Amtshaus

folie1Baugeschichte

des Amtshauses in Annaburg

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Einführende Erläuterungen

Das Amtshaus von Annaburg, in den alten Quellen auch Schösserei genannt, wird im Denkmalverzeichnis des Landes Sachsen-Anhalt im Zusammenhang mit den Amtshäusern in Seyda und Schweinitz als bedeutendster Fachwerkbau im Osten Sachsen-Anhalts bezeichnet.

Im Jahre 1992 konnte das Amtshaus durch die Stadt Annaburg erworben und in den Jahren 1993 bis 1994 aus Mitteln der Stadt und der Denkmalpflege grundlegend restauriert werden. Unter Leitung des Architekturbüros Michalk aus Dresden erfolgte u.a. auch ein weitgehender Rückbau am Gebäude, so dass wesentliche Elemente seiner ursprünglichen Form heute wieder hergestellt sind. Dabei wurden Details des ursprünglichen Bildes des Hauses wieder sichtbar gemacht und restauriert. Sie wurden architektonisch eingefügt in ein neues Nutzungskonzept und unter Berücksichtigung der neuen Anforderungen an die Technik für das kulturelle Leben unserer Zeit sichtbar und erlebbar gemacht. Dabei ging es nicht darum, den Urzustand wieder herzustellen, sondern aus der Entwicklung des Hauses die über die Jahrhunderte vorgenommenen wertvollen Veränderungen in das Gesamtkonzept der Neuzeit einzubeziehen.

Das führte dazu, dass wir beim Amtshaus neben den Hauptelementen der Renaissance Elemente des Barock, des Historizismus und des Jugenstils in einem Gebäude vereint finden.

Das Amtshaus ist ein Bau der deutschen Renaissance, der Bauepoche, die den Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit mit dem Humanismus, der wissenschaftlichen Forschung und Entdeckung dokumentiert.

Diese Bauepoche ist in Deutschland ganz besonders mit bedeutenden historischen Ereignissen verbunden, die mit der Reformation und Luther in der Wittenberger Region ihren Ausgang gehabt haben.

Die Pflege und Erhaltung dieses Erbes genießt durchaus eine weltweite Wertschätzung und sollte deshalb trotz mancher aktueller Schwierigkeiten den Generationen nach uns erhalten bleiben.

Die Renaissance als Bauepoche ging von Italien aus und hat nach und nach ganz Europa ergriffen. Deshalb sind die wenigen erhalten gebliebenen Beispiele in Europa, in Deutschland und natürlich in unserer Stadt von besonderer Bedeutung. Der erste deutsche Renaissance-Bau ist der Schönhof in Görlitz und wurde 1526 erbaut. Nur 52 Jahre später entstand das Amtshaus in Annaburg.

Es entstand in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Schlossneubau durch den sächsischen Kurfürsten August I. in den Jahren 1572 bis 1575. Baumeister und Bauintendant des Schlossbaus waren Christoph Tendier und Wolf von Kanitz. Belegbar ist das u.a. durch die Steinmetzzeichen an den Sandsteineinfassungen der Fenster im massiven Erdgeschoss, die wir auch im Schloss vorfinden.

So wie wir das Gebäude heute erleben, sah es damals freilich nicht aus. Es galt altes mit neuem zu verbinden. Nur so kann man historische Gebäude unter den veränderten Bedingungen sinnvoll nutzen.

Um das Gebäude restaurieren zu können, erfolgte im Vorfeld ein umfangreiches Quellenstudium unter Berücksichtigung der noch vorhandenen Bauunterlagen in den zahlreichen Archiven. Leider gab es zum Gebäude keine lückenlose Chronik mit allen zeichnerischen Unterlagen. In den Archiven in Magdeburg, Wernigerode und Dresden gibt es eine riesige Fülle von Material, besonders über das Schloss und die Nutzung der Annaburger Heide. Über das Amtshaus sind außer der bekannten Zeichnung von Dillich und einigen ungenauen Lageplänen keine zeichnerischen Unterlagen mehr vorhanden. Dagegen befinden sich als schriftliche Befunde zahlreiche Inventarverzeichnisse über das Amtshaus im Staatsarchiv Dresden, deren Auswertung durch eine Bauhistorikerin, im Zusammenhang mit den bauarchäologischen Untersuchungen vor Ort erfolgte.

Unsere Gesamtkenntnis über die Geschichte von Annaburg beruht vor allem auf der verdienstvollen Arbeit, die der Pfarrer und Schulinspektor des Militär-Knaben-Erziehungs-Instituts, Ernst Gründler, 1888, anlässlich der 150-Jahrfeier dieses Instituts zusammengetragen hat.

Über die Zeit, da Annaburg praktisch kursächsische Residenzstadt war, schreibt Gründler:

 "Noch einige Worte müssen wir dem Orte Annaburg widmen, soweit derselbe vom Hofleben mittel- oder unmittelbar berührt wurde. Die Anwesenheit des Hofes brachte den Einwohnern nicht nur manchen geschäftlichen Vorteil, sondern kam ihnen auch in anderer Weise zugute. Kurfürst und Kurfürstin nahmen persönlich von ihrem Ergehen Kenntnis und ließen es ... an der mannigfachen Bethätigung ihres Interesses nicht fehlen. Dies Interesse bewiesen sie auch nach dem Brande, bei welchem im Winter 1578/79 die Schösserei zugrunde gegangen war. Auf Anordnung des Kurfürsten wurde die neue Schösserei (das heutige Amtshaus) dem Striche nach wie die zuvor erbauten Häuser am Platz in der Ordnung liegen, erbaut."

Daraus ist zu entnehmen, dass das Amtshaus unmittelbar nach seiner Errichtung abbrannte und sofort in der ursprünglichen Form wieder aufgebaut worden ist.

Die meisten notwendigen Informationen zur Sanierung dieses Hauses wurden durch die Erforschung der unmittelbaren Spuren bzw. Sachzeugen am Objekt selbst, sowie durch die Auswertung der Inventarverzeichnisse gewonnen.

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Übersicht über die Etappen der baulichen Veränderungen


Die Form des ursprünglichen Baues ist uns durch die Zeichnung von Wilhelm Dillich (1571 – 1655), Architekt und Zeichner, überliefert. In den Jahren um 1628 hat Wilhelm Dillich sämtliche Städte und bedeutenden Ort im kursächsischen Raum in einer fast fotografisch genauen Form gezeichnet. Diese Zeichnungen sind in der Landesbibliothek Sachsen vollständig erhalten und bilden eine wichtige Grundlage für baugeschichtliche Untersuchungen.

folie4Auf dieser Zeichnung (siehe Ausschnitt) kann man erkennen, dass das Amtshaus ursprünglich ein „Giebelhaus“ war. D.h. an der Seite zum Markt waren drei Giebelausbauten, so genannte Zwerchhäuser, vorhanden und die Giebelseiten selbst waren auch als direkte Giebel ausgebildet. In der Zeit des Barock ist das gesamte Dach in seinem Charakter vollständig verändert bzw. zu dem heute noch vorhandenen Barockdach als Walmdach mit den charakteristischen umlaufenden Hecht-Dachgaupen umgebaut worden.

Dachgauben sind Dachfenster geneigter Dächer mit senkrecht stehendenfolie5 Fensterscheiben. Die Dachgaube dient zur Belichtung und zur Belüftung der Dachräume. Sie kann als Giebel-, Walm-, Schlepp-, Fledermaus- oder Dreiecksgaube ausgebildet werden. Es gibt eine große, meist landschaftstypische Formenvielfalt: z.B. Spitz-, Rund-, Giebel-, Walm-, Fledermaus-, Schleppgaube. Der Vorteil der Dachgauben etwa gegenüber den Dachflächenfenstern ist es, dass sie bei entsprechender Größe ein aufrechtes Stehen und freies Hinausschauen selbst im Drempel erlauben und damit den Raum unterm Dach vergrößern. Für den Einbau ist eine Dachneigung je nach Gebäudetiefe von mindestens 40° - 45° notwendig.

Über die Gründe dieses Umbaus konnten noch keine historischen Belege gefunden werden.

Bei genauer Betrachtung der hölzernen Dachkonstruktion kann man noch die Spuren des ursprünglichen Zustandes in folgenden Merkmalen erkennen:

-folie6    In jedem Dachstuhl wurden seit Beginn der Zimmermannskunst die Bindersäulen (Queraussteifung des Daches) mit römischen Ziffern von l beginnend fortlaufend gekennzeichnet. Im Dachstuhl des Amtshauses beginnt die Bezeichnung mit der Säule II. Das heißt, dass die Bindersäule l, die im Giebel stand, mit dem Umbau zum Walmdach abgetragen worden ist.

-    Die Zapfenlöcher und Zwischenhölzer, auf denen die Zwerchhäuserfolie7 gestanden haben sind noch vorhanden.

-    Die historischen Tapeten der ursprünglichen Dachräume in den Zwerchhäusern sind an den beiden äußeren Zwerchhäusern noch teilweise vorhanden (ähnlich wie die im Schloss noch vorhandenen Flasern - Tapeten.

Die Tatsache, dass die Tapeten in die später für das Walmdach vorgenommene Überblattung der Holzverbindung hineinreichen, zeigt, dass die Tapeten bereits vor dem Umbau des Daches am Balken gewesen sind.

Am Amtshaus in Seyda sind die stadtseitigen Zwerchhäuser noch in originaler Form erhalten.

folie8Die bei der Dachkonstruktion vorgefundenen Abbundzeichen sind identisch mit anderen Bauwerken aus dieser Zeit (z.B. Schloss Pretzsch). Diese waren notwendig weil die Holzkonstruktion vorher meist vor dem Gebäude (Zimmerplatz) abgebunden wurde, das heißt, sie wurde zugeschnitten, angepasst und zusammengesetzt. Anschließend ist die Konstruktion in Einzelteilen auf das Dach transportiert worden. Um die Lage der einzelnen Hölzer zueinander zu definieren, wurden auf jedem Holz Markierungen eingearbeitet.

Bei der Markierung von Hölzern gleicher Bestimmung (z.B. Deckenbalken) befinden sich die Zeichen jeweils an ähnlicher Stelle. Bei Deckenbalken erfolgt die Markierung auf der Oberseite, d.h. unterhalb der Dielung. An allen anderen Elementen des Daches wie Sparren, Kehlbalken, Hahnenbalken, Streben und Vorhölzern des liegenden Stuhles sind die Kennzeichen seitlich zu finden, meist pro Bauteil auf derselben Seite.

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Dachkonstruktion im Amtshaus

Weiterhin zeigt die Dilich’sche Zeichnung, dass ursprünglich an der Marktseite ebenfalls ein Torbogen vorhanden war, wie der heute an der Hofseite wieder rekonstruierte Torbogen. Die beiden Torbögen lassen darauf schließen, dass im ursprünglichen Bau eine Durchfahrt vorhanden gewesen ist.

folie10Als noch existierendes Beispiel einer derartigen Durchfahrt kann man das Renaissance-Rathaus in Bad Schmiedeberg besichtigen.

Mit den Veränderungen im äußeren Bild sind in der Zeit des Barock auch Umbauten im Inneren des Gebäudes vorgenommen worden.

So ist aus den Inventarbeschreibungen von 1723 und 1769 zu erkennen, dass in diesem Zeitraum die ursprünglich sichtbaren Holzbalkendecken vermutlich aus Brandschutzgründen verschalt und verputzt, bzw. mit Stuck versehen worden sind.

folie11Gleichzeitig ist der im Inventarverzeichnissen von 1612/1723 als Große Stube, bzw. Stube zur rechten Hand bezeichnete Raum, in dem sich zur Zeit unsere Bibliothek befindet, durch zwei sich an der Säule kreuzende Wände mit Lehm gemauert, unterteilt worden. Die heute mitten im Raum stehende Säule ist dabei so vollständig eingemauert worden, dass sie erst bei den archäologischen Untersuchungen dieses Bereiches wieder entdeckt worden ist. Damit war gleichzeitig die Entscheidung verbunden, den Raum wieder in seiner ursprünglichen Form mit der sichtbaren Holzbalkendecke zu rekonstruieren.

folie12Die Tatsache, dass die Säulenbasis 35 cm unter dem heutigen Fußboden liegt, lässt darauf schließen, dass der Fußboden in diesem Raum vor der Aufgabe der Durchfahrt um diesen Betrag tiefer gelegen hat.

Zur Klärung der Fundamentierung des Gebäudes ist in diesem Raum eine Schürfgrube bis zum Fundament angelegt worden. Dabei zeigte sich, dass vor dem uns bekannten Amtshaus an dieser Stelle ein noch älteres Gebäude gestanden hat, denn es war an den Pflasteransatzspuren und am Putz zu erkennen, dass bei diesem Vorgängerbau der Fußboden 1, 62 m unter dem heutigen Fußboden lag. Das bedeutet, dass dieser Fußboden ca. 50 cm unter der heutigen Geländeoberfläche lag. Die gleiche Lage eines derartigen Vorgängerfußbodens ist in den Gewölberäumen im Anbau Holzdorfer Straße durch Schürfgruben festgestellt worden.

folie21An den im Anschluss an der großen Stube liegenden Beratungsräumen wurden die geschlossen gestalteten Stuckdecken des Barock belassen. Durch zerstörungsfreie Untersuchungen wurde festgestellt, dass unter bzw. über den Stuckdecken ebenfalls wie in der großen Stube die originalen Holzbalkendecken liegen.

Entscheidende Veränderungen sind im gesamten Gebäude vorgenommen worden, als mit der Industrialisierung und der stark zunehmenden Bevölkerungszahl im 19. Jh. das Amtshaus von einem Amtsgebäude schrittweise in ein reines Wohngebäude mit 8 Wohnungen umgebaut worden ist. Bei diesen Umbauten sind zahlreiche Zwischenwände eingezogen worden, die Raumstrukturen wurden verändert, sämtliche Treppen wurden verändert und zusätzliche Treppen eingebaut und die Holzbalkendecken wurden weiter mit Putzdecken verkleidet, so dass der originale Zustand nur durch umfangreiche bauarchäologische Untersuchungen wieder gefunden werden konnte.

folie13Im massiven Erdgeschoss finden wir an den Sandsteineinfassungen der Fenster Steinmetzzeichen vor. Das Steinmetzzeichen ist ein „Signum der Steinmetzen auf dem Werkstein zum Zweck der Abrechnung, aber auch als Gütezeichen. Das Steinmetzzeichen ist schon aus der Antike bekannt, wurde aber erst in spätromanischer und gotischer Zeit allgemein gebräuchlich.“ Jeder Steinmetz hatte ein eigenes Zeichen (in der Zunft, d.h. regional) mit der er den behauenen Stein als seine persönliche Arbeit kennzeichnete. An Hand dieser Zeichen konnte Nachgewiesen werden, dass am Amtshaus die gleichen Steinmetze gearbeitet haben die auch am Jagdschloss vorher tätig waren.


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Weitere Erläuterungen zu den einzelnen Räumen


 Keller

folie15Das Gebäude ist auf der linken Seite vom Markt aus mit Kreuzgewölben unterkellert. Für die Türeinfassungen wurde Sandstein verwendet. Dieser Baustoff war für unsere Gegend besonderst kostbar, da man ihn einst aus dem Elbsandsteingebiet hinter Dresden mühevoll heranholen musste.

Die Scheitelhöhe des Kellers beträgt jedoch nur ca. 2,00 m, das wird dem hohen Grundwasserstand der hiesigen Gegend geschuldet sein.

Bei sehr starken Niederschlägen steigt das Grundwasser auch heute noch bis über das Kellerfußbodenniveau.

Zur Trockenhaltung des Gebäudes wurde eine Elkinet-Elektroosmose-Anlage eingebaut.


Erdgeschoß

Eingangsloggia an der Marktseite

folie16Die Eingangsloggia an der Marktseite besteht aus originalem Renaissance-Architekturelemente des sechseckigen Pavillons aus dem „Kräutergärtlein der Mutter Anna“. An den Anschnitten der einzelnen Bauteile sind noch die Anschlusswinkel von 60° des Sechseckbaus festzustellen.

Die Sandsteinteile, die z. T. mit Ölfarbe überdeckt und beschädigt waren, wurden durch Steinrestauratoren restauriert und im Materialzustand belassen.

Dieser Einbau und die damit verbundene Aufgabe des runden Torbogens muss in der zweiten Hälfte des 19. Jh. erfolgt sein. Es war die Zeit der Wiederholung historischer Baustile, so dass hier das Kuriosum zu verzeichnen ist, dass Neorenaissance mit echter Renaissance gebaut worden ist.

Bei der damit verbundenen Freilegung einer Maueröffnung von 6 Metern Breite ist offensichtlich die erforderliche Abstützung des oberen Geschosses nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, so dass sich das gesamte Fachwerk einschließlich des Dachstuhles an dieser Stelle um ca. 10 cm gesenkt hat. Bei dieser Baumaßnahme sind offensichtlich auch die Unterzüge, die die Durchfahrtshalle überspannten angebrochen. Am deutlichsten ist das bei dem später durch eine Wand abgestützten Unterzug in der oberen Treppenhalle zu sehen.

Ein Unterzug ist ein unter einer Decke angeordneter Träger, der die Lasten auf Stützen, Säulen, Ständer oder Querwände überträgt. Der Oberzug dagegen ist ein über der Decke (meist unterm Dachstuhl) angeordneter Träger.

Da bis zum Beginn der Sanierungsarbeiten im Bereich der Fachwerkwand keine ausreichende Sicherung vorhanden war, wurde im Dachgeschoß ein Oberzug aus drei verdübelten Balken eingezogen, der die Lasten über den zarten Sandsteinelementen des ehemaligen Pavillons auf die starken seitlichen Flankenmauern der ehemaligen Durchfahrt überträgt. Die Deckenbalken wurden an diesen Oberzug angehangen. Durch entsprechendes Anziehen der Schrauben wurde die Loggia in dem erforderlichen Maße entlastet.

folie17Die dazu erforderlichen statischen Berechnungen wurden durch den Statiker der Ingenieurgruppe Hochbau Dresden, Dr. Richter, durchgeführt. Von dem sechseckigen Pavillon wurden für die Loggia nur 4 Seiten benötigt. Die beiden nicht eingebauten Postamente standen in einem Garten in Annaburg und befinden sich z. Zt. nach einer restauratorischen Behandlung in den Gewölberäumen an der Holzdorfer Straße.

Die originale Farbigkeit der Loggia wurde einschließlich der seitlichen Wandbilder in Originalzustand restauriert. Die beiden kleinen Wandbilder waren in der Bildfläche vollständig zerstört, so dass nur die Rahmen restauriert werden konnten.


Eingangsraum von der Marktseite (zur ehemaligen Sparkasse)

Dieser Raum ist erst mit dem Einbau der Loggia entstanden. Der in der „Großen Stube“ (heutige Bibiliothek) sichtbare Unterzug ging ursprünglich bis in diesen Raum durch (erkennbar an den Einkämmungen in den Deckenbalken).

folie18Die alte Eingangstür aus dem 19. Jh. musste aufgrund der neuen funktionellen Anforderungen durch eine entsprechend eingepasste automatische Tür ersetzt werden. Die weiterführende Tür in die Erdgeschoßhalle ist die originale restaurierte Jugendstiltür (um 1900).   Das Originaloberlicht der Tür war nicht mehr vorhanden. Deshalb wurde das vorhandene originale Oberlicht einer durch die Treppenrekonstruktion freigewordenen Tür an dieser Stelle weiterverwendet.


Stube zur rechten Hand oder große Stube (heutige Bibiliothek)

Dieser Raum war in seiner ursprünglichen Größe, die mit der Sanierung wieder hergestellt worden ist, ursprünglich ein Raum zum Essen und Feiern bei den großen Jagden in der Annaburger Heide (In den Inventarverzeichnissen dieser Zeit ist eine Ausstattung mit Tischen und Bänken angeführt). Er ist nicht unterkellert, weshalb mit der Zeit auch die Fußbodenebene erhöht wurde. Er war ursprünglich mit einer Schwarzen Küche in den anschließenden Gewölberäumen verbunden. (Eine Schwarze Küche war eine Kochstelle, bei der der Rauch frei im Raum von einem großen Schornstein, der erst über dem Gewölbe dieses Raumes begann, abgesaugt wurde. Durch die relativ freie Verteilung des Rauches im Raum wurde dieser im Laufe der Zeit vollkommen schwarz, deshalb – Schwarze Küche).

folie19Die freigelegte originale Sandsteinsäule in toskanischem Stil mit dem Eierstab-Kapitell konnte durch den Einbau eines Sichtschachtes an der Basis wieder voll erlebbar gemacht werden und zeigt uns die damalige Fussbodenebene.

Durch die Freilegung und Restaurierung der originalen Holzbalkendecke der Renaissance erhielt der Raum weitgehend sein ursprüngliches Aussehen zurück.

folie20In diesem Raum und in den Beratungsräumen auf der anderen Seite waren noch die originalen Fenster mit dem kleinen hervorgehobenen Lüftungsflügel mit Einfachverglasung mit Sandsteinfassungen vorhanden. Ein Versuch, diese Fenster aufzuarbeiten führte nicht zum Erfolg, da dass Holz zu stark zersetzt war. Sie wurden deshalb einschließlich der handgeschmiedeten Beschläge in originaler Form nachgebaut. Die erforderliche Wärmedämmung als neuzeitliches Fenster wurde durch die Kombination mit einem inneren Kastenfenster ohne Sprossenteilung erreicht. Ein altes Fenster wurde für museale Zwecke von der Farbe befreit und aufbewahrt. Dabei zeigte sich an den geschlossenen Auskerbungen, dass ursprünglich wie bei den kleineren Fenstern an der Holzdorfer Straße an der Marktseite ebenfalls eine Vergitterung vorhanden gewesen ist.


Räume links des Einganges (ehemalige Sparkassenräume)

folie21In den ersten beiden Räumen sind die originalen barocken Stuckdecken erhalten. In dem Raum, in dem sich der ehemalige Tresor für die Privatkunden befand ist ein Renaissance-Türportal erhalten, wie es auch bei den Eingängen im Schloss Hartenstein in Torgau anzutreffen ist.

Das hintere Zimmer auf der linken Seite mit dem Kreuzgewölbe und dem Tonnengewölbe war ursprünglich eine zweite Schwarze Küche im Amtshaus. Der abführende Schornstein lag direkt in der Decke über dem Gewölbe ist noch vollständig bis zum Dach erhalten und kann durch eine Blechtür in der oberen Halle, die als Einstiegsöffnung für den Schornsteinfeger diente, besichtigt werden.

Von diesem Raum der Schwarzen Küche aus führte eine kleine separate Treppe auf die Hauptkellertreppe, die auf der linken Seite der Kellertreppe noch erhalten ist.


Eingangshalle des Erdgeschosses von der Hofseite aus

folie22Diese Eingangshalle zeigt nach der Rekonstruktion wieder die ursprüngliche Form der Durchfahrt auf gleicher Höhe mit dem Außenterrain. Der Große Torbogen ist im Rahmen der Umnutzung als Wohngebäude teilweise zerstört und zugemauert worden. Die noch vorhandenen originalen Sandsteinelemente wurden bei der Rekonstruktion wieder eingebaut. Eines der alten Bogensegmente wurde im Bauschutt der vorgenommenen Auffüllung dieses Bereiches gefunden und ebenfalls mit eingebaut.

Die Höhendifferenz zwischen der Höhe des alten Hallenfußbodens und der belassenen Höhe des marktseitigen Eingangsbereiches wurde durch eine neue Treppe gelöst.

Die ursprüngliche alte Sandsteintreppe war durch den Umbau zu Wohnungen ebenfalls zerstört und durch eine gewendelte Holztreppe überbaut worden. Bei der Untersuchung zeigte sich, das von der originalen Steintreppe die oberen 5 Stufen in stark ausgetretener und beschädigter Form noch vorhanden waren; ebenfalls waren die im Mauerwerk steckenden Teile der Stufen noch vollständig vorhanden, so dass die gesamte Treppe im ursprünglichen Zustand rekonstruiert werden konnte. 


 Obergeschoß

Obere Halle

In den historischen Inventarverzeichnissen wird diese Halle, als Vorsaal bezeichnet – in den Verzeichnissen der Jahre 1612, 1723 und 1796 sind z. B. folgende Eintragungen zu finden:

- 5 Scheibenfenster
- 1 Treppe nach dem Dachgeschoß im Bretterverschlag mit Türe
- eingeschobene Decke, gespundeter Fußboden,
- 1 hohe viereckige Laterne aus Tafelglas an der Decke
- 15 Tafeln mit eingeschlagenem Kurfürstl. Mandat. ,

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Wenn wir uns in diesem Raum umsehen, können wir statt der genannten 5 Fenster zunächst nur 3 Fenster erkennen. Wir sehen aber, dass unter dem gebrochenen Unterzug eine Zwischenwand eingebaut wurde, die nicht ursprünglich ist und nach den Inventarverzeichnissen erst nach 1796 eingebaut worden sein kann. Denken wir uns diese Wand weg, dann hat der Raum mit den 2 Fenstern dieses Raumes die genannten 5 Fenster.

Die Zwischenwand haben wir nach vielfachen Erwägungen und Abstimmungen mit dem Landesamt für Denkmalpflege stehen lassen, da sie inzwischen auch schon historischen Wert erhalten hat. Zugleich erfüllt sie eine wichtige statische Funktion, indem sie den angebrochenen Unterzug abstützt.

folie24Die originale Blockstufentreppe war mit dem Umbau des gesamten Hauses als Wohnhaus in den Bereich des Laubenganges verlegt worden. Durch den Nachweis im Inventar und den Befund der Aussparungen an den Balken konnten wir sie restaurieren lassen und wieder am ursprünglichen Ort einbauen.

Die Bretterverkleidung ist leider vollständig verloren gegangen, so dass wir sie in einer zurückhaltenden Form nachgestaltet haben.

Die Tür haben wir verbunden mit einem Glasausguck nach oben verlegt. Durch eine entsprechende Intervallbeleuchtung hat man so die Möglichkeit einen Blick in den Bodenraum mit der alten Dachkonstruktion zu werfen, ohne dass dieser Raum betreten werden muss.

Dabei hat man linkerhand eine originale Lehmwand im Blickfeld, die mit Ritzornamenten versehen ist. Auf der rechten Seite sieht man eine weitere originale Blockstufentreppe, die in die zweite Bodenebene führt.

Im mittleren Teil sieht man den starken Oberzug zur Abfangung der Lasten über der Loggia.

folie25Von den Renaissancetüren waren an einigen Stellen nur noch die Abdrücke der Bekrönungen an der Wand vorhanden. Im einzelnen haben wir sie nach dem im Amtshaus in Seyda noch vorhandenen Vorbild nachgestaltet.

Wichtige Aspekte für die denkmalpflegerische Erkundung haben wir auch durch die farbarchäologischen Untersuchungen erhalten, die durch Frau Schröder von der Bau- und Denkmal GmbH Dresden durchgeführt worden sind.

folie26In diesem Raum haben wir die blaue Quadermalerei, die einst an allen Wänden vorhanden war. Danach konnten wir die ursprüngliche Größe dieses Hallenteiles nach dem Einbau der Zwischenwand unter dem gebrochenen Unterzug ermitteln.

Zur Dokumentation dieses wichtigen Ausmalungszustandes haben wir über der Tür neben der Bodentreppe ein Stück dieser Bemalung als so genanntes archäologisches Fenster in die Rekonstruktion des Raumes einbezogen.

Aus der chemischen Farbuntersuchung, die am Fachbereich Restaurierung der Hochschule für bildende Künste in Dresden vorgenommen wurde, wissen wir, dass es sich um ein künstlich hergestelltes Ultramarinblau handelt, das nicht vor 1830 hergestellt worden ist.

So war es möglich, die ursprüngliche Größe dieses Raumes mit Sicherheit zu ermitteln.

folie27Das obere Treppengeländer der Haupttreppe war noch in originaler, stark verschlissener Form vorhanden. Drei der alten Geländerbretter konnten weiter verwendet werden, die übrigen wurden nach dem historischen Vorbild neu angefertigt.

Ein schwieriges Problem war die Sicherung der erforderlichen Wärmedämmung in den oberen Fachwerkwänden, die im Originalzustand nicht gewährleistet war und im Laufe der Zeit durch unterschiedliche aber nicht erhaltenswerte Wandverstärkungen erreicht worden ist.

Um durch die erforderliche Wärmedämmung die Fachwerkstruktur des Raumes nicht zu verlieren wurde zunächst das vorhandene Fachwerk mit 6 cm starken Bohlen aufgedoppelt. Die Zwischenräume der Ausfachung wurden mit Wärmedämmputz in der gleichen Stärke ausgeführt. Damit ist eine angemessene Wärmedämmung gewährleistet.

Um sichtbar zu machen, weiche Teile des Fachwerks noch im Originalzustand sind. wurden nur diese in der originalen rotbraunen Farbe gestrichen. Die neuen Teile haben einen hellgrauen Anstrich erhalten.

In den Büroräumen wurde der Wärmedämmputz aus Kostengründen über die gesamte Wand gezogen.

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Räume des Museums

Der Eingangsraum in das Museum von der Halle aus zeigt wie die Halle selbst die originale unbemalte Holzbalkendecke mit den freiliegenden Balken und den eingeschobenen Füllungstafeln, die durch Stoßbretter rasterartig gegliedert sind.

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Der folgende große Raum des Museums, das so genannte Bohlenzimmer, weist über etwa zwei Drittel des Raumes eine florale Bemalung auf, die nachträglich im Barock eingebracht worden ist. Diese Bemalung wurde in behutsamer Weise restauratorisch gesäubert und ausgebessert, so dass der originale Zustand weitgehend erhalten werden konnte.

Die Tatsache, dass die Bemalung nicht den ganzen Raum erfasst, zeigt, dass bereits in der Zeit des Barock an dieser Nahtstelle eine Zwischenwand vorhanden war.

Die ursprüngliche Größe des Raumes konnte durch die obere Nut für die Befestigung der Holzbohlen ermittelt werden. Durch die spätere farbige Behandlung der Decke hatten sich auch das Profil und die originale Breite der Bohlen an den Randbalken abgezeichnet, so dass danach die Rekonstruktion dieser Raumausstattung erfolgen konnte.


Standesamt

folie30Der als Standesamt genutzte Raum stellt einen der interessantesten Räume des gesamten Hauses dar. Hier konnte eine vollständige farbige Renaissancefassung eines Raumes in originaler Form wieder gewonnen werden.

Nach umfangreichen baugeschichtlichen Vergleichen hat sich gezeigt, dass diese Fassung das einzige noch existierende Beispiel dieser Art ist. Die Decke und die Wände sind in einer einheitlichen Farbfassung gestaltet.

Vom Erhaltungszustand war es so, dass die Decke weitgehend in Originalzustand restauriert (Reinigung und Ausbesserung) werden konnte.

Die farbliche Wandgestaltung war durch die mehrfachen Wandverstärkungen (der vorhandene Putz wurde angehackt und einschließlich des Fachwerkes neu überputzt) stark geschädigt, so dass die Wandgestaltung nach den vorhandenen Befunden neu angelegt werden konnte.

Auf eine zusätzliche Wärmedämmung in diesem Raum wurde zu Gunsten der Erhaltung bzw. Rekonstruktion des Originalzustandes verzichtet.

Dieser Zustand wurde durch die gewählte Nutzung als Standesamt mit relativ geringer Nutzungsfrequenz und einem entsprechenden speziellen Heizungssystem und Heizregime (Fußbodenheizung und gering bemessene Radiatoren mit relativ niedrigen Normaltemperaturen) kompensiert.

Bei einer Nutzung des Raumes bei sehr niedrigen Außentemperaturen muss eine kurzzeitige Aufheizung durch zusätzliche Heizgeräte erfolgen.


Außenfassade

 

Die Außenfassade des Gebäudes wurde nach den Originalbefunden auf der Grundlage einer farbarchäologischen Untersuchung neu angelegt. Augrund der hohen Versalzung des Mauerwerks im unteren Bereich wurde ein geeigneter Sanierputz verwendet.

folie31Das Fachwerk wurde soweit wie möglich im Originalzustand belassen. Beschädigte und nicht mehr zu nutzende Teile wurden partiell durch neues Holz ersetzt. Bei genauem Hinsehen kann man deutlich die originalen und die neuen Teile erkennen. Als Überraschung bei den Untersuchungen der alten Fassade stellte sich heraus, dass an den drei Außenseiten der Fassade am oberen Abschluss des Fachwerkes sich unter den späteren Überstreichungen ein sehr schöner aufgemalter Fries bzw. Taustab erhalten hat, der ebenfalls einmalig bei der farblichen Fachwerksgestaltung ist. Er wurde nach den erhaltenen Befunden neu aufgemalt.

Bei der Neuorientierung für die Sanierung des Amtshauses haben Stadtverwaltung und Sparkasse (ehemaliger kurzzeitiger Nutzer) sehr viel Verständnis für die vorhandene Raumstruktur aufgebracht und konstruktiv nach Nutzungen gesucht, die mit der historischen Struktur der vorwiegend großen Räume in Übereinstimmung zu bringen war.

Die Ermittlung der denkmalpflegerischen Befunde und die Planung einer neuen Nutzungskonzeption für unsere Zeit war die eine Seite. Ein anderes Problem ist es, diese Planung praktisch auszuführen.

Dabei waren oft ungewohnte und im normalen Bauen nur noch selten ausgeführte Arbeiten zu bewältigen. Doch die Handwerker und Handwerksmeister aus Annaburg und den anderen Orten haben mit großem Engagement gearbeitet und ihr Bestes gegeben. Alle haben sich bemüht, den Anforderungen an diese Aufgabe gerecht zu werden, so dass mit dieser Rekonstruktion ein bedeutendes Stück kultureller Geschichte der Region wieder erschlossen werden konnte. Leider hat die neue Fassade den Witterungseinflüssen nicht lange standgehalten, so musste 2007/08 die Außenfassade bereits erneuert werden.

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Zusammengestellt

Bernd Hopke
Ortschronist

AnnaOffice©2008-10-16

 

 

Quellen

  • Verein f. Heimatgeschichte u. Denkmalpflege Annaburg (Hrsg.) Jagdschloß Annaburg – Eine geschichtliche Wanderung, Horb/Neckar 1994;
  • Dr. Heinz Michalk „Erläuterungen zur Baugeschichte und zur denkmalpflerischen Sanierung des Amtshauses in Annaburg, 1995
  • Architekturlexikon unter www.architektur-lexikon.de.htm; Zugriff 08/2008