Naundorf auf den Ämterkarten
Im 18. Jahrhundert war die Herstellung von Landkarten und Atlanten, wie der Buchdruck, ein Gewerbe geworden. Dabei gehen die meisten bekannten Ämterkarten aus dieser Zeit auf Peter Schenk (1693-1775), der als Verleger und Kupferstecher aus Amsterdam, das „Königliche und Churfürstliche Säschsische Privilegio“ dazu besaß. Schon er hatte die Karten nicht selber aufgemessen, sondern griff auf bereits erstelltes Material zurück. Der 1678 in Augsburg geborene und dort wirkende Matthäus Seutter griff seinerseits auf dieses Material als Kartograf und Kupferstecher und Gründer der Druckerei und des Verlages Seutter zurück.
Er produzierte in großer Zahl Landkarten, Stadtpläne, genealogische Schaubilder und andere Motive. Viele seiner Karten sind buchstäblich von den Vorlagen anderer Kartographen „abgekupfert“, also Kopien. Dabei verfielen sie – wie ihre niederländischen Kollegen in den vorangehenden Jahrhunderten – der Nachlässigkeit. Ihre Karten waren nicht datiert, wurden immer wieder abgedruckt, so dass nach Jahren oder Jahrzehnten von aktuellen Karten keine Rede mehr sein konnte. So wurden Fehler meist nicht erkannt und in neueren Karten verfestigt.
Auch wenn diese historischen Karten eine Form der Darstellung historischer Sachverhalte sind, uns auch helfen die verschiedenen historischen Zusammenhänge zu erklären und sie daher auch ein solides Instrument der Regionalgeschichtsforschung darstellen – sollte man immer auch an ihre Schwachstellen denken und das Dargestellte im richtigen Kontext sehen.
Unsere Dorf-Chronisten aus den 70iger Jahren sind in den Besitz einer der vielen Nachdrucke aus dem ehemaligen Verlag von Mattheo Seutter gekommen, einer Ämterkarte aus unserer Region.
Dazu schrieben sie:
Unsere Heimat um 1750 (S. hierzu die Bildtafel in Reproduktion) Durch die Übergabe einer originalen "ACCURATEN GEOGRAPHISCHEN DELIMATION DERER CHURSÄCHSISCHEN ÄMMTER ANNABURG, PRETZSCH, TORGAU, SCHWEINITZ UND MÜHLBERG mit denen darzu Gehörigen Städten, Flecken, Dorfschafften, einzelnen Häusern, und angrenzenden Orthen” gewinnen wir einen Einblick. Das Kreisgebiet gehörte um 1750 zu den 4 chursächsischen Ämtern: Schweinitz, Annaburg, Pretzsch und Seyda. Das Amt Annaburg umfaßte außer dem großen Waldgebiet die Orte Annaburg, Purzien, Lebien und bildete einen Schlauch bis Kähnitzsch (Axien). Das westelbisch gelegene Amt Pretzsch reichte im Osten bis Kleindröben, Düßnitz und Gehmen. Die Grenze zwischen Seyda und Schweinitz zog sich von der Elstermündung ostwärts bis Gentha und Mügeln. 5 Städte waren wirtschaftliche Zentren. Schweinitz, Annaburg und Seyda Königliche Ämter. Annaburg eine Postwechselstation zwischen Herzberg und Pretsch - Mühlberg und Wittenberg. Wittenberg besaß ein Schloss. Schweinitz ein Diaconat (Amt, Wohnung eines Diakons (Geistlichen) ) Seyda Sitz der Superintentur. In Jessen ein Haupt Geleite (Hauptpostgeleit) ein Diaconat und eine Superintentur. Prettin besaß die Marktrechte, Schloß Lichtenburg, eine Hauptkirche mit Filialkirchen: Hohndorf, Labrun u. Lichtenburg. 4 Dörfer mit Rittergütern: Gentha, Hemsendorf, Clöden und Lichtenburg; 4 Vorwerke (hierunter soll wohl Vorwerke - abgetrennter Teil eines Gutes mit eigenen Wirtschaftsgebäuden - zu verstehen sein) Ruhlsdorff, Gorsdorff, Zwiesigcko (Gerbisbach) Kähnitzsch (Axien) und 3 einzeln gelegenen Vorwerge: Rettig, Maucken, Hauß— Jessen. Dem Besitzer der "ACCURATEN" war es aus der Ferne bereits möglich festzustellen, daß: Axien, Rade, Lindwerda usw. eine "Kneip Schenck”, Hohndorf, Lebien, Leipa, Purzien, Dixförda, Groß und Klein—Korch keine Lokalitäten oder anderes besaß. Dem Weine hingegen konnte nicht nur auf den "Königl. Weinbergen" in Jessen und den "Arnsdorffischen Bergen", sondern auch in Leipa und Klöden zugesprochen werden. Rauchwolken über Naundorf, Plossig, Zwiesigko, Battin, Schützberg, Klöden, Mügeln, Reiche, Löben und Arnsdorf wiesen auf eine Schmiede hin. Im 18. Jahrhundert scheint nur ein Teil des Getreides über die Windmühlen gegangen zu sein, da noch die Wasser- u. Schiffsmühlen in Überzahl. Schiffsmühlen in: Prettin und Klöden. Wassermühlen in: Gorsdorf, Grabo, Jessen, Schweinitz, Löben, am Neugraben bei Grabo, Annaburg und in der Annaburger Heide (Heyde Mühl) aus dem Kartenbild ersichtlich sind.. Orte wie: Hemsendorf, Schützberg, Axien usw. waren wohl nicht auf Straßen zu erreichen. Straßen nicht in unserem Sinne zu verstehen. Die Gewässer betrachtend, kann man fast den heutigen Verlauf feststellen. Ob man die Elbe bzw. die schwarze Elster trockenem Fuße überqueren konnte, kann nicht sicher festgestellt werden. Es ist aber anzunehmen, daß die Elbe mit Fahren (Furten) und die schwarze Elster zum Gegensatz auf Brücken zu überqueren waren. Übergänge bei Prettin, nahe Axien, Mauken, Klöden, Hemsendorf, Jessen, Schweinitz und Löben.
Soweit die damaligen Chronisten. Vielleicht sollte ich schon anmerken, dass sie damals das wesentliche dieser Karte nicht erkannt haben. Die Karte diente den Ämtern und bildete daher alles Wesentliche der jeweiligen Ämter ab. Bezogen auf die dort abgebildeten Wege, so waren es die Wege die für den sächsischen Staat von Bedeutung waren und für die es genau festgelegte (Fron)Arbeiten gab, die ihre Amtuntertanen zum Unterhalt dieser Wege leisten mussten. Hier waren vor allem die Brücken, Furten und Knüppeldämmen von Bedeutung. Das traf auch auf die Schmieden und die Mühlen zu – sie waren Amtschmieden und Amtmühlen – die entsprechend dem Amt Zinsbar waren. Das gleiche trifft auf die Gastwirtschaften zu, auch sie waren dem Amte zugehörig, haben vom Amt ihr Schankrecht erhalten und mussten entsprechende Abgaben leisten. Mit den Vorwerken verhält es sich ähnlich – diese waren landwirtschaftliche Güter im kurfürstlichen Besitz. Das Hauß Jessen hingegen war nichts anderes als das noch im kurfürstlichen Besitz befindliche Schloss Jessen – dem heutigen Verwaltungssitz.
Man kann diese Karten auf Google-Earth ins hier und heute transformieren, damit kann man dann den einen oder anderen geschichtlichen Zusammenhang besser verstehen. Auch werden dann einige Zusammenhänge klarer erkennbar. Ich möchte diese Karte jetzt hier nicht weiter interpretieren, darum geht es mir auch nicht. Diese Beispiele sollen nur aufzeigen, dass solche alten heimatgeschichtlichen Quellen immer nur das Wissen ihrer Zeit wiedergeben können. Genauso wie die alten Zeitungsartikel von regionalen Heimatforschern. Sie sind keine Quellen, sie können maximal eine Sekundärquelle abgeben wenn es zum Thema keine anderen Informationen gibt. Trotz allem habe ich Hochachtung vor all den Menschen die in der Vergangenheit in unserer Region gewirkt haben und meist in ihrer Freizeit mühselig das Wissen über unsere regionale Vergangenheit zusammengetragen haben und damit für uns ein Stück Identität bewahrt haben.
BERND HOPKE
ANNABURGER ORTSCHRONIST
AnnaOffice©2024-10-12
Quelle:
Zweite Chronistin Magda Miething; Chronik der Gemeinde Naundorf; 70iger Jahre, abschriftlich B. Hopke 2024-02-15;
Matthäus Seutter; Ämterkarten – Amt Annaburg; um 1700; Wikipedia unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Matth%C3%A4us_Seutter; Zugriff 04/2024;
Peter Schenk; Ämterkarte Amt Annaburg um 1700; Wikipedia unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Schenk_der_J%C3%BCngere; Zugriff 04/2024