frau Müller, Frau Pietzner, Frau Kretzschmann), ein Hausmeister, eine Näherin, eine Wäscherin.

Wie schon erwähnt stieg der Bedarf an Krippenplätzen kontinuierlich. 1955 gab es im Kreis Jessen 40 Plätze, 1965 waren es bereits 200 Plätze  , 1975 dann 400 Plätze und 1980 schließlich 603 Krippenplätze. 1985 standen 96 Krippen- und 190 Kindergartenplätze sowie 196 Hortplätze in Annaburg zur Verfügung. Doch der Bedarf stiegt weiter und so wurde Ende der 80er Jahre ein neues Gebäude als Kinderkombination geplant. Am 27. Oktober 1989 erfolgte die feierliche Übergabe der neuen kombinierten Kindereinrichtung.“
Annaburg, im Juli 2020
Karin Reihs, geborene Großmann
BERND HOPKE
ORTSCHRONIST

AnnaOffice©2021-01-17

 

 

Quelle

  • Karin Reihs, gebr. Großmann, Das Gesundheitswesen in Annaburg von 1945 bis 1989, Okt.2019 Annaburg; unverlegt;
  • Wikipedia Kinderkrippe unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Kinderkrippe; Zugriff 01/2021