Waldeisenbahn

moderne Holztransporte 

Im August 1848 wurde die Eisenbahnstrecke Jüterbog—Herzberg fertig gestellt und dem Verkehr übergeben. An dem Teilstück Herzberg—Riesa wird noch intensiv gearbeitet, sie wurde daher erst am 1. Oktober 1848 eröffnet und übergeben. Damit zog der technische Fortschritt des industriellen Zeitalters auch in unsere Region ein. Dieses neumodische Verkehrsnetz wurde immer dichter.

Am 1. Januar 1874 wurde der Bau der Eisenbahnstrecke Wittenberg und Falkenberg in Angriff genommen. Annaburg soll selber Bahnstation werden. Die Strecke wurde am 15. Okt. 1875 in Betrieb genommen. Erst 1909 konnte die Strecke Jessen — Wittenberg zweigleisig befahren werden. Zweigleisig durch die Annaburger Heide, das dauerte noch eine Weile. Durch den Bahnanschluss in Annaburg entstanden hier, wie in vielen anderen Waldgebieten, Sägewerke in Bahnhofsnähe. Warum – weil jetzt andere Transportwege für das Holz vorhanden waren und diese Sägewerke näher am Wald billiger einkaufen konnten. Die Forstwirtschaft hatte mit dem Annaburger Bahnhof jetzt einen zentralen „Endpunkt“ an den die gefällten Bäume zu verbringen waren.  Seit 1836 wurden in der Annaburger Heide die „Jagen“ eingeführt. Sie sind das sichtbare Merkmal für eine beginnende nachhaltige Waldbewirtschaftung. Die damals Schlagweise aufgeforsteten Abteilungen waren nach 60 – 70 Jahren „Erntereif“ und konnten so auch Schlagweise „geerntet“ werden. Man suchte nun nach effizienten Transportmöglichkeiten um viel anfallende Holzstämme schnell aus dem Wald zum Endpunkt am Bahnhof zu transportieren. Hier wurde der Holzsammelplatz eingerichtet, von dem aus die Bahnverladung genauso wie die neuen Sägewerke bedient werden konnten.

Schon damals war klar, dass geschlagenes Holz schnell aus den Wald zu transportieren ist, damit sich hier im toten Holz keine Schadinsekten schnell vermehren können und dann auch die gesunden Bäume befallen. Der Abtransport muss schnell erfolgen.

In anderen größeren Waldgebiete, wo Holzscheitflößen oder treideln nicht möglich war, wurden schon seit dem 18. Jahrhundert einfache Pferdebahnen auf Holzschienen, ähnlich wie im Bergbau genutzt. Mit der Erfindung der Dampflokomotive und der stählernen Schienen fanden diese dann auch bald in der Forstwirtschaft Verwendung.Alternativ zur Regelspur kam hier als Waldeisenbahn die Schmalspurbahn zur Anwendung. Die Gleise waren schnell zu verlegen, weil sie durch ihr geringeres Gewicht keinen speziellen Unterbau benötigte. Das war möglich, weil das rollende Material (Waggons und Lokomotiven) kleiner und damit viel leichter (geringere Achslast) waren als bei der Regelspur. Außerdem erlaubten die kleinen Spurweiten engere Radien. Auch in der Annaburger Heide hält der „Fortschritt“ in Form einer Waldeisenbahn Einzug.Ab dem 01. April 1886 wurde durch die Forstwirtschaft die Annaburger Heide durch eine eigene Waldeisenbahn erschlossen. Auch hier kam eine Schmalspureisenbahn zur Anwendung. Der Endpunkt lag in der Nähe des Annaburger Bahnhof, um hier den eingerichteten Holzsammelplatz mit Baumstämmen zu beliefern oder direkt auf die Regelbahn umzuladen. Davor hatten sich die neuen Sägewerke angesiedelt, um von der Strecke aus direkt  bedient zu werden. Lokdepot (Reparatur und Wartung) und Versorgungseinrichtung (Bekohlung und Wasser) der Transportmittel erfolgte gleichfalls hier.  Während anfänglich die Hauptrasse entlang der Züllsdorfer Straße geführt wurde, erfolgte um 1900 die Verlegung entlang der Torgauer Straße. Hier wurde die „Hauptstrecke“ bis auf Höhe des Feuerwachturm geführt. Von der Züllsdorfer-, wie von der Torgauer Straße aus konnte mit dem transportabel Schienenmaterial der Streckenverlauf schnell den wechselnden Schlägerungsgebieten folgen.Das „aus“ folgte mit Beginn des 1. Weltkrieges, die Bahn wurde vermutlich requiriert als Heeresfeldbahn und an die Front verlegt. Nach dem 1. Weltkrieg wurde durch die staatliche Forstwirtschaft keine neue Waldeisenbahn mehr angeschafft. Sie geriet schnell in Vergessenheit und so verblieben nur die „Langholztransporte“ per Pferdefuhrwerk in der kollektiven Erinnerung der Annaburger Bevölkerung.

 

BERND HOPKE
ORTSCHRONIST

AnnaOffice©2021-01-23

 

 

Quellen
Otto Heintze: „Annaburg das Städtlein an der Heide“ Geschichtlicher Rückblick, aus gebundene Beilagen der „Annaburger Zeitung“ um 1930
Redslob, B „Familienchronik des Berhardt Redslob“, Annaburg, Familienbesitz
Autorenkollektiv: Forsteinrichtungsbücher, Ergebnisse der Standorterkundung, Teil I u. III, Institut für Forsteinrichtung und Standortserkundung Potsdam, Falkenberg/Elster 1956
Karte, Topographische Karte TK 4244 Schweinitz 1904; preußische Uraufnahme; Preußischer Kulturbesitz