– spät erwachte
aus dem Liebesleben eines Kurfürsten
Als Statthalter weilte der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise um 1500 mit 37 Jahren (Kurfürst Friedrich III. 1463-1525) in Nürnberg. Bis zu diesem Zeitpunkt hoffte er schon viele Jahre vergeblich auf die Hand der einzigen Tochter des späteren Kaisers Maximilian I., Margarete von Österreich (1480-1530). Diese war aber absolut nicht bereit, ihn zu ehelichen. Deswegen beschloss Friedrich III. schließlich nur noch seinem Herzen zu folgen. Nach Nürnberg verschlug es ihm zum ersten „Reichsregiment“ einer Reichsregierung, die neben dem Kaiser mit Sitz in Nürnberg entstand. Als Statthalter von Maximilian hatte er den Vorsitz inne. Eigentlich könnte er als Stellvertreter des Kaisers auf der Nürnberger Burg, hoch oben residieren, aber er zog es vor mit seinesgleichen unten in der Stadt zu logieren. In diesen zwei Jahren, (das „Reichsregiment“ hatte nur zwei Jahre Bestand), wohnte er bei der Barbara Volckamer (†1521). Sie gehörte einer einflussreichen und wohlhabenden Patrizierfamilie an, die durch den Gewürz- und Tuchhandel zu Wohlstand kam. Später waren sie auch im thüringischen Bergbau tätig. Weitaus stärker als im Handel und Montanbereich traten die Volckamer jedoch im diplomatischen Dienst für Nürnberg hervor.
Nürnberg war eine Stadt mit Gassen und Gässchen, Kopfsteinpflaster und Butzenscheiben, gelegen zwischen Kiefernwäldern in sandiger Gegend, die nicht gerade für ihre blühende Landwirtschaft berühmt war und auch über keine Bodenschätze verfügte. Ihre größte Attraktion bestand in einem fünfzig Meter hohen Sandsteinfelsen auf der die Burg stand. Dieses Nürnberg mit seinen 40.000 Einwohnern war die zweitgrößte Stadt im damaligen Deutschland, nur Köln hatte mehr Einwohner. Keine andere Stadt verfügte über ein ähnlich großes Territorium. Damals war sie eine europäische Metropole, ein politisches, wirtschaftliches und kulturelles Zentrum.
Was Friedrich und Barbara so in Nürnberg vereinigte, dass der Kontakt über 10 lange Jahre nicht wieder abriss, sogar als Friedrich 1506 heiratete, darüber schweigen die alten Akten.
Vergessen hat Friedrich seine Barbara jedenfalls nicht. Er lud sie ein nach Sachsen zu kommen. So reiste die Nürnberger Patrizierin dann auch 1509 mit mehreren Mägden nach Sachsen und besuchte Friedrich den Weisen in seinem Wittenberger Schloss. Lange ist sie nicht geblieben, aber als die Volckamerin wieder nach Nürnberg zurückreiste, blieben zwei Nürnberger Mägde zurück: Christina und Barbara. Diese Mädchen waren zu dieser Zeit erst 8-9 Jahre alt.
Untypisch für den sächsischen Hof erhielten sie Zugang zu den kurfürstlichen Gemächern. Dort fertigten sie Federbetten, fütterten die Vögel in den Käfigen, halfen in der Küche aus oder trugen duftende Pflanzen und Sträucher zum Jagdschloss Lochau (heute Annaburg). Wagenknechte fuhren sie an das Haupthoflager, zu den Leipziger Messen oder nach Nürnberg. Dafür erhielten sie nicht nur Kost und Logis, sondern auch Hofkleider, Kramwaren und einige Gulden aus den Wittenberger Geleitseinnahmen und der fürstlichen Schatulle. Besonders fürsorglich bemüht war der fürstliche Kämmerer Degenhart Pfeffinger, der hierbei immer im Vordergrund stand. Während andere Mägde nicht einmal namentlich genannt werden, ist für Christina belegt, dass sie gelegentlich mit zur Verfügung gestellten Wagenknechten bis nach Nürnberg reiste, regelmäßig einige Gulden Trinkgeld sowie kleinere Geschenke bei ihren Einkäufen auf der Leipziger Messe aus fürstlichen Kassen erhielt.
Sie wird häufig – ohne weiteren Zusatz – in den Listen der Schlossküche an erster Stelle genannt. Derartige namentliche Nennungen waren sonst nur für Fürstinnen üblich. Für 1512/13 belegt die Amtküchenrechnung, dass Christina vor Ort blieb, während Barbara an- und abreiste. Ein Jahr später hielt sich Christina überwiegend in Torgau und Lochau auf, während Barbara in Wittenberg in der Nähe von Pfeffinger verblieb. Pfeffinger war es dann auch, der 1513 erstmals befahl, dass die Bettmägde und insbesondere Christina ein Hofgewand erhielten. Ab 1514 ist ein Chorschüler namens Jürgen/Georg als Diener von Christina benannt. 1515 erscheinen bei Spalatin, der als Hauslehrer fungierte Bastel, sein Edelknabe, Christina und ihr Diener (Jürgen) in den Wittenberger Speiselisten. Mit den Namensbelegen Torgauer Namensvarianten können wir Jürgen als „Georgius Kolemar de Kelam“ (also aus Kelheim) identifizieren, der sich 1509/10 in Wittenberg immatrikulierte und 1515 zum Bakkalar promoviert wurde. Zu dieser Zeit führten die Hofakten Christina und ihren Diener Jürgen noch als „Cristina, Jurge Churschuler ir diner„. 1516 hat es offensichtlich zwischen Christina und Jürgen gefunkt. Pfeffinger ordnet ihre Hochzeit an und die wird auch schon im Januar 1517 zwischen Christina und Jürgen gefeiert. Das dafür nötige Geld, gebratene Schweine, Hühner, Bier, Hechte etc. sogar Gläser stellte die Schlossküche. Bald darauf reisten Christina und ihr Mann (so meist die Reihenfolge) nach Torgau.
Auf zwei Wagen fuhr der Kornschreiber und Knechte den Hausrat und die beiden Eheleute in die neue Heimat. Jürgen in Torgau als Keilhammer oder Kelheimer bezeichnet, stieg in Rekordzeit vom Amtschreiber 1517 zum Amtschösser in Torgau 1519 auf. Damit verwaltete Jürgen die Besitzungen des Kurfürsten um die Stadt. Dann 1527 wird er erstmals zum Bürgermeister der Stadt Torgau gewählt. Christina indes erhält auch weiterhin Geschenke vom Hof und reiste gelegentlich nach Lochau und Wittenberg. Im Schmalkaldischen Krieg 1547 opponierte Georg Kehlheimer gegen die Besetzung Torgaus durch Herzog Moritz, was ihn letztlich seine Stellung als Bürgermeister kostete. Christina hat ihren Mann um einige Jahre überlebt und wohnte noch 1577 als vermögende Witwe (die Georg Keylhammerin) mit mehreren Bediensteten im gemeinsamen Haus an der Leipziger Straße. Wir gehen heute davon aus, dass Christina 1500/01 in Nürnberg geboren wurde. Also in jenen Jahren, in denen der Kurfürst als Statthalter zu Nürnberg sich dort aufhielt und im Haus der Barbara Volckamer wohnte. Daher nehmen wir auch an, dass Christina Kurfürst Friedrichs erstes illegitimes Kind gewesen ist, vielleicht sogar Barbaras Volckamer leibliche Tochter.
BERND HOPKE
ORTSCHRONIST
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Quelle: Thomas Lang; Auszüge zum Jagdschloss Lochau aus dem Manuskript seiner Dissertation über die ernestinische Hofhaltung im ausgehenden Mittelalter im Übergang zur Neuzeit; unveröffentlicht 2022