Syphilis in Lochau

Die ersten Syphilisfälle in Lochau (Annaburg)


Ab dem Jahr 1493, nach der Rückkehr Christoph Kolumbus von seiner Entdeckungsfahrt, fielen in den spanischen Hafenstädten Fälle einer neuartigen Erkrankung auf – der Syphilis. Sie breitete sich rasant aus. Wie schnell das schon damals ging, zeigt ein Blick in die Annaburger Chronik. In Annaburg, damals noch Lochau genannt, erfahren wir aus den Amtsrechnungen von 1497, dass hier zwei erkrankte Wagenknechte versorgt werden mussten, weil sie „dy new kranckheit“ hatten.

Untergebracht wurden sie in einer gesonderten Stube für „dy krancken an der frantzoße“. Bei „den Franzosen“ handelt es sich um die bereits erwähnte Syphilis, die diesen Namen bekam, als der französische König Karl VIII. mit einem zusammengewürfelten Heer seine Erbansprüche am Königreich Neapel 1494 in Italien durchsetzen wollte. Die italienischen Ärzte nannten in der Folge die vor allem durch Geschwüre auffallende Krankheit Franzosenkrankheit. Das Auftreten 1497 im abgelegenen Lochau belegt die schnelle Ausbreitung dieser vornehmlich sexuell übertragenen Krankheit. Keine vier Jahre nachdem die neue Syphilisvariante von den Seeleuten des Columbus eingeschleppt worden war, ist sie auch an den entlegensten Orten des Reiches schon zu finden. Sie zeigt uns die tatsächlich vorherrschende Sexualmoral, die sich völlig von dem kirchlichen vermittelten Bild unterscheidet.

Die reisenden Höfe scheinen neben den Söldnern an der schnellen Verbreitung keinen geringen Anteil gehabt zu haben, da unter den ersten Erkrankten meist Wagen- und Stallknechte zu finden waren. Bei ihren Versorgungsfahrten trugen sie vermutlich die Krankheit in die Frauen- und Badehäuser der Residenz- und Amtsstädte. Insofern verwundert es nicht, dass der sächsische Hof nicht nur die Erstellung von Traktaten zur neuen Krankheit, sondern auch deren Drucklegung förderte.

 

 

BERND HOPKE
ORTSCHRONIST

AnnaOffice©2022-05-25

 

Quelle:
Thomas Lang; Auszüge zum Jagdschloss Lochau aus dem Manuskript seiner Dissertation über die ernestinische Hofhaltung im ausgehenden Mittelalter im Übergang zur Neuzeit; unveröffentlicht 2022