Vertriebene

im Auffanglager Annaburg 1947

Nach dem Ende des II. WK wurde das Gebäude der Unteroffiziersvorschule von Juli bis Oktober 1945 Lager und Unterkunft für Flüchtlinge aus dem Sudetenland und anderen Ostgebieten. Unter Einbeziehung des Schlosses, der Turnhalle und anderen Gebäuden betrug die Gesamtflüchtlingszahl ca. 2000 Personen. Auch die vorhandenen Holzbaracken auf dem Kasernengelände wurden mitgenutzt. Die Verpflegung der vielen Menschen bereitete große Probleme. Die Tagesration an Brot betrug pro Person 200 bis 250 Gramm (ca. 4 Scheiben). Auf einfachen Backöfen, aufgestellt zwischen Kaserne und Graben wurde Zusatznahrung aus Kartoffelscheiben gebacken.

Etwa 1.000 Flüchtlinge wurden im August 1945 nach Quedlinburg verlegt. Im Oktober 1945 konnten die verbliebenen ca. 70 Personen in die Annaburger Jugendherberge verlegt werden.
Aber auch nach 1945 wurden Vertriebene aus den Ostgebieten durch Annaburg geschleust, es diente u.a. noch 1947 als Auffanglager.

Woher kamen diese Vertriebenen, wo war einst ihre Heimat. Als einer der Orte wo die deutsche Bevölkerung gemäß den alliierten Vereinbarungen nach 1945 vertrieben wurde ist Klucken in Pommern. Aus diesem Ort wurden allein 534 Personen umgesiedelt dabei war Annaburg eine ihrer ersten Stationen – im hiesigen Auffanglager.

Klucken, vormals Landkreis Stolp i. Pommern

Am westlichen Ufer des Leba-Sees liegt weit zerstreut zwischen Fichten, Holz und Moor die Gemeinde Klucken. Sie bestand früher aus einzelnen „Hütten“ (= Klukken), die manchmal bis zu einem Kilometer voneinander entfernt lagen. Es gab die Schmolsiner Klucken am Wege nach Schmolsin und im Süden die Selesener und Zemminer Klucken. Nur selten kamen vor dem Kriege auf der Straße von Schmolsin Besucher in das einsame Dorf am Leba-See.

Ortsplan von Klucken

Einige Angaben über die Gemeinde Klucken aus der Zeit vor 1945 in Kurzform: 

Zugehörige Ortsteile: 3 Pawelke-Kolonien:
Selesener Klucken-Zemminer
Klukken
Gemeindefläche in ha 374
Wohnbevölkerung am 17.05.1939 660
Zahl der Haushaltungen 154
Zahl der Wohnhäuser 1925 97
Amtsbezirk Schmolsin
Standesamtsbezirk Schmolsin
Gendarmeriebezirk Schmolsin
Amtsgerichtsbezirk Stolp
Gemeindevorsteher 1931 Knop
Bürgermeister 1937 Landwirt Werner Knop
Nächste Bahnstation Schmolsin Entfernung 7 km
Bahnlinie Stolp-Schmolsin (Kreisbahn)
Poststelle Klucken
Letzte postalische Anschrift Klucken über Stolp (Pom.)
Klucken ein Fischer- und Bauerndorf


Klucken war ein Fischer- und Bauerndorf. Es handelte sich um Fischer, die nebenbei Landwirtschaft betrieben. Im Jahre 1939 gab es in Klucken:

117 landwirtschaftliche Betriebe, die sich wie folgt zusammensetzten.
56 mit 0,5 bis unter 5 ha
54 mit 5 bis unter 10 ha
7 mit 10 bis unter 20 ha

Bei dem Wiesenreichtum wurde eine relativ hohe Rindviehwirtschaft betrieben (115,3 Stück pro ha). Der durchschnittliche Grundsteuerreinertrag auf ein Hektar lag mit 2,93 RM erheblich unter dem Kreisdurchschnitt (5,95 RM).
An nichtlandwirtschaftlichen Gewerbebetrieben nennt das Reichsadreßbuch 1941/42 lediglich den Gasthof Albrecht und die Gemischtwarenhandlung Taube.


Kriegsende 1945, Verlust der Heimat

Russisches Militär und Polen üben eine Herrschaft des Schreckens und der Gewalt auch im Landkreis Stolp aus
(Okkupation = Besetzung, Annektion = Einverleibung, Expulsion = Vertreibung)

Klucken wurde am 9. März 1945 kampflos von den Russen besetzt. Wie überall im Sperrbereich der Ostsee mussten die Bewohner Ende März ihr Heimatdorf innerhalb von drei Tagen räumen. Sie gingen größtenteils nach Grapitz. Im Mai durften alle wieder zurück.
Im Jahre 1946 erschienen die ersten Polen. Ein polnischer Bürgermeister wurde eingesetzt und wies die ankommenden Polen in die Häuser der deutschen Bewohner ein. Zur Hälfte mussten die Kluckener weiterhin für die Russen, zur anderen Hälfte nun für die Polen arbeiten. „Das Leben unter polnischer Verwaltung wurde zur Qual und unerträglich.“
In der Nacht zum 3. Januar 1947 erfolgte die erste gewaltsame Vertreibung aus Klucken. Um 2 Uhr nachts erschien unerwartet polnische Miliz und holte die für die Deportation vorgesehenen Dorfbewohner ab. Der Transport ging nach Sachsen ins Lager Annaburg.

Die Heimatortskartei Pommern hat später 342 vertriebene Dorfbewohner in der Bundesrepublik Deutschland und 192 in der DDR ermittelt. Aus der deutschen Gemeinde Klucken wurde das polnische Kluki.

Kriegs- und Vertreibungsverluste: 

25 Gefallene,
7 Ziviltote und
12 Vermißte ("ungeklärte Fälle").

AnnaOffice©2008



Quellen:
http://www.stolp.de/Stolp-Kreis/Orte/klucken.htm Zugriff 05.2008
Pommerening, Günther: Zwischen Lebasee und Gardersee. In: Die Pommersche Zeitung v. 26. Juli 1986, S.9
Prillwitz, Moritz: Chronik von Selesen. Mit Ergänzungen von Rudolf und Sigrun von Bandemer (Auszug).
Tetzner, S. 168-181
Ost-Dok. 1 Nr. 173, pag. 285-293
Von der Kaserne zum Altenpflegeheim, Verein für Heimatgeschichte und Denkmalpflege Annaburg e.V.