Das frühere Reitzensteinsche Grundstück an der Torgauerstrasse in Annaburg, war in den Jahren von 1892 bis 1913 der Sitz des altbewährten Gemeindevorstehers Leutnant a. D. Franz Reitzenstein. Das Grundstück wurde am 27. Mai 1942 von der Stadt käuflich erworben. Im Besitz der Familie Reitzenstein war das Grundstück seit dem 1. Februar 1772.
An diesem Tag kaufte der Stammvater des Geschlechts, der Kurfürstliche Forstbedienstete tätig auf dem Naundorfer Revier, Heinrich Wilhelm Reitzenstein und seine Ehefrau Christiane Elisabeth geborene Wittin das Anwesen von dem bisherigen Altsassengutsbesitzer Johann Christian Köppe zum Preis von 1.500 Talern. Es umfasste die Breite von 79 Morgen, einen Hofgarten von 10 Morgen, 4 Langerückenstücken, 4 Schlößchenstücken, die große Wiese von 75 Morgen und 2 Burgwiesen von 21 Morgen.
Das alte Wohnhaus wurde wahrscheinlich 1716 erbaut und war einstöckig. (ist heute noch doppelstöckig vorhanden)
Das Grundstück war einer alten Karte von 1578 nach, der Forsthof des kursächsischen Forst- und Wildmeister und dass vermutlich schon zu Friedrich dem Weise seiner Zeit an. Ab dem 30ig-jährigen Krieg wissen wir, dass der Forst- und Wildmeister mit seinen Gehilfen das kurfürstliche Jagdschloss bewohnte. Das Grundstück des ehemaligen Forsthofes wurde nun nicht mehr benötigt. Es wurde vom Fiscus wie es dazumal hieß, nicht vergeben, sondern ohne Lasten (Frohndienste) verkauft.
(eingefügt nach jetzigen Erkenntnisstand)
Der erste Besitzer namens König hatte das Grundstück von der kursächsischen Regierung gekauft und war nicht leibeigen, sondern Freisasse. Aus diesem Grunde brachte er an der Frontseite des Hauses ein Schild an, das unter den kursächsischen gekreuzten Schwertern und der Rautenkrone die Inschrift trug:
„ Chur Fürstl Sächs Freyheit. Anno 1716 „
König, der auch Postmeister war, erhielt im siebenjährigen Kriege, „gegeben im Hauptquartier zu Strehla den 9. Oktober 1759„ von den Prinzen Heinrich von Preußen, dem Bruder Friedrich des Großen, einen Sauve-Garde-Brief, der ihn vor Einquartierungen, Erpressungen, und Plünderungen schützte.
Mit Erwerb des Grundstückes im Jahre 1772 war auch die Posthalterei verbunden, die bis zum Bau der Eisenbahnlinie Wittenberg-Falkenberg ( 1875 ) bestand hatte. Altsasse und Freigutsbesitzer Heinrich Wilhelm Reitzenstein übergab am 28. Dezember 1779 laut Kaufvertrag den Besitz an seinen einzigen Sohn, den Oberförster Johann Christoph August Reitzenstein und dessen Ehefrau Christine, Wilhelmine geborene Töpferin aus Annaburg. Johann, Christoph Reitzenstein vergrößerte sein Besitztum durch Zukauf.
Am 23 März 1832 ging durch Kaufvertrag und Nachträge vom 10. August 1835 der Besitz von seinen Eltern auf den Sohn Leutnant Franz August Reitzenstein über. Unter diesem dritten Besitzer erfuhr das Gut eine bedeutende Vergrößerung. Dieser dritte Besitzer hat zugleich den ganzen Hof mit seinen Wirtschaftsgebäuden umgebaut und ihm dabei eine vorteilhafte und schöne Gestalt gegeben. Nach einer auf der Gartenseite des Hauses eingemauerten Zahl „1851″ ist der Umbau festgehalten. Auch das verwitterte „Königsche Wappenschild“ wurde damals wie heute nach der Renovierung naturgetreu erneuert. Die in den folgenden Jahren vorgenommenen Umbauten oder Erneuerungen wurden ebenfalls mit den entsprechenden Jahreszahlen angebracht. ( nur die letzte Rekonstruktion ist nicht festgehalten)
Durch diesen neuen Besitzer wurde das Wohnhaus in Richtung Torgauerstrasse um 8 Meter verlängert und dem Haus ein weiteres Stockwerk aus Fachwerk aufgesetzt, was uns heute noch erfreut. Leider ist vom gesamten Besitz bzw. von den Gebäuden des Gutes, außer dem Wohnhaus nichts mehr erhalten.
Laut Vertrag vom 7. November 1872 wurde der Sohn des Besitzers, Karl, Franz, August Reitzenstein, Eigentümer des Gutes mit 384 Morgen. Dieser 4. Besitzer kaufte weiteres Land auf, und tauschte 210 Morgen 1872 durch Land des Fiskus aus, und kultivierte es.
Das Gut Reitzenstein hatte jetzt eine Größe von 615 Morgen erreicht. Da die Ländereien teilweise sehr weit auseinander lagen, ergaben sich für die Bewirtschaftung Nachteile durch Zeitverlust bei der Bestellung und Ernte.
Infolgedessen wurden dort wo jetzt Gertrudshof liegt, verschiedene Gebäude in Form von Scheunen erbaut. Mit der Einführung der Schafzucht entstand dort auch eine Schäferei. Am 10. Juli 1905 ging die Schäferei mit den dazugehörigen Gebäuden in der Größe von 105 Hektar an die Tochter Reitzensteins, Frau Marie Sophie Gertrud, verehelichte Oloff, durch Kaufvertrag an Sie über. An der Schäferei wurde ein neues Wohnhaus erbaut.
Von da ab führte der Besitz den Namen Gertrudshof. Am 12. April 1910 wurde Herr Richard Mederake neuer Gutsbesitzer. Seitdem haben die Besitzer von Gertrudshof viel gewechselt.
Nach 1945 kam die Bodenreform, und das Gut wurde an folgende Neubauern aufgeteilt :
Familie Münch, Scholz, Brade, Jänsch, Sährig, Schmidt und Reimann.
So war aus dem Gut Gertrudshof eine Neubauernsiedlung entstanden. In der weiteren Entwicklung in der ehemaligen DDR wurde es LPG( Landwirtschaftliche-Produktions-Genossenschaft).
In Gegenwart und Zukunft wird wohl die Siedlung im Volksmund den Namen „Gertrudshof“ behalten.