Kirchenstruktur

evangelische Superintendenturen


Vorreformatorische Zeit

Über die historischen Strukturen der Pfarreien in unserer Region geben die Aufzeichnungen von Karl Pallas zu den Kirchenvisitationen in der Zeit der Reformation im 16. Jahrhundert Aufschluss. In seiner Einleitung darüber können wir folgendes erfahren:

„Die Ephorie Prettin ist die eigentliche Superintendentur des alten kursächsischen Amtes Schweinitz, mit weichem das kleine Amt Lochau (Annaburg) kirchlich vereinigt geblieben war. Prettin war schon in vorreformatorischer Zeit Ort eines Erzpriestersitzes des Bistums Meißen gewesen; der umfang dieser erzpriesterlichen Sedes war aber verhältnismässig klein gewesen, zu ihr hatten außer Prettin selbst nur die Pfarreien Axien, Plossig, Zwisigko, Bethau, Großtreben, Lochau und Dautzschen gehört. Neben der Sedes Prettin hatte auf dem Gebiete des Amtes Schweinitz noch der kleine Sprengel der ehemals bedeutenden Propstei Clöden, zum Bistum Meißen gehörig, gelegen, der die Parochien Clöden, Rade, Gorsdorf und Battin umfasste. Der Teil des Amtes Schweinitz aber, welcher nördlich vom Schönewalder Fließ und weiter nach dessen Einmündung in die Elster auf deren rechtem Ufer lag, hatte zum Bistum Brandenburg (Sedes Jüterbog) gehört, in diesem Teile lagen Wendisch-Ahlsdorf, Stolzenhain und Jessen. Die südlich vom Schönewalder Fließ gelegenen Parochien des Amtes Schweinitz endlich waren in vorreformatorischer Zeit kirchlich zum Teil nach Schlieben (Schweiniz und Holzdorf), zum Teil nach Herzberg (Löben) gewiesen gewesen. Sonst erscheinen als zur Sedes Herzberg gehörig die Herzberg benachbarten Pfarreien Kleinrossen (Amt Schlieben), Buckau (Amt Lochau), Beyern (Amt Lochau) und die zum Amt Schweinitz gerechneten, südlich vom Amte Lochau gelegenen Parochien Döbrichau und Rehfeld.
Die Reformation hat nun hier einheitlichere Verhältnisse geschaffen.“

Diese „einheitlichen Verhältnisse“ folgen aber nicht der vorgegebenen sächsischen Verwaltungsstruktur und ließen auch Abweichungen zu, die die damaligen historischen Gegebenheiten berücksichtigten.

 

Superintendentur des Pfarrers zu Herzberg
"Freilich ist sie nicht dazu gekommen, aus dem Bezirke des Amtes auch einen einheitlichen kirchlichen Inspektionsbezirk zu machen. Die Bedeutung der Stadt Herzberg, welche nicht der eigentlichen Amtsverwaltung unterstand, erschien wohl zu groß, als dass man ihr ihre Stellung als Vorort eines kirchlichen Kreises hätte rauben wollen. Ja, man hat diesen Kreis der auf Herzberg gewiesenen Parochien noch erweitert, indem man alle ursprünglich zur Propstei Schlieben, aber nicht zum Amt Schlieben gehörigen Parochien mit Ausnahme von Schweinitz und Holzdorf mit Herzberg verband: Schönewalde, Knippelsdorf, Wildenau und Dubro, desgleichen das von der zunächst papistisch gebliebenen Sedes Jüterbog abgetrennte Wendisch-Ahlsdorf, ferner das unmittelbar bei Herzberg gelegene, nur durch die Elster getrennte Altherzberg, welches bisher zur Propstei Schlieben gehört hatte und auch fernerhin zum Amt Schlieben gehörig blieb, endlich das zum Amt Lochau gehörige, bisher kirchlich mit Schlieben verbundene Arnsnesta. Eine Parochie nahm man allerdings aus dem alten Zusammenhang mit der Sedes Herzberg heraus: die Parochie Löben, aber dafür wies man von den Pfarreien des Amtes Lochau nun zum Ersatze Züllsdorf hinzu, so dass bei der ersten Kirchenvisitation im Kurkreise die Superintendentur des Pfarrers zu Herzberg aus folgenden Parochien gebildet wurde: Herzberg, Buckau, Kleinrössen, Beyern, Rehfeld, Döbrichau, Schönewalde, Dubro, Wildenau, Enippelsdorf, Ahlsdorf, Altherzberg, Arnsnesta, Züllsdorf. Dieser Umfang der Superintendentur Herzberg ist 1556 bestätigt worden und auch bis zur Jetztzeit (1908) unverändert geblieben."

Während hier die jüngere aufstrebende Stadt Herzberg profitierte, verlor das alterwürdige Prettin, dessen Bürger wohlhabender waren als die Städter in Herzberg, Jessen, Schweinitz und Schlieben seine regionale Vormachtstellung an Jessen. Die Einkünfte der Prettiner Pfarrer waren damals nicht geringer als bei denen aus Jessen. Allerdings, kurzzeitig von 1838 bis 1928 wurde die Superintendentur in Prettin ausgeübt.

Superintendentur des Pfarrers zu Jessen bis 1838 und ab 1928 (1838 -1928 Prettin)
"Alle Parochien der Ämter Schweinitz und Lochau aber, welche nicht zu Herzberg gewiesen wurden, vereinigten die Visitatoren schon bei der ersten Kirchen Visitation zu einem Superintendenturbezirke. Zu dessen Superintendenten haben sie aber, vielleicht bestimmt durch Rücksicht auf die damals amtierenden Persönlichkeiten, dann aber, wie sie ausdrücklich sagen, „umb Gelegenheit willen“ d. h. wegen der günstigeren Lage inmitten der in Frage kommenden Pfarreien, nicht den Pfarrer der alten Amtsstadt Schweinitz, sondern den Pfarrer von Jessen bestimmten. Mitbestimmend bei dieser Abweichung von der Regel, daß die Amtsstadt zugleich zum Sitze des Superintendenten gewählt wurde, mag auch die Erwägung gewesen sein, dass Jessen als Stadt bedeutender war als das kleine Schweinitz, auch das Einkommen des dortigen Pfarrers nicht unerheblich größer war als das des Schweinitzer Pfarrers, so daß von vornherein die Wahrscheinlichkeit gegeben war, daß man geeigneter Pfarrer, denen man das wichtige Amt der Superintendentur auch in der Folgezeit anvertrauen könne, eher in Jessen als in Schweinitz würde finden können."
"Zur Superintendentur Jessen gehörten also von vornherein erstens die Parochien der alten Meißnischen Sedes Prettin: Prettin, Axien, Plossig, Bethau, Großtreben, Lochau (Annaburg), Dautzschen und das nun seiner Selbständigkeit beraubte, mit Battin verbundene Zwiosigko, ferner die Parochien der alten Meißnischen Sedes (Propstei) Clöden : Rade, Oorsdorf und Battin, sodann die ehemals zum Bistum Brandenburg, Sedes Jüterbog, gehörigen Parochien Jessen und Stolzenhain, dazu die früher zur Meißnischen Sedes (Propstei) Schlieben zählenden Pfarreien Holzdorf und Schweinitz und das von der Sedes Herzberg abgezweigte Löben, endlich das bisher zur Meißnischen Sedes Torgau gehörige Schweinitzer Amtsdorf Zwethau mit Rosenfeld."

Zwergsuperintendentur Klödener Probstei
"Nur eine Parochie des Schweinitzer Amtes haben die Visitatoren 1528 von dem Zusammenhange mit der Superintendentur Jessen eximiert, dies war Clöden. Es ist begreiflich, dass man Bedenken getragen hat, den Propst von Clöden unter einen Superintendenten zu stellen. Die Clödener Propstei, die eine der bestdotierten Stellen des Kurkreises war, nahm eine zu angesehene Stellung ein, als daß man jetzt, wo man sie schon der bisher auf sie gewiesenen Pfarreien beraubte, sie auch noch unter die Inspektion eines anderen Pfarrers hätte stellen mögen : man ordnete darum den Propst von Clöden direkt dem Pfarrer von Wittenberg, dem Superintendens generalis des Kurkreises, unter. Bei der Neuordnung der Superintendenturen bei Gelegenheit der dritten allgemeinen Kirchenvisitation des Jahres 1555 hat man dann freilich diese Exemtion von Clöden aufgehoben und den Clödener Propst angewiesen, sich ebenso wie die Pfarrer von Schweinitz, Prettin und Lochau zum Pfarrer von Jessen zu halten. Aber schon bei der nächstfolgenden Kirchenvisitation 1575 ist diese Unterordnung Clödens unter die Superintendentur Jessen wieder aufgehoben und dem Propste von Clöden wieder seine Selbständigkeit zurückgegeben, ja, man hat 1575 sogar, um dieser Selbständigkeit den Schein eines Titels zu geben, eine Art Superintendentur Clöden errichtet, indem man von den vor der Reformation zur Propstei gehörigen Parochien diejenige, deren Patron der Propst selbst war, Rade, zu Clöden wies. Und diese Zwergsuperintendentur, in welche in der Folgezeit eine Reihe von bedeutenden, um die Kirche des Kurfürstentums wohlverdienten Männern, meist ehemalige Dozenten der Universität Wittenberg, berufen sind, hat ihre Selbständigkeit bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts sich bewahrt; erst dann ist Clöden und Rade zu der Superintendentur Jessen oder vielmehr, da 1840 die Superintendentur mit dem Pfarramt in Prettin verbunden worden war, zu der Superintendentur Prettin gewiesen worden."

 

 

BERND HOPKE
ORTSCHRONIST

AnnaOffice©2021-02-15

 

Quelle

  • Karl Pallas; Die Registraturen der Kirchenvisitationen im ehemals sächsischen Kurkreise; Hrsg. Historischen Kommission für die Provinz Sachsen und das Herzogtum Anhalt; 3.Teil Die Ephorien Prettin und Herzberg.; Hendelverlag Halle 1908
  • Akte; Besetzung der Superintendentur in Jessen, 1645-1786; A 29b, I Nr. 240; Landesarchiv Sachsen-Anhalt ASt Wernigerode  
  • „150 Jahre Ludwig Hosch“ im Internet unter: http://www.kirche-jessen.de/Jessen.htm