Steingutfabrik

Scherbelbude – Annaburger Steingutfabrik


Steingut – Manufaktur  1874- 1883

Die Anfänge der heutigen Annaburg Porzellan GmbH gehen bis in das Jahr 1874 zurück. Damals gründete ein Herr Böttcher eine Steingut-Manufaktur. Aus dieser Zeit existieren leider keinerlei schriftliche Aufzeichnungen mehr. In 70iger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurden Betriebsveteranen zur Geschichte des Werkes befragt. So verdanken wir den beiden ältesten „Porzellinern“ dem Steingutmaler Kynast und dem ehemaligen Obermaler Emil Sauerbrei, wertvolle Informationen zur Entstehungsgeschichte. Kynast wurde 1889 Malerlehrling in der so genannten „Scherbelbude“ wie man im Volksmund das Steingutwerk nannte. Nach einem arbeitsreichen Leben trat er kurz nach dem 2. Weltkrieg in den wohlverdienten Ruhestand. Der Porzellanmaler E. Sauerbrei kam 1903 nach Annaburg und ging nach 50 jähriger Tätigkeit im Werk in den Ruhestand.

Durch diese mündliche Überlieferungen ist uns jetzt bekannt, dass 1874 – 1876 die ersten beiden Rundöfen mit 50 – 60 m³ Inhalt gebaut wurden, die mit Kohle zu beheizen waren. Diese Kohle stammt u.a. auch aus den Jessener Bergen, wo in dieser Zeit noch Braunkohle unter tage gefördert wurde. Die ersten in rein handwerklicher Fertigung hergestellten Produkte waren hauptsächlich Küchengeschirre (Teller, Schüsseln, Schalen) aus Weichsteingut, die ausschließlich im Drehverfahren gefertigt wurden.Die Rührwerke zur Masseaufbereitung wurden noch mittels eines Göpels, der von Ochsen bewegt wurde, angetrieben. Die Anlieferung der notwendigen Schüttgüter zur Masseaufbereitung erfolgte über den Bahnanschluss der Berlin-Anhaltinischen Eisenbahngesellschaft, die schon im Oktober 1874 den Anschluss von Annaburg an das deutsche Schienennetz herstellte. Sicherlich war das einer der Hauptgründe warum Herr Böttcher Annaburg als Standort für seinen Manufakturbetrieb auswählte. Da sich Herr Böttcher das benötigte Startkapital, wie damals in der Gründerzeit üblich lieh, teilweise wurden auch Naturalien und Bauleistungen in Schuldbriefe verrechnet, blieb vor allem sein schon 4 Jahre später angemeldeter Konkurs im geschichtlichen Gedächtnis unseres Ortes haften.

Aus dieser Anfangszeit berichtet Bernhard Rebslob in seiner Familienchronik:

Am 1. April 1878 hat der Besitzer des Steingutwerkes Herr Böttcher Konkurs angemeldet. 1878 am 9. November wurde die Böttcherische Fabrik vom Gericht versteigert und verkauft. Schon 1877 hatte der Kaufmann Böttcher das 1. Mal für seine Fabrik Konkurs angemeldet. Böttcher hatte damals aus der Vorschusskasse 11.000 Taler entnommen und 8.000 Taler verunglückte Papiere an der Börse zu verzeichnen, welches für die Fabrikarbeiter ein großes Unglück war. Die Menschen aus unserem Ort und der Umgebung haben viel Geld verloren, das sind eben die Gründerzeiten. Die Steingutfabrik schloss 1879 wieder ihre Pforten. Der Junior Böttcher ist nach Amerika ausgewandert.
Steingutfabrik – Adolf Heckmann   1883 – 1895

Die so genannte „Scherbelbude“ wurde im Jahre 1883 von Herrn Adolf Heckmann mit 10 Arbeitern übernommen und als Annaburger Steingutfabrik gegründet.

In der Zeit zwischen 1883 und 1891 erhielt die Firma größtenteils ihr heutiges Aussehen. Es wurde ein weiterer Rundofen gebaut. Durch technische Erneuerungen begann ein enormer Aufschwung. Diese technischen Erneuerungen beinhaltete die Aufstellung einer Dampfmaschine die mittels Transmissionen die Drehscheiben genauso antrieb wie die großen Rührwerke für die Masseaufbereitung. Diese „Teilmechanisierung“ hatte eine hohe Produktionssteigerung der Firma zur Folge, weshalb die Belegschaft in dieser Zeit auf 325 Beschäftigte anstieg. Für die „wichtigsten Arbeitskräfte“ wurden auf dem Werksgelände Betriebswohnungen errichtet. Adolf Heckmann ließ sich seine Villa am Rande von Annaburg in der heutigen Torgauer Straße als Ausdruck seines wirtschaftlichen Erfolges errichten (heutiger Sitz der Stadtverwaltung). Adolf Heckmann nutzte nun auch für den Vertrieb seiner Produkte den wirtschaftlichen Vorteil den ihm der Bahnanschluss bot. Schließlich war durch diese Bahnstrecke das Werk an die wirtschaftlich bedeutende Hauptstrecke (Verband über Magdeburg das Ruhrgebiet mit dem oberschlesischen Bergbau- und Kohlerevier) angeschlossen. Sicherlich kam in dieser Zeit der Schuppen an der Ladestraße am Annaburger Güterbahnhof dazu, der zum Grundbesitz der Fabrik auch in späterer Zeit noch zählte.

1886 berichtet Bernhard Rebslob:

"Die Steingutfabrik hat Herr Heckmann aus Berlin gekauft, und ist seit 1883 wieder in Betrieb. Jetzt ist alles mit Dampfkraft eingerichtet. Zurzeit sind ca. 100 Arbeiter beschäftigt die Qualität der Ware ist gut und der Absatz auch. Sie können gar nicht genug herstellen."

Und im Herbst 1891 können wir folgenden Eintrag lesen:

"Im Jahre 1891 arbeiten in der Steingutfabrik 350 Leute. Die Fabrik hat jetzt Telefon, elektrisches Licht und den 7. Brennofen in Betrieb genommen. Weiterhin wurde eine eigene Feuerspritze angeschafft."

Es wurde nicht nur eine eigene Feuerspritze angeschafft, sondern aus der Belegschaft auch eine eigene Betriebsfeuerwehr gebildet.

Nachdem das Bismarksche „Sozialistengesetz“ 1890 fiel, stieg die Zahl der Mitglieder von Gewerkschaften in Deutschland drastisch an. Auch in der Steingutfabrik von Herrn Heckmann in Annaburg bildete sich unter der Belegschaft eine erste Gewerkschaftszelle. Denn auch hier lebte ein Teil der Belegschaft bedingt durch die niedrigen Löhne und den üblichen langen Arbeitszeiten am Existenzminimum. Das traf vor allen auf den Teil der Belegschaft zu, die über keine kleine Landwirtschaft verfügten und ausschließlich von ihren Einkünften aus der Fabrikarbeit lebten. Hinzu kam, dass die letzten Jahre wirtschaftlich für die Steingutfabrik nicht mehr so profitabel zu verlaufen schienen. Jedenfalls kam es so Anfang 1895 zum ersten Arbeitsstreik in Annaburg.

Bernhard Rebslob notiert dazu in seiner Chronik:  

"Von Januar bis April 1894 wurde in der Steingutfabrik gestreikt. Es war eine große Aufruhr in Annaburg. Die streikenden Dreher und Maler wurden nicht wieder eingestellt, wurde alles mit neuen Leuten besetzt. Die Streikenden sind reingefallen."

Gestreikt wurde, weil Herr Heckmann eine Lohnkürzung von 10-5 % durchsetzen wollte. Die Streikenden erhielten von ihrer Unterstützungskasse Streikgelder. Obwohl sie bemüht waren Zuzug von auswärts zu verhindern, gelang es der Fabrikleitung sofort Streikbrecher als Dreher und Maler anzuwerben und einzustellen. Die Streikenden verloren damit ihre Arbeit. Die Auseinandersetzung dauerte bis April und endete mit der Aussperrung der Rädelsführer.

Am 20.04.1895 investierte Herr Heckmann in das Prettin-Annaburger Kleinbahnprojekt 100.000 Mark. Denn das Annaburger Steingutwerk hatte durchaus ein wirtschaftliches Interesse an einer kurzen Eisenbahnanbindung an den bestehenden kleinen Elbhafen in Prettin. Damit konnten die Annaburger Erzeugnisse schnell und preiswert Hamburg erreichen, aber auch die benötigten Rohstoffe über diesen Weg angeliefert werden. Leider konnte das Projekt erst 7 Jahre später realisiert werden. Aufgrund des fehlenden Interesses seiner eigenen Kinder an der Übernahme und Fortführung des Annaburger Steingutwerkes (Alle drei Söhne hatten bereits in anderen Orten eigene Existenzen im Glas- und Keramikgeschäft aufgebaut) plante Adolf Heckmann schon frühzeitig die Umwandlung seiner Firma in eine Aktiengesellschaft.

Zum 1. Juli 1895 verkaufte Herr Heckmann das damalige Steingutwerk, zu dem noch eine weitere Firma in Magdeburg-Neustadt gehörte. Beide Werke gingen in den Besitz einer Aktiengesellschaft über. Dazu lesen wir in der Redslob-Chronik:

"Die Steingutfabrik wurde 1895 Gesellschaft. Besitzer Heckmann hat für 1 ½ Millionen gut verkauft."

Annaburger Steingutfabrik AG   1895 – 1945

Bei der Übernahme der Heckmann ’schen Steingutfabrik für 1.5 Mill. Reichs-Mark betrug deren Grundbesitz 220 322 m² inkl. Beamten- und Arbeiterwohnhäusern. Es existierten bereits 12 Brennöfen in denen hochwertige Steingutgeschirre, Kunsttöpfereien und Plastiken gebrannt wurden. Eingetragener Hauptaktionär war Carl Untucht aus Berlin. Als Vorstände fungierten Dr. Friedrich Untucht – Berlin, Kaufmann Gustav Müller – Annaburg und Dr. Hans Untucht ebenfalls aus Annaburg.Um die nötigen Rohstoffe wie Kaolin, Kohle u.a. kostengünstiger zu transportieren, erhielt das Werk 1896 einen direkten Gleisanschluss an die preußische Staatsbahn, die die Berlin-Anhaltinische Eisenbahngesellschaft (BAE) 1882 übernahm. Dieser Bahnanschluss vom Bahnhof Annaburg wurde durch das Gärtnerfeld zur Steingutfabrik gebaut.

Bernhard Rebslob notierte dazu:

"Im Jahre 1896 wurde ein Bahnanschluss durch das Gärtnerfeld für die Steingutfabrik gebaut."

Der direkte Bahnanschluss zum Werk verringerte die Transportkosten durch den Wegfall der Umlade- und Transporte zwischen Fabrik und dem Annaburger Güterbahnhof. Vor allem die notwendigen Umschlagsarbeiten konnten so erheblich verkürzt und auch erleichtert (vor allem beim Schüttgut) werden.  Da aber die Bahntransportkosten relativ hoch waren, nutzte die Annaburger Steingutfabrik nach dem Bau der Annaburg-Prettiner Kleinbahnverbindung auch die Anbindung zum regionalen Elbhafen in Prettin. Damit konnte auch die kostengünstigere Elbschifffahrt für notwendige Transporte genutzt werden, obwohl sich bereits abzuzeichnen begann, dass der regionalen Elbschifffahrt nur noch wenige Jahrzehnte vergönnt waren.

Die Annaburger Steingutfabrik AG hatte in der damaligen Wirtschaftskrise 1899 – 1901 einen kritischen Tiefstand. Um die Firma durch diese schwierige Zeit zu manövrieren, wurden die Löhne um 10 % gekürzt. Man fing die Produktion von zwei Küchengarnituren, einer Waschgarnitur, Milchtöpfen und Tellern noch einmal von vorne an. Durch den Porzellanmaler Emilie Sauerbrei aus Selb wurde 1903 die Spritztechnik eingeführt. Das Sortiment konnte durch diese Neuheit erheblich erweitert werden. Vier neue 110 m³ umfassende Rundöfen und ein neues vierstöckiges Gebäude für die Dreherei und die Schlämmerei wurden gebaut. Die Belegschaft wuchs bis 1906 auf ca. 600 Personen an. Durch einen Brand im gleichen Jahr wurde das Werk teilweise zerstört und es wurde ein neuer Malerei- und Sortierraum notwendig.

1909 wurde mit dem Bau eines Tunnelofens begonnen. Er sollte gegenüber den Rundöfen enorme Vorteile bringen. Für diesen umfangreichen Ausbau erwarb die Annaburger Steingutfabrik-Aktiengesellschaft bereits 1906 an der Torgauerstraße vom Königlichen Forstfiskus ein 4 Morgen großes Grundstück und hinter den Fabrikgebäuden weitere 9 Morgen Land. Redslob bemerkte dazu:

Wie verlautet, werden im kommenden Frühjahr bedeutende Neubauten an Fabrikräumen vorgenommen.

Dieser Tunnelofen war weltweit der Este seiner Art der in der keramischen Industrie für das Brennen von Steingut zum Einsatz kam. Er wurde 1910 unter persönlicher Leitung seines französischen Erfinders Faugeron hier in Annaburg fertig gestellt und konnte in Betrieb genommen werden. Faugeron hatte diesen Tunnelofen aus einem Kanalofen der Hüttenindustrie weiterentwickelt. Dieser Tunnelofen wurde, zwischenzeitlich allerdings mehrmals modernisiert, dann bis 1993 hier im Annaburger Werk genutzt. Nach seiner Stilllegung 1993 erfolgte leider der Abris. Das Annaburger Steingut aus dieser Produktionsstätte der AG wurde zu einem geschätzten und viel verkauften Artikel auf dem Weltmarkt. Zudem trug ein guter Facharbeiterstamm, der teilweise auch aus dem Bayrischen stammte, sowie die ständigen Kontrollen des Scherbens und der Glasur zur wesentlichen qualitativen Verbesserung der Erzeugnisse bei. Annaburger Steingut war ein geschätzter und viel gekaufter Artikel auf dem Weltmarkt geworden. Die Zahl der Beschäftigten erreichte mit über 600 Mitarbeitern einen ersten Höhepunkt. Wegen Kohlemangels musste von 1915 – 1918 auf Holzfeuerung umgestellt werden, was den Brennvorgang merklich verlängerte.

Nach dem 1. Weltkrieg 1918 ging die Belegschaftszahl wieder auf 300 Personen zurück. Im Jahre 1923 wurden aus Rentabilitätsgründen alle Öfen auf Brikettfeuerung umgestellt, danach ging es wieder rasant nach oben. Von 1924 – 1928 war eine erneute Hochkonjunkturphase. Alle Öfen waren ausgelastet und die Mitarbeiterzahl stieg wieder auf über 600 an. Familie Untuch, die Vorstände der Aktiengesellschaft, besaßen damals 10% des Aktienkapitals und Direktor Gustav Müller war 1928 Hauptaktionär. In diesen Jahren versuchte man die Umstellung der Produktion von Weich- auf Hartsteingut, was die Firma jedoch in diverse Schwierigkeiten brachte. Dies hatte zur Folge, dass der Versuch letztendlich wieder eingestellt wurde. Die Ende 1928 einsetzende Arbeitslosigkeit, bedingt durch die Weltwirtschaftskrise 1928 – 1932, wirkte sich auch auf das Steingutwerk verheerend aus, sodass die Belegschaft um die Hälfte reduziert werden musste.

Vor und in der Zeit des zweiten Weltkrieges wurde das Unternehmen als Aktiengesellschaft von Direktor Schäfer und dem Besitzer Dr. Hans Untucht weitergeführt. Die Aufrechterhaltung der Produktion war in den Kriegsjahren nur mit Kriegsgefangenen möglich. Außerdem mussten einzelne Gebäude für die Rüstung (V1-Zubehörproduktion) zur Verfügung gestellt werden. In diesem Bereich wurden auch kurzzeitig KZ-Häftlinge aus Buchenwald eingesetzt. Das Ende der Annaburger Steingutfabrik AG war mit dem Suizid von Dr. Hans Untucht am 9. Juli 1945 kurz nach dem Ende des II. Weltkrieg endgültig besiegelt.

Der Volkseigene Betrieb 1945 – 1990

Nach dem Zusammenbruch des Faschismus 1945 erfolgte der Aufbau des Steingutwerkes gemeinsam mit der noch vorhandenen Belegschaft. Für den Aufbau setzten sich besonders ein: Koll. Sauerbrei, Koll. Pfund, Koll. Heinrich, Koll. Böhme, Kampfhenkel und andere.

In den ersten Maitagen 1945 wurde im Steingutwerk Aufräumungsarbeiten durchgeführt und anschließend die Produktion wider angekurbelt. Es mangelte an Chemikalien und ganz besonders an Kohle.

Die Entwicklung des Betriebes ab 1945 sah gemessen an der Belegschaftsstärke, wie folgt aus:

1945 begann der Aufbau mit ca. 40 Mitarbeitern, Ende des Jahres 1945 war die Zahl auf ca. 80 Arbeitskräfte angestiegen. Im Jahre 1946 wuchs die Belegschaftsstärke auf 150 Mitarbeiter an. Die offizielle Bezeichnung des Werkes hieß „Annaburger Steingutfabrik“ danach bis 1947 „Industrie-Werk, Annaburger Steingutfabrik„.Nach Wiederinbetriebnahme des Tunnelofens im Jahre 1948 wuchs die Belegschaft auf ca. 200 Arbeitskräfte und zum Ende des Jahres auf 350 Mitarbeiter an. Jetzt nannte man sich: „Vereinigung volkseigener Betriebe der Bau- und Baustoffindustrie Sachsen-Anhalt, Annaburger Steingutfabrik, Annaburg/Kreis Torgau„, dann 1949: „Vereinigung volkseigener Betriebe (G) Baustoffe Sachsen-Anhalt, Annaburger Steingutfabrik, Kreis Torgau“ und ein Jahr später 1950: „VVB Keramik, Annaburger Steingutfabrik, Annaburg/Kreis Torgau„. Drei Jahre später 1953 dann: „VEB Steingutwerk Annaburg/Kreis Jessen„. Bis zum Jahre 1956 erhöhte sich die Belegschaftsstärke auf 456 Personen. Somit wurde das Steingutwerk Annaburg wieder zum stärksten Wirtschaftsfaktor im Ort und der näheren Umgebung.

Im Oktober 1969 waren die Voraussetzungen geschaffen um eine neue Produktion aufzunehmen. Es wurde mit einem neuen Werkstoff „Sintolan – ein Halbporzellan“ die Produktion aufgenommen. Das Sintolangeschirr hatte einen rustikalen Charakter und entsprach dem Trend auf dem Weltmarkt. Es war für Haushalt und Hotel geeignet und hatte die Eigenschaften des Porzellans.

Dazu brauchte der Betrieb einen neuen Tunnelofen für Glattbrand. Für Glühbrand wurde der alte Tunnelofen, der bis dahin mit Kohle beheizt wurde, auf Gas umgestellt. Neue Produktionsstätten wuchsen schnell aus der Erde. Dafür verlor das Werk seine Selbstständigkeit und wurde 1970 vom VEB (Volkseigener Betrieb) Steingutfabrik Annaburg, zum „VEB  Porzellankombinat Colditz, Werk Annaburg„. 1973 erfolgte noch eine Änderung zum „VEB Sintolanwerk Annaburg, Betrieb des VEB Porzellankombinat Colditz„, ab 1980 dann wieder „VEB Vereinigte Porzellanwerke Colditz, Werk Annaburg„.

Den anfänglichen Verträgen mit nur 3 Ländern folgten bis 1989 Verträge mit 28 Ländern. Die Belegschaftsstärke wuchs auf 550 Personen. Aber dann war die Ähra des „Volkseigenen Betriebes“ zu Ende.

Im Wiedervereinigten Deutschland 1990 – 2015

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurde aus dem Sintolanwerk ein neuer Betrieb, die „Porzellan-GmbH-Annaburg“ gegründet.

Es gab große Veränderungen finanzieller, ökonomischer, produktionstechnischer und auch baulicher Art, zur Neuschaffung und Erhaltung der Produktionsstätte von hochwertigem Porzellangeschirr aus Annaburg, einem 133 jährigen Standort der Keramikindustrie. Herr Peter Ploss ist der Eigentümer und gestaltet das Werk mit immer neuen Ideen in einer Zeit schwieriger und wirtschaftlicher Situationen aus. Zuletzt waren ca. 80 Mitarbeiter im Werk beschäftigt. Aber auch die Produktion im Nischensegment für Hotel- und Haushaltsgeschirr in Kleinserien, der Werksverkauf und die „Erlebnisstrecke“ mit Porzellanmalschule half nicht die Insolvenz abzuwenden. Die Weltweit unverhältnismäßig hohen Energiekosten aber auch der Kostenunterschied der Arbeitskräfte gegenüber der ausländischen Konkurrenz wurden dem Traditionsbetrieb nun zum Verhängnis. 2015 wurde in Folge der Insolvenz das Werk endgültig geschlossen. Damit schloss der letzte Keramikgeschirrproduzent in Sachsen-Anhalt für immer seine Pforten und weitere 70 Annaburger Beschäftigte wurde arbeitslos.

Heute erinnert das Annaburger Porzellaneum e.V. an die langjährige keramische Produktionstradition hier in unserer Stadt.

 

Bernd Hopke
Ortschronist

Quellen:
Redslob, B „Familienchronik des Berhardt Redslob“, Annaburg, Familienbesitz;
Otto Heintze: „Annaburg das Städtlein an der Heide“ Geschichtlicher Rückblick, aus gebundene Beilagen der „Annaburger Zeitung“ um 1930; 
Friedrich Rößner, "Meine Schöne Heimat der Kreis Torgau"; Herausgegeben vom Kreisausschuß für Heimatpflege; Torgauer Druck u. Verlagshaus Torgau 1932;
Otto Heintze „Geschichtlicher Rückblick „von 1938, Privatbesitz;
Edwin Kretschmann; Vom Steingutwerk, über Sintolan, zur Porzellan-GmbH-Annaburg; 2008, Privatbesitz
Dr. Reiner Helling; "Aus Annaburg in die ganze Welt"; Herausgegeben von Dr. Reiner Helling im Eigenverlag 2021 

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