Georg Wilhelm Seyler

Ortspfarrer der evangelischen Gemeinde von Annaburg im 19. Jh.

Georg August Wilhelm Seyler (02.06.1800-17.01.1866) wurde in Celle am 2. Juni 1800 als einziger Sohn der zweiten Ehe des Apothekers Abel Seyler und seiner Gattin Caroline Kügel (älteste Tochter des Professors Klügel aus Halle)  geboren.  Seine Familie gehörte der sozialgeschichtlichen Einordnung nach zum liberal gesinnten Bildungsbürgertum. Neben evangelischen Pfarrern zählten dazu Ärzte und Apotheker, Rechtsanwälte, Lehrer und Beamte.
Seine Jugend verlebte er im Dorfe Wennigsen bei Hannover, wohin sein Vater im Jahre 1804 sich zurückgezogen hatte. Nach dessen Tode 1805 lag die Erziehung des Sohnes und seiner ältesten Halbschwester bei der der Mutter, die, eine wissenschaftlich hochgebildete Frau, welche u. A. mit der Familie des Weltumseglers Forster im Kontakt stand. Sie, u.a. auch eine gute Hausfrau verstand es ihre Kinder zeitgemäß zu erziehen, unterstützt auch vom biedern Ortsgeistlichen Ruperti. Später zog sie nach Halle, wo sie nach ihres Vaters Tod 1812 an ihrem Schwager Prof. Jacobs und der Familie des Kanzlers Niemeyer (Georgs Palhen) treue Stütze hatte. Vor den Drangsalen der Franzosen floh sie nach Wolfenbüttel, wo Georg die Prima des Gymnasiums besuchte, und ging später nach Halle zurück, wo der Sohn als Schüler des Pädagogiums durch Jacobs und anderer Freunde Einfluss besonders erwärmt wurde für die klassisch-belletristische Literatur (besonders Goethe und Shakespeare). Von 1819 ab studierte er Theologie in Göttingen und Halle, trat nach seiner Promotion in das Seminar zu Wittenberg und wurde Heubners Nachfolger im zweiten Diakonat (1825). Er schloss sein Studium als Dr. Phil. ab und kam im Jahre 1838 nach Annaburg, hatte aber das Unglück, in Folge von Blattern-Ansteckung fast völlig zu erblinden und später (1845) auf den, Filialweg einen Fuß zu brechen und durch dabei erlittene Erkältung sich ein krampfhaftes Zittern zuzuziehen. Im Jahre 1863 erfolgte seine Emeritierung. 
Seine Gattin war Klara Hoppe, die Tochter des Superintendenten Hoppe in Freyburg an der Unstrut, mit der er von 1826 an 34 glückliche Jahre verlebte, und für deren frühverwaiste 10 Geschwister er ein zweiter Vater war. Sein Schwager war der Pastor und Superintendenten Ernst Hoppe aus Freyburg. 
Die Seylers selbst kinderlos nahmen nach dem frühen Tode des Schwagers und seiner Ehefrau deren Kinder Amanda (die später eine Kinderbuchautorin wurde) und Ernst Felix Immanuel (er wurde als Hoppe-Seyler ein namhafter und international anerkannter Gelehrter der Biochemie und Molekularbiologie) in ihren Hausstand in Annaburg auf.
Bemerkenswert daran ist vielleicht noch die Tatsache, dass Ernst Felix Immanuel das Patenkind von Friedrich Ludwig Jahn (1778 – 1852) war.
Obwohl die konkreten Lebensumstände im Hause des Dr. Seylers der historischen Forschung bislang nicht offen liegen, so kann doch davon ausgegangen werden, dass dort ein durch protestantisch-bürgerliche Ideale geprägtes geistiges Klima herrschte. Die wenigen Hinweise auf die Persönlichkeit des Dr. Phil. Seyler deuten daraufhin, dass auch er dem bürgerlichen Bildungsanliegen sehr verpflichtet war und sich im Sinne einer umfassenden Bildung um seine Adoptivkinder genauso wie um die Heranwachsenden in Annaburg bemühten. Hervorgehoben wird in diesem Zusammenhang stets ihre Vorliebe für neuere Sprachen, für die sich auch ihr Adoptivkind sehr begeistert haben soll. Als Ausdruck des bildungsbürgerlichen Klimas, das dem Geist der Zeit entsprach, kann auch die spätere Profession der Schwester Amanda Hoppe-Seyler gewertet werden, die als Kinderbuchautorin erfolgreich war.
Beide Kinder wurden von der kinderlos geblieben Familie Seyler 1864 adoptiert und führten von da an den Doppelnamen Hoppe-Seyler.

Angeregt durch die Bildungsreise von Friedrich Fröbel, dieser weilte von 26.11.- 18.12.1845 als Gast bei Leonhard Woepcke dem Schlossprediger und Schulinspektor des Militär-Knaben-Erziehungs-Institutes, setzte er sich für die Errichtung eines „Bürgerkindergarten“ in Annaburg ein. Die Zusage des Kirchenrates konnte der evangelische Ortspfarrer Dr. Seyler am Sonntag den 14.12.1845 frühmorgens in der Ortskirche dem Friedrich Fröbel mitteilen.
So entstand der Bürgerkindergarten in Annaburg als einer mit der Ersten in Deutschland unter Mitwirkung von Friedrich Fröbel auf Betreiben von Pfarrer Dr. Seyler. Als Örtlichkeit diente vermutlich das ehemalige Schulgebäude links neben dem Pfarrhaus. In diesem Bürgerkindergarten ging es in erster Linie um die Vermittlung kindgerechter Bildungsinhalte. Durch Spielen lernen, dass war der Hauptzweck dieser Einrichtung. Das war es auch was Pfarrer Dr. Seyler wollte. Diesem Ziel diente wohl auch das auf Initiative des Ortspfarrers Dr. Seyler 1838 zum ersten Mal durchgeführte Annaburger Schulfest, welches daraufhin jährlich auf dem Anger hinter der Mühle gefeiert wurde. Sicherlich gab auch dieses „Kinderfest“ mit seinen organisierten Kinderspielen, und die Freude der vielen Annaburger Kinder darüber den Ausschlag für die Errichtung des „Bürgerkindergartens“ in Annaburg. Leider hatte dieses Einrichtung keinen langen Bestand. Am 07.08.1851 erfolgt in Preußen das Ministeriale Verbot aller Kindergärten. Davon war natürlich auch der 1. Bürgerkindergarten nach seinem fünfjährigen Bestehen hier in Annaburg betroffen.

Die Weiterführung des jährlichen Schul- und Kinderfestes jedenfalls versuchte Pfarrer Dr. Seyler über seinen Tod hinweg zu sicher, dafür wurde eine Stiftung eingerichtet. Nun dieser Wunsch ging jedenfalls in Erfüllung, zumindest in Form des jährlich stattfindenden „Schloss- und Heimatfest“ in Annaburg. Auch wenn dabei das „Spiel“ der Kinder nicht mehr so im Vordergrund dabei steht.

Bernd Hopke
ortschronist

Quellen
Diplom-Biochemikerin Anja Vöckel, “Die Anfänge der physiologischen Chemie: Ernst Felix Immanuel Hoppe-Seyler (1825-1895) Dokterantenarbeit TU-Berlin 2003
http://www.freyburg-info.de/persoenlichkeiten_inh.html Zugriff 06/2008
Friedrich Uhlig, Schneidermeister der Stadt Annaburg und ehemaliger Institutszögling, Nachrichten von 17.Juni 1841, aus dem Kirchknopf der evangelischen Stadtkirche, Annaburger ev. Kirchenarchiv 
Akten der Seyler-Stiftung, abschriftlich von Eberhard Förster, Annaburg 2012; Privatarchiv

 

 

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