Hier wird in loser Folge über älteres und neueres Gewerbe aus der Stadt Annaburg berichtet. Dabei halte ich mich nicht an die heutige Definition des „Gewerbes“ – da auch „freie Berufe“ hier mit aufgeführt sind. Im wesentlichen handelt es sich aber um das Gewerbe der „Neuzeit“, d.h. es wird über das Gewerbe berichtet welches sich mit der industriellen Revolution in Annaburg etablieret hat. Es wird aber kein Wert auf Vollzähligkeit gelegt, deshalb sind alle „Annaburger“ natürlich aufgerufen die Lücken die es in Zeiten „personenbezogener Daten“ und „Datenschutz“ geben muss zu füllen.
Das „Gewerbe“ einer Stadt war der Versorger der Stadt und seiner näheren Region, der umliegenden Dörfer. Es gehörte zur notwendigen Infrastruktur einer Stadt um in der industriellen Zeit die „Arbeiter“ der Fabriken zu versorgen. Der Bauer war im wesentlichen wirtschaftlich autark – musste nur wenig dazukaufen. Das verlor sich erst nach dem 2. Weltkrieg. Der Industriearbeiter hingegen musste alles irgendwie käuflich erwerben was er zum Leben benötigte. Damit entstanden Gewerbe die es in vorindustrieller Zeit auch gar nicht gab – wie den „Tante Emmaladen“, den Lebensmittelhändler, Wirtschaftswaren, Drogerien, Kolonialwarenhändler usw.. Andere Handwerker änderten ihre Produktpalette. Das traf vor allem jene die einst für die Sicherstellung des „Jagdbedarfes“ zuständig waren, wie Waffenschmiede, Seiler, Böttcher, Sattler, Tischler, Tuchmacher usw. Eine weitere Besonderheit war nun, dass die „Gewerbetreibenden“ im wesentlichen bestimmten was es in der Region zu kaufen gab. Also auch wie man sich kleidete, was es zu essen gab, usw.. Ich gehöre noch zu der Generation die diese regionale „Besonderheiten“ kennenlernen durfte. Hier in Annaburg erinnere ich mich an ein Gespräch mit Eberhard Förster, er erzählte mir von Frau Frieda Waisch, Putzmacherin für Hüte – die ihr Geschäft in der Torgauer Straße hatte, da wo heute die Fahrschule Letz ihren Sitz hat. Sie fuhr jeden Freitag mit dem Zug nach Leipzig, „Geschäftsreise“ wie er sagte und kam dann mit den Hutschachtel zurück – deren Inhalt ihren Laden dann bereicherte. Sie kaufte defacto für ihre Kunden ein und bestimmte in ihrer Zeit damit welche Hüte hier getragen wurde. Um uns einen Eindruck über diese ehemalige Vielfältigkeit der Annaburger „Gewerbetreibenden“ zu machen greifen hier auf Material zurück, welches Eberhardt Förster im Vorfeld für das Filmmanuskript „Torgauer Straße“ und „Mark“ angefertigt hatte. Das ergänzen wir mit Material von Edwin Kretzschmar ehemaliger Ortschronist und Hannes Quinque ehemaliger Mitarbeiter der MZ (Mitteldeutsche Zeitung).
Bernd Hopke
Ortschronist