Hochwasser

vom Hochwasserschutz an der Elbe


Wie ich dass unter der „Schwarzen Elster“ schon ausführlich beschrieben habe, gilt auch für die Elbe in unserer Region – ein vergleichsweise niedriges Gefälle. Das führte im Zusammenhang mit den früher ausgeprägten Elbschlaufen zu verheerenden Hochwasserüberflutungen in der geschichtlichen Vergangenheit. In uralter Zeit konnte man vom Elbstrom im engeren Sinne noch kaum sprechen. Wir müssen uns da vielmehr ein Gewirr von zahllosen größeren oder kleineren Wasserläufen vorstellen, die – im Westen und Osten jeweils von den natürlichen Bodenerhebungen eingegrenzt – sich ihren Weg durch die Wildnis des Urwaldes suchten, der damals unsere Gegend bedeckte. Das Wasser sammelte sich in den Bodensenken und stieg durch Schnee schmelze, Regenfälle und Zuflüsse so hoch, bis es sich an irgendeiner Stelle einen Durchbruch erzwang und abfließen- konnte. So entstanden nach und nach die Flussläufe als ganz zufällige Gebilde, die jederzeit ihre Richtung ändern konnten, wenn sie auf ein Hindernis trafen. Da sie ihrer Natur nach breit und flach waren, war schon ein umgestürzter Baum geeignet, solch ein Hindernis zu bilden, zumal sich an diesen Stellen leicht Schilf und Sand anhegerte. Das so gestaute Wasser musste sich nun einen anderen Abfluss suchen. Es war ganz natürlich, dass an den Stellen, wo das zu einem See angesammelte Wasser sich einen Durchbruch verschaffte, der See verflachte und sich allmählich Sumpfgelände bildete.
Die Bodenerhebungen, in unserem Gebiet die zahlreichen eiszeitlichen Sandberge (Endmoränen), aber waren in jener Zeit die Orte erster menschlicher Ansiedlung, trugen die in ziemlicher Dichte über das Gebiet verteilten, aber jeweils nur aus wenigen Hütten bestehenden Fischerdörfer der Slawen. Dafür bauten die Menschen ihre Wohnstätten auch auf künstlich aufgeschütteten Erhöhungen (bis zu 5m). Diese sogenannten Wurten oder Warften reichten allerdings allein nicht aus, um die ganze Siedlung vor Überflutungen zu bewahren.
Daher baute man rund um das entsprechende Gebiet einen Schutzdamm, einen Deich. Der Bau eines Dammes (Deiches) war eine enorme Leistung, die sowohl eine gut organisierte Gemeinschaft als auch große materielle Mittel erforderte. Zudem standen zu Anfang nur relativ primitive Geräte, wie Körbe und Tragbahren zur Verfügung. Später dürften auch Sturzkarren verwendet worden sein. Erst Anfang des 17. Jahrhunderts wird die Schiebkarre erwähnt. Dammbau war also eine sehr harte Arbeit.
Die früheren Deichlinien sind nicht mit unseren heutigen identisch, da es den Menschen nicht möglich war, die tiefliegenden Moore, Elbarme und Nebenflüsse zu durchdämmen. Noch heute finden wir neben den Flussdämmen, Ringdämme um Orte wie in Schützberg (Schutzberg – Verweis auf erhöhte Ansiedlung) die dieses Wachsen der baulichen Möglichkeiten veranschaulichen und auf älteste regionale Dammbauten hinweisen.
Für die Errichtung und Instandhaltung der Deiche waren die Bewohner der jeweiligen Gemeinde zuständig, „ohne Rücksicht auf die Güte ihres Landes nur nach der Morgenzahl (Hufe) desselben„. (siehe Deichlast) Es galt der Spruch „Kein Land ohne Deich und kein Deich ohne Land„.
In früheren Jahrhunderten mussten die Deiche auch als Verkehrswege (z.B. als Trieftwege) genutzt werden können, da die Feldwege durch den hohen Grundwasserstand bei Hochwasser nicht passierbar waren. Daher baute man die Deiche oft mit Breiten von 3 bis 5m.
Die im 12. Jahrhundert aus dem Westen, insbesondere aus den Nordseegebieten, einwandernden deutschen Siedler, brachten ihrerseits gute Erfahrungen im Kampf gegen das Wasser mit und werden die Schutzbauten ohne Zweifel weitgehend vervollkommnet haben. Noch heute finden sich mehrfach Überreste jener uralten Dämme. Dabei konnte aber zunächst nicht die Rede sein von einer Eindämmung der Elbe als solcher, sondern diese Dammbauten dienten lediglich dem unmittelbaren Schutz der jeweiligen Siedlung.
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts erfahren wir erstmalig von einem zusammenhängenden Damm, der sich am jenseitigen Ufer der Elbe in einer Länge von 3 1/2 Meilen erstreckte (ca 32 km) und seinen Anfang am „Hohen Holz“ bei Pratau nahm. Dieser Damm erstreckte sich bis Pretzsch. Jeder Ort der Aue hatte zu seinem Bau und zur Unterhaltung beizutragen. Zu diesem Zweck war der Damm in zwei Teilstrecken und diese wiederum in Kabeln eingeteilt.
Aber auch dieses Dammlienen waren auf Grund der politischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der damaligen Zeit nur unzureichendes Stückwerk.
Dennoch war für die Bewohner der Aue die Dammarbeit eine schwere Belastung. Von Ostern bis zur Ernte und vom Ausgang der Ernte bis zur Winterzeit hatten die Auebewohner „so oft nottorft erfordert„, wöchentlich einmal am Damme zu arbeiten. Davon war niemand verschont. Jeder Hufenbesitzer, der Land im gefährdeten Gebiet bewirtschaftete, war verpflichtet, mitzuarbeiten. Dies betraf neben den Bauern auch alle Pfarrer und sämtliche Adlige der Auedörfer die über eigenes Land verfügten. Da aber die Pfarrer ihre Hufe nicht selbst bewirtschafteten, sondern auf Zins vergeben hatten, war ihnen gestattet, die Dammarbeit von den Pächtern ausführen zu lassen. Die Adligen ließen die Arbeit von ihren Fronbauern ausführen.

Faschinen/ Reisigbündel

Die Hüfner hatten Erdreich, Rasen und Holz heranzufahren, wobei sie von den Kossäten durch Handarbeiten unterstützt wurden. Jeder Hüfner musste entsprechend der Anzahl seiner Hufen auf Anforderung 1/2 bis 1 Schock (30 – 60 Stück) Reisigbunde je Hufe zuhauen, heranbringen und verlegen. Soweit die einzelnen Orte nicht genügend Waldbestand hatten, durften sie Reisig und Pfähle in den kurfürstlichen Forsten bei Kemberg schlagen. Auf der gesamten Strecke von 3 1/2 Meilen (ca. 32 km) waren die Besitzer von 636 1/2 Hufen (ca 50 m Damm je Hufe Landbesitz) zur Dammarbeit verpflichtet. Die Dämme wurden ständig von den Deichmeistern kontrolliert die alle Schäden unverzüglich dem Amtmann in Wittenberg, in dessen Händen die Oberaufsicht lag, melden mussten und dann die Bauarbeiten leiteten und überwachten. Für ihre Tätigkeit erhielten sie keine Besoldung, waren aber von jeder sonstigen Dammarbeit befreit.

Kurfürst August

Weitere Versuche zur wirkungsvollen Eindämmung der Hochwassergefahr an der Elbe in unserem heutigen Stadtbereich reichen zurück bis zu Zeiten von „Vater“ August und „Mutter“ Anna. Aus dem Jahre 1576 (24.5.) liegt uns ein in Annaburg verfasstes Schreiben des Kurfürsten vor, das unter anderen an Hannß Loser zu Pretzsch und Jobst Kann zu Clöden gerichtet ist:

"Rath vnnd liebe getreuen, 

der hochgebohrne Purst Herr Friedrich Herzogk und Churfürst zu Sachßen, Seeliger gedechtnüs, Vnser lieber Vetter hat bey S. L. Regierung vf den Beßwicker Tamm, eine Tamm-ordnung aufgerichtet, darinnen begriffen, Welche vonn Adel, Geistliche, Burger vnd Pauern, zur Hülffe vnd erhaltunge deßelben verbunden, Dorüber auch wir, sowohl als vnser geliebter Bruder Churfürst Moritz zu Sachsen p.Löbl. seligen gedechtnus, gehalten, vnd zuthun mehrmals befolenn vngeachtet des sich zum öftern mahl etzliche von Adel vnd Geistliche welche die Verordnung betrift, ausziehen vnd die Bürgen nicht tragen helfen wollen, darzu wir stadtliche hülff beydes an Holz und geld gethan, welche fast alle Jahre darzu vonnöten gewesen, Alles der Hofnung, Solcher Tamm sollte dermal In eine gute bestendige beßerunge brach worden seyn, Vns gelanget aber Itzo ann, Immassen die hierzu verordneten Commißarien denn sowol als die Tammmeister und der ausschuß von der Landschaft, welcher dieser schade mit betrift, selbst berichten, das die bißher angewante Hülf vnd beßerunge, fast gar vergebens vnd nun-mehro' von wegen des eingefallenen Triebsandes zuerhaltung des beßwitzer Tammes nicht wohl Rath zu finden, Es werden den bey Cloden ein Durchstich gemacht vnd der Elbstrom daselbst hindurch geweiset, welches zu wenik tagen auszurichten sein sollte...".

Elbdurchstich/ehemalige ElbschlingeDie Angeschriebenen sollen auf den nächstkünftigen 5. Juni sich in Pretzsch zusammenfinden, den Damm bei Bösewig besichtigen und auf Abhilfe sinnen.
Aus diesem Schreiben geht hervor, dass die Elbdämme, die die hiesige Gegend sichern sollten, in einem sehr vernachlässigten Zustand waren, weil Geistliche und die vom Adel sich ungeachtet der kurfürstlichen Verordnung immer wieder der ihnen obliegenden Unterhaltungspflicht zu entziehen suchten. Die bisher angewandte Mühe bei der Verbesserung des Dammes hat sich als so unzureichend erwiesen, dass der Damm als solcher kaum noch erhalten werden kann. Außerordentlich bemerkenswert ist noch die Tatsache, dass man schon damals die einzige Lösung des Problems in einem Elbdurchstich bei Klöden sah, durch die die immer neue Gefahren bringende Schleife des Elbstroms bei Klöden hinüber bis Bösewig und wieder zurück abgeschnitten und stillgelegt werden konnte. 200 Jahre später sahen die Wasserbausachverständigen unter den immer bedrohlicher werdenden Wasserschäden noch immer keinen anderen und besseren Ausweg aus dieser Not. 1774 endlich sollte dieser schon 1576 erwähnte Plan verwirklicht werden. Aber erst mit der von Preußen verwirklichten deutschen Einigung und Gründung des Kaiserreiches gelang es eine durchgehende Eindeichung der Elbe zu verwirklichen und durch die Elbbuhnen die Fließgeschwindigkeit zu regulieren. Damit waren die Hochwasserereignisse zwar nicht vollständig unter Kontrolle, aber die regelmäßigen Früh- und Herbsthochwasserereignisse waren endlich gebannt.

Bernd Hopke
Ortschronist

Quellen:
Andreas Anlauf, „Der Kampf mit dem Wasser in der Parochie Klöden“, Manuskript, Predigerseminar Wittenberg, [Katalog: 1990-247]
Landeshauptarchiv Magdeburg (Ldh.Mgdbg.) Rep. A 25 a II, II Nr.891: „Die Reparaturen an den Ober- u. Unter-Elb-Landdämmen, bey Pretzsch und der Gegend betr. de ao.1558 sequ.“.

 

AnnaOffice©2020