Neue Medien


Die Medienrevolution vor 500 Jahren ging nicht an Lochau (heutiges Annaburg) vorbei. Das Lochau vor 500 Jahren war gegenüber Wittenberg ein bevorzugter Residenzstandort der ernestineschen Kurfürsten. Lochau lag von 1500 -1504 mit 166 Aufenthaltstagen an dritter Stelle der besuchten Orte des Kurfürsten, weit nach Torgau, dicht hinter Weimar. Wittenberg kann nur mit der Hälfte der besuchten Tage von Lochau aufwarten. In den nachfolgenden 5 Jahren erhöht sich die Anzahl pestbedingt auf über 279 Aufenthaltstage. Bei der Pestwelle von 1504/05 war die Lochau der Rückzugsort des sächsischen Hofes. In diesen Jahren läst sich über ¼ des Jahres Hof oder Kurfürst in Lochau nachweisen. Warum sprechen wir dann heute von der Wittenberger Residenzstadt Friedrich des Weisen? Ein PR-Trick der damaligen Zeit hält bis heute ohne merkliche Hinterfragung an.

Der Historiker Thomas Lang formulierte das so:

Dieses medial vermittelte Bild der Residenz Wittenberg ist es jedoch, das bis heute den Diskurs bestimmt, Torgau, Weimar, Coburg, Lochau und Altenburg als Residenzstädte verblassen lässt. Man kann dies als späten Erfolg der vom Hof geförderten Repräsentationsmedien ansehen. Der Kurfürst wollte, dass seine von der Pest gebeutelte Universitätsstadt Wittenberg als ebenbürtige Residenzstadt mit Nürnberg und Innsbruck, Mecheln und Leuven konkurrieren konnte.

Wenn wir darüber berichten, dass im Dachgeschoss der Annaburg 1574 über dem Schrankzimmer mit der Bibliothek von Kurfürst August eine Buchdruckerei stand, dann ist das vergleichbar mit einem heutigen Internetanschluss. Die neuen Medien der damaligen Zeit, das waren die Druckereien.

Ungefähr seit 1500 existierte bereits ein florierender Buchmarkt, überall in Europa gab es jetzt Druckereien. Die Frankfurter Messe hatte sich zum Treffpunkt der Branche herausgebildet. Drucker, Verleger, Buchhändler und Kunden vernetzten sich quer über den europäischen Kontinent. Bis zur Lutherischen Bibelübersetzung wurden die Bücher allerdings in der damaligen Gelehrtensprache, in Latein verfasst. Ein halbes Jahrhundert später wurden in Frankfurt die Bücher schon in Deutscher Sprache angeboten.

Die Pest mit ihren 25-40 Millionen Toten bescherte den Europäern Millionen nutzloser Gewänder, welche aber nun eine preiswerte Papierherstellung aus Stofffasern ermöglichte. Das Hadernpapier war mit eine der Voraussetzungen für den erfolgreichen Buchdruck. Die Gelehrten konnten sich nun eigene Bücher leisten. Sie konnten jetzt aber auch kostengünstig eigene Schriften drucken lassen.  

Die Medienrevolution beinhaltete aber nicht nur den Buchdruck, denn nicht nur Texte konnten endlich kostengünstiger vervielfältigt werden. Noch vor dem Buchdruck waren Holzschnitt und Kupferstich erfunden worden und hatten sich im Laufe des 15. Jahrhunderts verbreitet. Druckgrafik, die massenhafte Produktion von Bildern, war die andere Hälfte der Medienrevolution.

In der Folge hat sich die Druckgrafik in zwei getrennte Richtungen weiterentwickelt: eine künstlerische, in der es darum ging, neue Ausdrucksformen zu finden, und eine wissenschaftlich-technische, in der es darum ging, genaue Abbildungen herzustellen.

Zu diesen bildhaften wissenschaftlich-technischen Darstellungen zählt auch die Kartografie, die man nun über den Kupferstich einer größeren Öffentlichkeit zugänglich machen konnte (auch ein Interessengebiet unseres Kurfürsten August). Die Kunst der Renaissance war nicht nur Kunst, sie schuf Grundlagen für die modernen Wissenschaften.

BERND HOPKE
ORTSCHRONIST

AnnaOffice©2022-06-19

 

 

Quelle:

Thomas Lang; Auszüge zum Jagdschloss Lochau aus dem Manuskript seiner Dissertation über die ernestinische Hofhaltung im ausgehenden Mittelalter im Übergang zur Neuzeit; unveröffentlicht 2022 
Enno Arkona; Die Humanistenverschörung unter:  https://humanistenverschwoerung.de/historischer-hintergrund/; Zugriff 05/2022