Der Weltuntergang

Michael Stifel in Lochau

ps_201511221728201Am Vorabend des 19.Oktober 1533 spielten sich im sächsischen Lochau dramatische Szenen ab: Ein Bauersmann ermordet aus Furcht vor dem göttlichen Strafgericht erst seine Familie und nimmt sich dann selbst das Leben. Eine Frau gräbt mit den bloßen Händen ihren verstorbenen Mann aus seinem Grab, um ihm bei der Auferstehung zu helfen. Schon vorher hatten viele Haus und Feld verkauft und das Geld verprasst, um es sich vor dem Weltende noch einmal richtig gutgehen zu lassen. Bis aus Schlesien und der Mark Brandenburg waren Menschen gekommen, um bei Stifel zu beichten und in Lochau unterzugehen. Auch Pfarrer Michael Stifel verschenkte Haushaltsgerät und Bücher.

Am 19. Oktober waren in Lochau viele Leute versammelt, denen Stifel schon am Tage vorher die Beichte abgenommen hatte, um sie auf den Tag des Jüngsten Gerichts vorzubereiten. Um 7.00 Uhr hielt der Prophet von Lochau noch einmal Gottesdienst und Kommunion und erwartete dann mit seinen Gläubigen den für 8.00 Uhr vorhergesagten Weltuntergang mit den Worten

 „Der Herr wird kommen, kommen, kommen“.

Doch statt himmlischer Heerscharen kamen die Büttel des Kurfürsten. Sie verhafteten den Pfarrerpropheten und schafften ihn in einem Wagen nach Wittenberg. Damit retteten ihm sie womöglich das Leben. Gut vorstellbar, dass diejenigen Lochauer, die angesichts des ausgebliebenen Weltuntergangs nun ohne Hab und Gut dastanden, Mordgelüste empfanden.

Jeder Annaburger kennt wohl diese Geschichte über Pfarrer Michael Stifel. Doch versetzt man sich mal in die Zeit zurück, ist es schon sehr erstaunlich, dass ein kleiner Pfarrer, der nur fünf Jahre in unserem Städtchen gelebt hat, solch eine Aussage machen, dann auch noch Gehör finden konnte und unvergessen bleibt. Wie kam es wohl dazu? Nun er war ein enger Freund Luthers und hat den Erkenntnisweg Luthers nicht nur mit verfolgt, sondern auch mit durchdacht und Schriften dazu verfasst. Auch er hat die Bibel studiert und die dortige Verkündigung des Jüngsten Gerichts hat ihn ebenso wie Luther, Melanchthon und andere Gelehrte seiner Zeit sehr beschäftigt. Ja, er sah Luther sogar als Engel der Apokalypse, denn er schrieb im Frühjahr 1522: „Johannes thut uns schreiben von einem Engel klar, /Der Gottes wort soll treiben ganz luther offenbar…“ Doch wollte er die dortige Johannes-Offenbarung eben auch noch von einer anderen Seite betrachten- von der mathematischen. Es war die Zeit, in der die Menschen begannen die Welt zu erforschen, sich fragen stellten und die Antworten selbst finden mussten. Sie lechzten nach Erkenntnis. Wer nicht fragt – kriegt keine Antwort, wer nichts macht, macht nichts falsch. Doch das bringt uns nicht vorwärts.

Nun für Stifel ging die Sache gut aus, er bekam schon bald eine neue Pfarrstelle, konnte seine mathematischen Studien weiterbetreiben und bekam am Ende sogar noch eine Professur für Mathematik in Jena. Doch auch dort wurde er noch an seine Lochauer Prophezeiung erinnert, wenn die Studenten sangen:

„Stifel muss sterben, ist noch so jung…“.

Marktplatz, Stifeldenkmal
Marktplatz, Stifeldenkmal

 

(Übernommen vom Amtsblatt der Stadt Annaburg)

Quelle

  • Countdaown 2017, Michael Stifel in Lochau; Annaburger Amtsblatt Nr.: 06 vom 14.06.2016