Kirche

Die evangelische Kirche im Städtlein ps_20161111171110

Die evangelische Kirche von Annaburg soll um 1517 erbaut worden sein. Sie wurde als Backsteinsaal mit dreiseitigem Ostschluss und quadratischem Turm an der Nordseite im ursprünglich spätgotischen Stil errichtet. So finden wir auf Höhe der Loge außen noch ein kleines spätgotisches Kreuzigungsrelief aus Ton. Der Turm in seinem unteren Teil ist spätgotisch, sein heutiges Aussehen erhielt er erst mit dem barocken Erweiterungsbau 1729.

ps_20161112184329ps_20161112184252Die Kirche wurde in alten Quellen nach Sankt-Siegesmund benannt – diese Bezeichnung ist aber heute nicht mehr gebräuchlich.
Im Jahre 1729 erfolgte ein Erweiterungsbau des Turmes. Der quadratische Turm erhielt einen achteckigen barocken Aufbau, mit Haube und Laterne, mit 35 m Höhe (Welsche Haube mit Welsche Laterne)
Beiderseits des Turms wurden 1787 die zweigeschossigen Fachwerkanbauten hinzugefügt.
Die Vorhalle mit Treppe zum zweiten Geschoß (rechts neben dem Turm) und der Amtsstuhl auch Forststuhl genannt (links neben dem Turm). Er diente zur Erweiterung der sich im Turm befindlichen Patronatsloge, die sich nun auch auf den zweiten Stock des Anbaues erstreckt.

ps_20161112183057Die Kirche wurde 1993 außen restauriert.

Der innere Nordzugang ist spitzbogig mit gemalter Rahmung ausgeführt, ebenso das von gemalten Weihekreuzen flankierte Portal (künstlerisch gestalteter Eingang – nachempfunden dem römischen Triumphbogen) zur Sakristei (Raum zur Aufbewahrung der liturgischen Geräte und Gewänder – auch Ankleideraum). ps_20161112182920Im Schiff finden wir eine Kassettendecke aus dem späten 17. Jh. mit floraler Malerei (pflanzliche Motive) vor.
Über der Sakristei im Turmuntergeschoß befindet sich eine verglaste Patronatsloge (ursprünglich offener Raum im Obergeschoss), die sich in zwei Segmentbögen zum Schiff öffnet. Die Brüstungsfelder tragen das sächsische Kur- und Landeswappen. 

ps_20161112182314Der qualitätvolle Flügelaltar stammt aus 1602 und ist mit einer Renaissancerahmung versehen. Das zentrale Motiv stellt die Kreuzigung im Hauptfeld flankiert von Gethsemaneszene und Dornenkrönung auf den Flügeln dar. In der Predella (Altarstaffel gelegen über der Mensa/Altarplatte als Unterbau für die Schrein des Flügelaltars) finden wir das Abendmahl, im Auszug die Auferstehung und im geschlossenen Zustand (Zugeschlagener Altar) die Verkündigung (rechts) und Geburt Christi (links).
ps_20161112195742Die hölzerne Kanzel (Prediger/Lesebühne – gegliedert in Fuß, Brüstung, Treppe und Schalldeckel), mit Eckpilastern (Wandpfeiler, der nur wenig aus der Wand hervortritt), in den Arkadenfeldern (Bogenfelder- Reihe von Bögen und Pfeilern/Säulen) des Korbs (Brüstung) gemalt die Evangelisten in klassischer Figurenauffassung stammt ebenfalls aus dem 16. Jahrhundert. Sie stellt die 4 Evangelisten dar. Es sind dies: Matthäus, Markus, Lukas und Johannes (die Verfasser der 4 Evangelien Symbolisiert durch Mensch, Löwe, Stier und Adler).ps_20161112182611

Die große kelchförmige Sandsteintaufe von 1674, auf Balusterfuß (runde Säule die die Brüstung trägt)  runde Kuppa mit Stifterwappen und üppigen frühbarocken Festons (bezeichnet die bogenförmig durchhängende Ziergirlande), wurde vermutlich durch Johann Günther Oberforst- und Wildmeister der Kirche 1674 als Geschenk übergeben.

ps_20161112182150Der hölzerne spätgotischen Corpus Christus (ohne Arme) stammt aus dem Jahr 1490. Er erhielt 2007 als Hintergrund ein einfaches Holzkreuz.
Die Gestühlsbrüstungen mit Pilastergliederung im Chor (Platz für den Chor der Geistlichen, im Chor befindet sich u.a. der Altar) sind aus dem Anfang des 17. Jh.
Das geschnitzte Lesepult mit Astwerkdekor, von 1510 befindet sich auf der Mensa als Auflage der Bibel. Dieses Lesepult hat Martin Luther bei seinen hiesigen Predigten gedient, aber auch Magister Stifel bei seiner Weltuntergangspredigt 1533. Es ist damit das einzige greifbare Relikt aus der Zeit der Reformation in unserem Ort. 

ps_20161115181530Das Epitaphgemälde (Gedächtnismal für die Stifterfamilien) mit Darstellung der  Geburt Christi, in aufwendigem hölzernem Ädikularahmen (umrahmtes „Haus Gottes“, hier kleines offenes Giebelgebäude von geringer Tiefe), sowie Darstellung der Kreuzigung und Stifterfamilie, beides aus dem Anfang des 17. Jh. Die Darstellung der Auferweckung des Lazarus mit Stifterpaar stammt aus dem Jahr 1610.
ps_20161115182025ps_20161115182306Im Weiteren finden wir noch vier Pastorenbildnisse aus den Jahren 1688, 1713, 1760 und aus dem 19. Jh. Die älteren Pastorenbilder sind zurzeit nicht im Kirchenraum ausgestellt und bedürfen einer Restaurierung. Das Antependium (Altar) ist mit plastischer Stickerei eines Kruzifixes (plastische Darstellung Jesus am Kreuz – im Gegensatz zum Crux d.h. Kreuz ohne Leib Jesus), datiert mit dem Jahr 1685, geschmückt.
ps_20161112195424Zur weiteren erwähnenswerten Einrichtung gehören noch mehrere Barockstühle (sie stammen eigentlich aus den Logen), davon vier mit geprägten Lederbezügen.

ps_20161111205718Die Sitzordnung: Im Kirchenschiff sind 198 Sitze, Altarplätze 44, untere Emporkirche 17 und obere Emporkirche 13 Plätze, im Ganzen befanden sich in der Kirche 374 Sitzplätze plus der Stehplätze im Orgelchor,  in den Jahren 1794 – 1896.

ps_20161112182500Die Kirche ist ausgestattet mit einer 1910 von Rühlmann (Zörbig) erbauten pneumatischen Orgel (Unterteilt in Hauptwerk, Schwellwerk und Nebenzügen)  die als vorzüglicher dreitürmiger Orgelprospekt ausgeführt wurde. Die Orgel wurde 1996 von Rainer Wolter (Zudar/Rügen) restauriert.

ps_20161111205833Der Friedhof hinter der Kirche wird seit 1866 nicht mehr benutzt.  Wir finden dort eine Reihe von skulptierten Grabdenkmälern aus dem 18./19. Jh. Das Friedhofsportal trägt die Inschrift von 1708.

Historisches:

Die unmittelbar am Marktplatz gelegene Kirche ist eine der ältesten ev. Ortskirchen aus dem 16. Jh., die eine besondere Aufmerksamkeit am 19.10.1533 durch die Predigt des ‚Weltuntergangs‚ von Michael Stifel erlangte.

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Bernd Hopke

 

Quelle:
* Willi Eichler, Schriften zur ev. Kirche Annaburg, Privatbesitz
* Archiv der ev. Kirche, Kirchenbücher, Annaburg
* Edwin Kretzschmann, Ortschronist Annaburg, Ständeregister der ev. Kirche aus dem 17.Jh.,
* Autorenkoll., Dido Lexikon der Baudenkmäler, Sachsen-Anhalt
* Wilfried Koch, Baustilkunde, Orbis Verlag 1994
* www.orgelbau.net/organs/annaburg.htm