Heidemühle

die Wassermühle im Zschernick

"Die Wassermühle, „Heidemühle" genannt, lag 6,5 km von Annaburg entfernt am Neugraben. Dort wurde 1619 erstmals eine Wasser- und Schneidemühle erbaut. Es war ein kurfürstliches Kammergut und bis 1702 verpachtet. Der Pechhüttenbesitzer Tobias Schlobach hatte es am 19. Mai 1702 mit allen ... „Ein- und Zu-behörungen, dem vollen Inventario, auch sonsten mit allen Nutzungen, Rechten, Gerechtigkeiten und Freiheiten, insbesondere den Diensten, welche gedachten unserer Amtsuntertanen zu solcher Mühle zu leisten verbunden, ingleichen der Hutung und Wiesenwachs, wie alles die bisherigen Müller immer gehabt, erblich gekauft für 450 Gulden und 30 Gulden jährlichen Erbzins". Der erste Mühlenbesitzer als Müllermeister war 1723 Johann Friedrich Schlobach, der am 11. Mai 1758 verstarb. Danach übernahm sein ältester Sohn Johann Christian Schlobach die Heidemühle. Doch er verstarb schon mit 44 Jahren am 30. Dezember 1771 und so musste seine Ehefrau das Geschäft weiterführen. Sein Sohn, Johann Christoph Schlobach, wurde am 5. Januar 1757 geboren und übernahm 1783 die elterliche Mühle. Doch durch einen Unfall in der Mühle starb der Meister mit 40 Jahren am 16. Februar 1797. So musste auch dessen Ehefrau von nun an den Betrieb führen. Ihr Sohn Johann Christian Friedrich Schlobach (geboren am 8. Juli 1786) heiratete 1810 und übernahm die Mühle nach der Lehrzeit und der Meisterprüfung. Meister Schlobach starb am 20. November 1837 bereits mit 51 Jahren. Sein Sohn Christian Friedrich Schlobach junior war zu dieser Zeit erst 19 Jahre alt.
So musste auch hier die Ehefrau das Geschäft weiterführen, bis Christian Friedrich 1850 nach seiner Hochzeit die Mühle übernehmen konnte. Aus dieser Ehe ging als erster Sohn am 17. Februar 1854 Christian Friedrich Hermann Schlobach hervor. Als er seine Schulzeit beendet hatte, erlernte er nach alter Tradition das Müllerhandwerk, wie es sein Vater und seine Vorväter getan hatten. Er übernahm die Heidemühle mit der Landwirtschaft nach dem Tode des Vaters, aber es hatte sich vieles geändert.
Die Geschäftslage für die Mühle wurde immer schlechter und die Landwirtschaft von 175 Morgen Feld, Wiesen und Wald war nicht mehr zu bewirtschaften. Der Wildschaden auf den Ländereien, die voll vom Wald eingeschlossen waren, war nicht mehr zu ertragen. Der Wildbestand nahm immer mehr zu und nach dem neuen Forstpolizeigesetz von 1851 gab es kein Mittel, um den Wildschaden einzudämmen. Nach diesen großen Verlusten sah sich Meister Hermann Schlobach gezwungen, den alten vom Vater ererbten Besitz an den Forstfiskus zu verkaufen. Im Jahre 1898 erfolgte die Übergabe und das gesamte Grundstück wurde wenige Jahre später abgebrochen. Meister Hermann Schlobach war der letzte Heidemüller. Seit 1959 sind auch das Forsthaus und die Grundstücke vom Zschernick verschwunden, da die Heide seitdem militärisch genutzt wird."

Eberhard Förster

Von Otto Heinze ist über die Heidemühle folgendes zu erfahren:

"Die Haidemühle erzählt……
Aus der  Regionalzeitung um 1930:

…., können heute noch nähere Angaben über die ehemals stolze Mühle in der Annaburger Heide (7,5 km von Annaburg entfernt) gemacht werden.
'Ehemaliges Kammergut des Königs August von Polen – Kurfürst von Sachsen (August der Starke) …. Im Jahre 1702 käuflich erworben von Tobias Schlobach, zuvor Pechhüttenbesitzer zu Durchwehna im Amt Düben (Bad Düben)'  das sind die wenigen geschichtlichen Stichworte, über den Ursprung der Mühle, die fast 200 Jahre im Besitz der Familie Schlobach war und die sich dabei immer vom Vater auf dem Sohn vererbt hat.
Am 1. April 1989 ist die Mühle dann vom letzten Besitzer (Christian Hermann Schlobach – nach Aufgabe der Mühle Gemeinde- und Sparkassenrendant) an den preußischen Forstfiskus verkauft worden. Mit unserem Bilde bringen wir eine Federzeichnung – angefertigt von Lehrer i.R. (im Ruhestand) Wilhelm Schlüter-(aus)Annaburg von der Mühle, so wie sie noch vielen alten Annaburgern in Erinnerung ist.
Die Besitzer der Haidemühle waren:
Tobias Schlobach                               1702 – 1723
Johann Friedrich Schlobach               1723 – 1758
Johann Christian Schlobach               1758 – 1771
Johann Christoph Schlobach              1771 – 1797
Johann Friedrich Schlobach               1797 – 1837
Johann Christian Schlobach               1837 – 1879
Christian Hermann Schlobach            1879 – 1898
Zur Mühle gehörten 175 Morgen Wald, Feld und Wiesenländereien. 'Historischer Boden' ist es, auf dem die Haidemühle einst gestanden (hat).
Nach der Gründlerschen Chronik hat hier bei einer Eiche ein Kurfürstentreffen stattgefunden, bei dem die Sache der Reformation besprochen worden ist. An der Zusammenkunft, die wahrscheinlich am 16.9.1546 stattfand, haben teilgenommen:
Kurfürst Johann Friedrich (der Großmütige) von Sachsen
Hermann V. von Köln
Joachim II. von Brandenburg
Die Eiche, unter der die Zusammenkunft stattgefunden hat, ist vom Volksmund (später) lange als 'Drei-Kurfürsten-Eiche' bezeichnet worden (Zeitgenossen bezeichneten die Stelle als 'Der dreyer Kurfürstentisch' so auf einer Karte von 1556 sowie auch in 'Pirschsteige und Wege in der Lochischen Heid' von 1572 benannt). Wie sich der letzte Besitzer der Haidemühle erinnert, ließ sein Vater ungefähr Ende der 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts an bezeichneter Stelle eine sehr alte, starke Eiche fällen (An dieser Eiche wird wohl das Waldzeichen für den 'Der dreyer Kurfürstentisch' auf gemahlt oder befestigt worden sein).  

Es ist wahrscheinlich, dass es die sogenannte 'Drei-Kurfürsten-Eiche' gewesen ist (dabei wird vermutlich aus Tisch – Eiche geworden sein). Die Zusammenkunft der Kurfürsten ist auf einem Bilde dargestellt worden. Das Bild war etwa 2 Ellen breit und 1 Elle hoch und war unter einem Wetterdach am Neugraben bei der Herzberger Straße aufgestellt. Nachdem es jahrelang verschwunden war, wurde es 1775 bei einer Räumung des Neugrabens wiedergefunden. Nach Prof. Schmidt, 'Kursächsische Streifzüge' hat August der Starke das 'Drei-Kurfürsten-Bild' auffrischen lassen und eine Kopie davon anfertigen lassen. Nach der Kopie ist dann ein Kupferstich gefertigt und im 12. Band der Sammlung 'Vermischte Nachrichten zur Sächsischen Heimat' veröffentlicht. Von dem Original und der Kopie hat man leider bis heute nichts wieder gefunden.
An der Stelle, an der die Haidemühle gestanden hat, soll sich zuvor ein Jagdhaus (gemeint vermutlich Horles Krug, der aber weiter oberhalb am Zschernicker Graben stand) befunden haben, in welchem die Landesherrschaft abstieg, wenn sie sich bei den früher hier befindlichen Teichen zur Fischerei einfanden. Die Mahlzeiten wurden bei günstigem Wetter oftmals im Freien auf einem kleinen Hügel dicht bei der ehemaligen Mühle eingenommen.
Der kleine Hügel trägt bis auf dem heutigen Tag im Volksmund noch die Bezeichnung 'Tafelberg'.
Die Haidemühle sah nicht nur den Besuch der Landesherrschaft sie sah auch nach Fertigstellung des Neugrabens auch die Holzflößerei auf diesem Wasserlauf (Neugraben wurde erstmals 1523 erwähnt und 1576/77 vollständig erneuert – die Heidemühle wurde aber erst 1619 erbaut und geflößt wurde auf dem Neugraben auch erst ab 1697).

Der letzte Besitzer der Mühle konnte sich nach seinen Aufzeichnungen in der „Scholbachschen Familienzeitung“ noch erinnern, wie in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts Langholz und Nutzholz mit 'Donnergepolter' durch die Freigerinne der Mühle hindurch geglitten sind. – Nach Anlegung der Wittenberg-Kohlfurter Eisenbahn ist das Flößen auf dem Neugraben eingestellt worden.
Was die Lage der Haidemühle anbetrifft, so konnte man nur von einem 'Idyll' sprechen. Der letzte Haidemühlenbesitzer schreibt dazu wörtlich:
'Die Mühle mit angrenzendem Feld und den Wiesen, letztere von dem mit alten Eichen und sonstigen Laubholz umsäumten Wiesendach durchzogen, war ringsum von immergrünenden Kiefernwald umschlossen. Von dem zwischen Mühle und Pechhütte gelegenen Berge bot sich dem Wanderer eine herrliche Aussicht über das vor ihm liegenden Mühlental dar, besonders im Frühjahr, wenn die Natur aus ihrem Winterschlaf erwacht war; Feld und Wiesen zu grünen begannen, die Bäume im Garten im vollen Blütenschmuck prangten, die alten hohen Linden ihren Blütenduft verbreitend, dazu das Plätschern der Mühlenräder. Da war die Haidemühle als reines Idyll zu bezeichnen und oft rieten mir zu dieser Jahreszeit vorübergehende Bekannte die Worte zu: Herr Schlobach! Sie wohnen ja im reinen Paradiese.' "

An anderer Stelle erfahren wir außerdem:

Aus der  Regionalzeitung um 1930:
'Die Haidemühle erzählt…-
des Haidemüllers Kampf mit dem Hochwildschaden'

"Mitte bis Ende des vorigen Jahrhunderts nahm der Wildbestand in der Annaburger Heide derartig zu, dass, wie den Schlobachschen Familienmitteilungen entnommen werden kann, man bei der Haidemühle z.B. keine Hand hinlegen konnte wo nicht eine Wildfährte gewesen wäre. Sehr zum Leidwesen der Besitzer der Mühle; denn mit der Vermehrung des Wildes vermehrte sich auch in erschreckendem Maße der Wildschaden, den die Felder der Heidemühle erlitten. Hermann Schlobach (letzter Besitzer der Heidemühle)' gibt uns auch hier in den Familienmitteilungen einen anschaulichen Bericht über seinen Kampf gegen das Hochwild, in dem er leider – eine Folge des damaligen Forstpolizeigesetztes von 1851 – ehrvoll unterlag.

Der Haidemüller erzählt hier wörtlich:
'Alle möglichen Mittel wurden zum Verscheuchen des Wildes angewandt. Schon als Knabe hatten ich meine schwere Arbeit, den um das Feld gezogenen Bindfaden immer wieder mit weißen Federn und weißen Lappen zu versehen. Ein Feldhüter war wegen Leutemangels nicht zu bekommen, sodass der von der Tagesarbeit ermüdete Vater oft noch nachts selbst auf das Feld gehen musste, um das Wild zu verscheuchen.
Als ich meine Militärpflicht genügt hatte, unterzog ich mich der großen Arbeit um das ganze Feld einen hohen Stangenzaun zu errichten. Bald musste ich auch hier zu der Erkenntnis kommen, dass die aufgewendete Mühe vergeblich war. Das Wild zu sehr an die Leckerbissen gewöhnt die ihm die Felder boten, zwängte sich durch die Stangen hindurch, dieselben zerbrechend, oder übersprang oft in ganzen Rudeln den Zaun, wenn es sich bei Jagden auf der Flucht befanden. Ganze Stangenfelder von Pfahl zu Pfahl wurden dabei eingedrückt.
Als ich im ersten Jahr die Wirtschaft übernommen hatte und im Frühjahr die Wintersaaten vom Wild in Grund und Boden gestampft fand, da wandte ich mich an die Abgeordneten unseres Kreises, dem ich in einem Schreiben die Verhältnisse darlegte!'

Diese Eingabe hatte den Familienmitteilungen zufolge Erfolg! Das damalige Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten griff die Beschwerde auf und willigte zur Abstellung der Missstände die unentgeltliche Lieferung eines Drahtzaunes, mit dem das ganze Feld eingezäunt wurde.
Der Wildschaden wurde jetzt zwar geringer; dadurch aber, dass die Herzbergerstraße die Felder durchschnitt und nachts die Straßentore nicht geschlossen werden konnte, verblieb dem Wild immer noch genügend Zutritt zu den Feldern der Heidemühle. Die Hilfe, wie sie die Errichtung des Drahtzaunes gegen das Wild darstellte, kam aber für die Heidemühle zu spät. Zu lange hatte die Wirtschaft unter dem Wildschaden zu leiden gehabt und die Folgen hatten sich schon überall, auch was die Baulichkeiten anbetraf, fühlbar gemacht und zuletzt einen wirtschaftlichen Rückgang herbeigeführt.
'Nur wer den Wildschaden in dem hohen Maße kennt wie wir ihn erleiden mussten (so schreibt der letzte Heidemüller) der kenn sich einen Begriff machen, wie tief derselbe auf die wirtschaftlichen Verhältnisse einwirkt. Haben wir doch an dem vom Gehöft entfernt gelegenen Stellen anstatt dem 7 oder 8 fache der Aussaat nur das 2 und 3 fache geerntet. Man hat durch solch Wintererträge nicht nur Ausfall an Körnern, sondern auch Mangel an Stroh, Futter und Streumaterial für das Vieh, daher Mangel an (natürlichen) Dünger, der wieder geringere Ernte verursacht. Anwendung von künstlichen Dünger erweist sich als Zwecklos, denn die bestentwickelten Saatbestände werden ja wieder vom Wild zuerst in Anspruch genommen und derartig zertreten und verwüstet, dass die Pflanze gar nicht zur Entwicklung kommt. Kein Wunder dass eine Landwirtschaft, die 30, 40 Jahre und noch länger, dauernd unter solchen Umständen zu leiden hatte, zu Grunde gehen musste!' 

 Soweit die Ausführungen des letzten Heidemüllers.  Der Schluss ist schnell erzählt! Der Not gehorchend, sah sich Hermann Schlobach gezwungen, den alten, vom Vater ererbten Besitz an den Forstfiskus zu verkaufen. Im Jahre 1896 erfolgte die Übergabe. Die Heidemühle ist damit das Opfer des damaligen Forstpolizeigesetztes von 1851 geworden.  Längst sind die Gebäude der Mühle abgebrochen und nur die Alten unter den Einwohnern erinnern sich noch der Mühle und des Platzes, auf dem sie einst gestanden hat. Erhalten geblieben ist nur noch der Name, denn des entsprechende Forstrevier führte den Namen 'Haidemühle' und hält damit die Erinnerung wach an die alte Mühle auf dem Zschernick – die 'Haidemühle'."  

Quelle:

    • Eberhard Förster; Mühlen zwischen Elbe und Schwarzer Elster; Bücherkammer; Herzberg 2006
    • Otto Heintze „Die Annaburger Heide“; Verlag Steinbeiß; von 1938;

 

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