Stadtmühle von Annaburg
Am 26. Juli 1576 wurde auf Befehl des Sächsischen Kurfürsten August I. mit dem Bau eines neuen Grabens an der Einmündung in die Schwarze Elster hinter dem Dorf Grabo begonnen. Er sollte die „Elster" zur „Lochau", gemeint ist Schloss Annaburg, in die Schlossgräben und Teiche beim Schlosse bringen. Gleichzeitig hatte er die Aufgabe Ländereien zu entwässern und eine neue Mahl- und Schneidemühle des kurfürstlichen Gutes anzutreiben. Bereits am 13. Oktober 1577 konnte der kurfürstliche Wasserbauspezialist, Oberbergbaumeister Martin Planer, dem Kurfürsten die Fertigstellung des etwa 30 km langen künstlichen Kanals melden. In der Nähe von Neumühl (zwischen Wahrenbrück und Uebigau) war wiederum die Verbindung zur „Schwarzen Elster" hergestellt worden und der bald darauf als „Neugraben" bezeichnete Kanal wurde nun mit Elsterwasser gespeist. Sein Verlauf folgt in Teilen dem bereits unter Kurfürst Friedrich III. „dem Weisen" angelegten künstlichen Elstergraben. Kurfürst August ließ im Jahre 1578 in Annaburg eine neue kurfürstliche Amtsmühle mit zwei Mahlgängen und einer Schneidemühle erbauen. In seiner Festschrift zum einhundertfünfzigjährigen Bestehen des Militär-Knaben-Erziehungsinstitutes zu Annaburg aus dem Jahre 1888 konnte Verfasser Gründler einen Michel Zimmermann als ersten Müller der neuen Amtsmühle benennen. Später wurde die Amtsmühle verkauft und sie war lange Jahre im Besitz der Familie Hollfeldt. Eine amtliche Erwähnung findet sie in einem Brief des Mühlenbesitzers Georg Hollfeldt vom 4. April anno 1698 an seine Majestät den König von Polen und Kurfürsten von Sachsen. In diesem Brief schildert er den Schaden, der ihm entstanden ist beim Durchflößen des Churfürstlichen Holzes im Neugraben durch die Unachtsamkeit der Flößer bei ihrer Arbeit. Der Sohn und Nachfolger von Georg Hollfeldt war Johann Adam Hollfeldt, der 1697 geboren wurde und am 10. Februar 1749 im Alter von 52 Jahren verstorben ist. Dessen Sohn, Johann Gottlob Hollfeldt, heiratete 1752 die jüngste Tochter des Pechhüttenbesitzers Tobias Schlobach vom Zschernick bei Annaburg und übernahm die Mühle des Vaters. Er verstarb am 20. März 1790 im Alter von 58 Jahren. In der nächsten Generation übernahm Tobias Hollfeldt, der am 11. September 1757 geboren wurde, als Erbeigentumsmüller und Hufengutsbesitzer auch die Mühle. Er verstarb am 10. Juli 1814 im Alter von 56 Jahren. Erst später konnte sein Sohn aus zweiter Ehe, Karl August Hollfeldt, 1833 die Mühle und das Zweihufengut seines Vaters übernehmen. Doch bereits nach kurzer Zeit, am 18. Juli 1850, verstarb er in Karlsbad im Alter von nur 40 Jahren. Als am 8. Juli 1856 der Ökonomie-Amtmann Wilhelm Moritz Miething in der Schlosskirche zu Annaburg die Jungfrau Johanne Bertha Auguste, geborene Hollfeldt heiratete, wurden sie die Nachfolger und Mühlenbesitzer der Hollfeldtschen Mühle. Nach den eingravierten Jahreszahlen und der Aussage des Mühlenverwalters Paul Müller müssen noch Unterlagen vorhanden gewesen sein, die aussagen, dass die Mühle mehrmals abgebrannt ist. Unter dem Mühlenbesitzer Johann Adam Hollfeldt brannte die Mühle im Jahre 1733 und unter dem Mühlenbesitzer Karl August Hollfeldt im Jahre 1838 abermals. Obwohl keine schriftlichen Quellen darauf verweisen, gibt es Hinweise, dass die Mühle nach dem Jahre 1838 neu und größer aufgebaut worden ist. Es wäre auch möglich, dass die Antriebskraft des Wassers nicht mehr ausreichte und so eine Dampfmaschine für die Getreidemühle und die Schneidemühle eingebaut wurde. Im Jahre 1886 hat dann der Müllermeister Ernst Klausenitzer die Mühle und das Gut gekauft. Nach der Brandstatistik von Annaburg ist am 15. September 1896 die Schneidemühle der Firma Ernst Klausenitzer abgebrannt und wurde im Jahr darauf wieder aufgebaut. Da die Wasserradanlage baufällig geworden war, ließ Klausenitzer ein neues Wassergebäude mit einer stehenden Francisturbine aufbauen. Mühlenbesitzer Klausenitzer war auch Mitglied der Müllerinnung in Prettin. Er wurde Vorsitzender des Gesellenprüfungsausschusses und später auch Obermeister der Müllerinnung. Am 26. September 1929 brannte die Getreidemühle durch einen Kurzschluss in der elektrischen Leitung erneut ab. Nach dem Wiederaufbau im Jahre 1930 verkauften Klausenitzer 1936 die Mühle und das Mühlengut an Herrn Paul Politz aus Halle. Dieser setzte den Getreidekaufmann Paul Müller in Annaburg als Geschäftsführer für seine Mühle und das Mühlengut ein. Im Jahr 1939 kaufte Politz auch das Gut „Gertrudshof“ in der Nähe von Annaburg. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde er jedoch enteignet und kehrte nicht wieder nach Annaburg zurück. Im September 1945 übernahm dann die Stadt Annaburg als Rechtsträger die Verwaltung der Mühle und des Gutes. Als sich am 9. November 1952 in Annaburg die LPG „Freundschaft" gründete, wurde auch das Mühlengut mit einbezogen. Ab l. Januar 1955 zog die Verwaltung der LPG in die Mühle ein, sie wurde damit endgültig in die LPG eingegliedert. Damit starben auch die Handelsmüllerei und etwas später die Lohnmüllerei. Die Mühle wurde bald darauf auf die Futtermittelherstellung umgestellt. Der Vorsitzende der LPG wurde Mühlenverwalter Paul Müller, sein Nachfolger war Georg Käding, später dessen Frau Frieda Käding, geborene Münch, und dann bis 1966 Heinz Stephan. In dieser Zeit war auf dem Gelände des Mühlengutes sehr viel gebaut an Hallen und Ställen. In den Jahren 1966 bis 1972 wurde Werner Hahn Vorsitzender der LPG und nach ihm übernahm Lothar Krüger den Vorsitz der LPG Annaburg - Purzien. Am 1. April 1975 schlössen sich verschiedene landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften der Umgegend zur LPG Tier- und Pflanzenproduktion zusammen. Die Verwaltungen wurden in das neu erbaute Verwaltungsgebäude nach Naundorf verlegt. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahre 1990 hat die Eigentümergemeinschaft, eingetragene Genossenschaft „Heideck" als Rechtsnachfolger der LPG, die Mühle seit 1991 nicht mehr genutzt. Im März 1996 wurde sie teilweise demontiert und beräumt. Verwaltet wurde die Mühle nun im Auftrag der Treuhandanstalt durch die Wittenberger Wohnungsgesellschaft und später durch die Immobilienverwaltungsgesellschaft Sachsen-Anhalt. Die Mühle und das Wohnhaus sind nach dem Jahr 2002 an eine Berlinerin verkauft worden, waren bisher aber ungenutzt. Das Mühlengebäude nach einem Brand bietet heute einen sehr traurigen Anblick.
Eberhard Förster
Quellen:
Eberhard Förster; Mühlen zwischen Elbe und Schwarzer Elster; Bücherkammer; Herzberg 2006
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