Kleinbahnprojekt

Prettin Annaburger Kleinbahn 1902 – 1996


ps_20161126003037 1895 eine Bahn wird Projektiert

Am 20. April 1895 hielt in der kleinen Stadt Prettin in einer öffentlichen Versammlung ein Ingenieur aus Halle einen längeren Vortrag. Er war Eisenbahnbauingenieur und es ging um einen Auftrag den er leiten wollte. Es ist die eigentliche Geburtsstunde der Kleinbahnstrecken Annaburg-Prettin. In seinen Vortrag hob der Ingenieur, Herr Ferber ganz besonders hervor, daß diese Linie, gegenüber der zuerst aufgetauchten Idee, die Strecke von Prettin über Jessen nach Holzdorf zu führen, wesentlich billiger ausfallen würde. Statt 900.000 Mark würde die Linie Annaburg – Prettin nur etwa 300.000 Mark betragen, auch werde durch das neue Projekt die denkbar kürzeste Verbindung mit der Elbe und der Staatsbahn geschaffen. Mit ins Boot hatte der pfiffige Eisenbahnbauingenieur Ferber deswegen auch den Fabrikant Herrn Heckmann aus Annaburg zur Versammlung eingeladen. Denn das Annaburger Steingutwerk hatte durchaus ein wirtschaftliches Interesse an einer kurzen Eisenbahnanbindung an den bestehenden kleinen Elbhafen in Prettin. Damit konnten die Annaburger Erzeugnisse schnell und preiswert Hamburg erreichen. Die in allen Einzelheiten besprochene Rentabilitätsberechnung überzeugte die Anwesenden, sodaß von Fabrikant Heckmann aus Annaburg 100.000 Mark, von der Firma Orenstein und Koppel Berlin, welche die Gesamtlieferung des Oberbaus und folgenden Materials übernahm, ebenfalls 100.000 Mark vom ausführenden Ingenieur Herrn Ferber aus Halle 30.000 Mark sofort gezeichnet wurden.

Die beteiligten Gemeinden sicherten freien Grund und Boden, sowie Aktien in Höhe von 10 bis 20.000 Mark zu. Nach Erledigung der Grunderwerbsfrage konnte somit, da die Finanzierung stand, sofort mit dem Bau begonnen werden.

1900 Eine Bahn wird auch gebaut

ps_20161020130006Trotzdem zog sich der Bau für die kurze Strecke für damalige Verhältnisse sehr lange hin.

Das lag unter anderem auch daran, dass einer der Hauptaktionäre, der Fabrikant Heckmann wenig später seiner Steingutfabrik in Annaburg verkaufte und natürlich auch seine Aktien an der Annaburg-Prettiner Kleinbahn. Auch die Firma Orenstein und Koppel veräußerte ihre Aktien. Die dann folgenden Aktionäre gründeten am 7. Februar 1901 noch während des Baues die Prettin-Annaburger Kleinbahn AG. Mitbegründer und Hauptaktionär war die Firma Paul Löser & Co. in Berlin, die 77,4 % der Aktien übernahm. Das übrige Kapital besaß die Stadt Prettin.

Empfangsgebäude Bahnhof Prettin
Empfangsgebäude Bahnhof Prettin

Die Strecke wurde von der Prettin-Annaburger Kleinbahn AG am 15. Juni 1902 mit einer Betriebslänge von 12,05 km für den Güterverkehr eröffnet. Der Personenverkehr begann aber erst am 17. April 1903. Da die Strecke als normalspurig gebaut wurde betrug die Spurweite   1435 mm. In Annaburg an der Hauptbahn Wittenberg–Falkenberg/Elster lag der Kleinbahnhof Annaburg West rund 600 Meter vom Staatsbahnhof entfernt. Von hier führte die Strecke in westlicher Richtung bis zur Kleinstadt Prettin an der Elbe. Dort verband ein 1,7 Kilometer langes Anschlussgleis, das nur der Güterbeförderung diente, den Bahnhof mit dem Hafen an der Elbe.

ps_20161020100958
Auszug aus der Kreiskarte Torgau 1930

Strecke

 

    • km   0,0 Bhf. Annaburg West mit Anschluss an Hauptstrecke Wittenberg – Falkenberg
    • km   2,5 Hp. Eichenhalde
    • km   4,6 Hp. Naundorf (b Prettin)
    • km   6,9 Bhf. Plossig
    • km   9,7 Hp. Hohndorf
    • km 12,5 Bhf. Prettin
    • km 12,7 LadeSt. Anschlussgleis zum Hafen (1.700 m)

Neben dem Anschlussgleis zum Hafen in Prettin gab es in Prettin noch einen Gleisanschluß zur Emaillefabrik im Bahnhofsbereich von Prettin.

Im Bereich des Bhf. Annaburg West gab es das Anschlussgleis zur im gleichen Jahr fertiggestellten Samendarre, die nach einem Brand 1897 an diesem neuen Standort errichtet wurde.

Später, 1924 folgte im Bahnhofsbereich das Anschlussgleis an die Bahnmühle Annaburg und 1936 das Anschlussgleis an das Lufttanklager 2/III der Wirtschaftlichen Forschungsgesellschaft m.b.H (WiFo). Dieses Anschlussgleis zweigte gleich hinter der Samendarre von der Strecke ab. Dieser Bahnanschluss wurde aber durch die WiFo selbst bedient und nutzte nur die Gleisanlage der Prettiner Kleinbahn. 

ps_20161030175109
Bahnhof Annaburg West

Den Betrieb der Kleinbahn führte ab 12. Juli 1920 die Kleinbahnabteilung des Provinzialverbandes Sachsen in Merseburg, da zu dieser Zeit 95% der Aktien in Händen der Provinz Sachsen vereinigt waren. 1943 erfolgte dann die Umfirmierung der Eigentümergesellschaft in die Prettin-Annaburger Eisenbahn AG.

ps_20161126002908Zu Fahrbetrieb gehörte anfänglich eine gekuppelte Tender-Lokomotive von 1,435 m-Spurweite die No 379 die 1901 bei der Hohenzollern AG für Locomotivbau Düsseldorf für den Kleinbahnbetrieb auf der Strecke Annaburg – Prettin in Auftrag gegeben und gebaut wurde.

gueterwagen
Gedeckter Güterwagen für die Annaburger Kleinbahn

Die zweiachsigen Personenwagen 4. Klasse wurden als Betriebsmittel für Neben- und Kleinbahnen von 1435 mm-Spur für Prettin-Annaburger Kleinbahn 1912 beim Hersteller Wumag Waggon- u Maschinenfabrik Görlitz in Auftrag gegebne und gebaut. Nachfolger der ersten Dampflokomotive wurde die Tendnerdampflokomotive (Typ d, Bn2t, 1435 mm) die bei der Firma Hohenzollern AG Düsseldorf FaNr 1933 hergestellt wurde. Von den Einheimischen wurde diese Lok liebevoll „Laura“ genannt. Sie erhielt später die Einheitsnummer BR 89 6222 bei der Deutschen Reichsbahn. Für den Personentransport wurde Mitte der 1930er Jahre von Lindner und WUMAG ein Triebwagen gebaut. Diese Triebwagenbauart wurde durch die „Provinzialsächsischen Kleinbahnen“ in Auftrag gegeben und erhielten nach dem ersten Stationierungsort den Beinamen „Kleiner Wettiner“

ps_20161020100758
„Kleiner Wettiner“ der Annaburger Kleinbahn

Ein trauriges Kapitel

Über unseren Kleinbahnanschluss wurde auch der Gefangenentransport abgewickelt. Dazu wurde ein Gefangenenwagen fahrplanmäßig am Freitag von Dessau kommend, in Annaburg umgesetzt und mit „Laura“ nach Prettin gebracht. Dieser Gefangenentransport über unseren Kleinbahnanschluss erfolgte bis zur Schließung der Lichtenburg als Zuchthaus 1928. In der Zeit der NS-Diktatur wurde er von 1933 bis 1937 erneut in den Fahrplan aufgenommen, diesmal um dem KZ-Lichtenburg Personen zuzuführen.ps_20161121161858

Das rollende Material

ps_20161125205141
V 36

Im Jahre 1939 standen für das bescheidene Verkehrsaufkommen eine Dampflokomotive, ein Dieseltriebwagen, drei Personen-, ein Pack- und neun Güterwagen zur Verfügung. Zum Eisenbahnanschluss des Lufttanklagers gehörten noch ein Lokschuppen und eine werkseigene Diesellokomotive vom Typ V36.  Diese Diesellokomotive mit hydraulischer Kraftübertragung wurde als WR 360 C 14  im Auftrag der deutschen Wehrmacht ab 1936 in Serie gebaut. Nach dem Krieg verblieben unter anderem 40 Maschinen bei der Deutschen Reichsbahn. 

Werktags verkehrten 1944 täglich fünf Personenzugpaare, die nur die dritte Wagenklasse führten.

Noch im April, am 17.04.1945 wurde die Dampflokomotive BR 89 6222 „Laura“ von amerikanischen Jagdbombern der Armeefliegerkräfte zerschossen. Dabei kamen 3 Bahnangestellte ums Leben, Wilhelm Grau (Prettin), Wilhelm Hering (Gehmen) und Paul Krahlisch (Plossig). Die Dampflok musste ausgesondert werden. Deswegen erhielt die Annaburger Kleinbahn nach deren Verstaatlichung 1946 aus dem Bestand der Halle-Hettstedter Eisenbahn (HHE) die Güterzuglok Nr. 186 als BR 92 6482 zur Wiederaufnahme des Fahrbetriebes. Diese Lok verblieb bis zur Stilllegung der Strecke im Bestand.

ps_20161020100603

Nach der Verstaatlichung 1946 folgten zum Jahresbeginn 1947 die Sächsischen Provinzbahnen, am 15. August 1948 die Vereinigung Volkseigener Betriebe (VVB) des Verkehrswesens Sachsen-Anhalt und schließlich ab 1. April 1949 die Deutsche Reichsbahn der DDR.


Militärische Nutzung

ps_20161125230523Von der Bahnstrecke Pratau–Torgau zweigte bei Dommitzsch eine Strategische Bahn zur Elbe ab: Dort übte bis 1989 die NVA den pioniermäßigen Eisenbahnbrückenbau über die Elbe – es wurde die Herstellung der Verbindung zur Prettin-Annaburger Kleinbahn geübt. Der Brückenschlag wurde auf dem WUeP (Wasseruebungsplatz) Prettin, Postfachnummer 11893, Tarnname „Absagebrief“ geübt. Er war dem Ministerium für Nationale Verteidigung direkt unterstellt (im Gegensatz zum Truppenübungsplatz „Annaburger“ Heide).   Am Brückenbau waren Eisenbahnpioniere und Gleisbaubrigaden der DR zusammen beteiligte, durch folgende militärische Einheiten wurde der Brückenschlag durchgeführt:

    • Ausbildungsregiment Militärtransportwesen 13, der NVA;
    • Eisenbahnpionier-Ausbildungsregiment 2 (Doberlug-Kirchhain, NVA); 
    • 458. Eisenbahnbrückenbau-Bataillon (Annaburg) der sowjetischen Streitkräfte ps_20161125230340

Das Ende

Der Personenverkehr auf der Strecke wurde bereits am 27. Mai 1961 eingestellt. Der Güterverkehr wurde noch bis zum 27. Mai 1995 bedient.

Zuletzt war sie bei der Deutschen Bundesbahn unter der Kursbuchstrecke DR: 178q mit der Streckennummer (DB): 6828 verzeichnet. Die Stilllegung erfolgte zum 1. Juni 1996.

Die DB AG veräußerte die Stillgelegte Strecke an ein Recyclingunternehmen um sich des kontrollierten Rückbaues zu entziehen und Kosten zu sparen. Die Holzschwellen des Bahnkörpers stellen neben den Imprägniermitteln auch aufgrund von Rückständen aus dem Bahnbetrieb eine Gefahr für Gesundheit und Umwelt dar. Daher müssen Holzschwellen als gefährlicher Sondermüll betrachtet und entsprechend entsorgt werden. Das beauftragte Recyclingunternehmen entfernte nur die Eisenschienen und verschwand. Der Gleisschotter und die Schwellen blieben bis heute im Gleisbett liegen.

 

Bernd Hopke
Ortschronist

AnnaOffice©2016-05-18, zuletzt geändert 24.02.2021

 
Quelle
Internet unter:  http://de.wikipedia.org/wiki/Prettin-Annaburger_Kleinbahn/ Zugriff 09/2014