Fritzsches Laden

Kolonialwarenhandel des Johann Gottlieb Fritzsche


Als Sohn einer Bauernfamilie wurde Johann Gottlieb Fritzsche am 19. Dezember 1872 in Buschkuhnsdorf geboren. Seinen Eltern gehörten etwa 100 Morgen landwirtschaftlicher Nutzfläche. Er hatte sechs Geschwister. Seine Frau, eine geborene Pinitz aus Axien, kam ebenfalls aus einer bäuerlichen Familie und verstarb sehr jung 1929.
Johann Gottlieb Fritzsche erlernte im damaligen Kolonialwarengeschäft und in der Gaststätte bei Hollmigs, jetzt Gaststätte „Goldener Anker“, den Beruf eines Kaufmanns. Die Lehre dauerte dreieinhalb Jahre. Nach deren Abschluss ging Fritzsche, wie es damals üblich war, auf die Wanderschaft durch Deutschland, war unter anderem als Reisender für Weißwaren und Spitzen tätig. Nach seiner Rückkehr gründete er in Annaburg ein Gemischtwarenladen – einen eigenen Kolonialwarenladen.

Als Kolonialwaren wurden früher, besonders zur Kolonialzeit, überseeische Lebens- und Genussmittel, wie z. B. Zucker, Kaffee, Tabak, Reis, Kakao, Gewürze und Tee bezeichnet. Kolonialwarenhändler importierten diese Produkte, die in Kolonialwarenläden und -handlungen verkauft wurden. Der Kolonialwarenhandel wurde statistisch vom Produktenhandel und vom Manufakturwarenhandel abgegrenzt. Bis in die 1970er Jahre wurde der Begriff Kolonialwarenladen noch verwendet. Sie boten zwar keine Kolonialwaren mehr an, jedoch alle Grundnahrungsmittel, unabhängig vom Herkunftsland, daneben auch Seife, Waschmittel, Petroleum und anderen Haushaltsbedarf. Er entsprach dem Tante-Emma-Laden in Deutschland oder der Schweiz. Die Bezeichnung ist noch im Namen des in Deutschland weit verbreiteten Einzelhandelsverbandes Edeka zu finden (Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler im Halleschen Torbezirk zu Berlin – kurz E. d. K.).

Dazu hatte er 1907 nach seiner Lehre zum Kaufmann und der anschließenden Wanderschaft ein Grundstück in der Torgauer Straße, Ecke Friedensstraße gekauft. Abriss und Neubau geschahen bis 1908. Johann Gottlieb Fritzsche und später sein Sohn Siegfried Fritzsche handelten mit Lebensmitteln, Getränken, Eisenwaren, Farben und Lacken sowie vielem anderen mehr. Eine Spezialität war die Herstellung bestimmter Annaburger Schnapssorten, wie Kräuterliköre.
Die Rezepturen kamen aus der Hollmigschen und der damaligen Mutter Anna’s Schnapsbrennerei oder wurden nach eigenen Ideen kreiert. Zudem wurden Weine gekeltert und Kaffee geröstet. Am 4. November 1912 wurde in Halle Sohn Siegfried geboren. Er erlernte in Genthin ebenfalls den Beruf eines Kaufmanns und ging wie sein Vater auf Wanderschaft. Dabei war er in Berlin in verschiedenen Branchen tätig, um sein berufliches Wissen zu vervollkommnen.
Wieder nach Annaburg zurückgekehrt, arbeitete er im Geschäft seines Vaters. Mitten im Zweiten Weltkrieg heiratete Siegfried Fritzsche Ruth Jäckel. Sie stammte aus Westpreußen. Ihre Eltern hatten 1936 das Gut „Gertrudshof’“ mit rund 500 Morgen dazu gehörendem Land erworben. Im Jahr der Eheschließung wurde der erste Sohn Bernd geboren, der sich heute in Erfurt der Geologie widmet und Doktor der Naturwissenschaften ist. Sein Bruder Wieland erblickte 1948 das Licht der Welt. Als Elektronik-lngenieur ist er in Chemnitz beschäftigt.
1952 übernahm Siegfried Fritzsche das Geschäft seines Vaters, der vier Jahre später verstarb. Auf Wunsch des Inhabers wurde das Gemischtwarengeschäft 1961 mit Beteiligung der Handelsorganisation (HO) zum Kommissionshandel. 1978 musste Siegfried Fritzsche aus Altersgründen seinen Laden aufgeben, da beide Söhne in eine andere Richtung entwickeln hatten. Die HO übernahm den Laden und handelt dort mit Werkzeug- und Gartenartikel.
Die „Wende“ überlebte auch dieses Geschäft nicht. Nach langem Leerstand kaufte Bäckermeister Käpernick Laden, Haus und Grundstück und richtete darin sein Ladengeschäft mit Cafe im Wiener Design ein.

Bernd Hopke
Ortschronist

Quellen:

Edwin Kretzschmar, Vom Kräuterlikör bis hin zu Eisenartikel
Wikepedia unter https://de.wikipedia.org/wiki/Kolonialwaren; Zugriff 2020