Das Dorf

eine alte Hüfnergemeinde

Seit der Gründung und bis zum Ende des 19.Jahrhundert hatte sich Naundorf überhaupt nicht ausgedehnt. Das bebaute Siedlungsgebiet blieb über die Jahrhunderte fast unverändert, obwohl Naundorf, folgt man der Chronik recht häufig abbrannte. Vielleicht deshalb erscheint uns das eigentliche Straßendorf heute in seinem Centrum wegen der zwei parallelen Straßen als ein Angerdorf. Das Dorf wurde an der Straße von Bethau nach Gerbisbach erbaut.

Ihre Bewohner betrieben überwiegend Viehzucht statt Feldbau. Die Chronisten schrieben:

Die Bewohner beschäftigten sich meist mit Ackerbau u. Viehzucht, die scheinbar betriebene Pferdezucht wurde dann auch wohl zum Amtssiegel übernommen “springendes Pferd“. Es muß aber ge­sagt werden, da so gut wie keine Aufzeichnungen noch Urkunden vorhanden sind, daß das Schicksal über weiteres Wissen einen undurchdringlichen Schleier breitete. Wir fanden 1540 datiert, einen großen Brand im Dorf, aber ohne jede nähe­ren Angaben notiert. Erst mit dem Jahre 1632 können wir wieder Einblick in das Leben des Dorfes nehmen. Hier führt es uns in die schreckliche Zeit, die Deutschland erlebte, die Pestzeit im 30-jährigen Kriege. Das Dorf Naundorf muß aber schon damals auf eine längere Lebenszeit zurückblicken können, da es eine Kirche hatte, der Bethauer Pfarrer eben­falls kirchliche Handlungen in Naundorf vornehmen mußte. Im Jahre 1555 bestand bereits diese Verbindung, man spricht von Naundorf als Tochterkirche von Bethau.

Wie schon an anderer Stelle beschrieben, beginnen die schriftlichen Überlieferungen in unserer Region, meist in den Kirchenbüchern, sporadisch  mit der Reformation, durchgängig dann erst ab dem 30-igjährigen Krieg. Die beschriebene Filialkirche von Bethau ist auch auf der nachfolgenden Karte aus dem 18. Jahrhundert so ersichtlich. Es bedeutet aber auch, das die Gemeinde in Naundorf für eine eigene Kirchengemeinde zu klein war und keinen eigenen Pfarrer hatte. Die Aussage mit dem „Großen Dorf“ erscheint vor diesem Hintergrund recht fragwürdig. Die Straßendorfform ist auch auf der Karte von Mattheo Seutter 1756 recht gut zu erkennen. Nach dem Erbamtsbuch aus dem 16. Jahrhundert gab es 19 Hüfner im Dorf, aber auch einen Richter, einen Schmied, einen Forstknecht und einen Gärtner (Hüfner mit weniger Land). Diese Angaben stimmen auch mit der Gemeindeflur überein. Außerdem ist die gleiche Anzahl von Bauernstellen in den Separationsverhandlungen im 19. Jahrhundert namentlich verzeichnet.

Auf einer älteren Karte von 1586 können wir auch an der Dorfsignatur erkennen, dass es sich um ein Straßendorf handelt – obwohl der Weg dazu nicht eingetragen wurde.

Der direkte Weg der zum nahen Städtlein Annaburg führte war ein typischer Waldweg, der Apfelweg. Das Dorf, welches vielleicht auch unter dem Antonierorden gegründet wurde, gelangte 1156 in den Besitz der Grafen von Brehna. Das wissen wir, weil das hier übliche Scheffelmaß, das Jessener, Schweinitzer und Herzberger Maß gleich und wesentlich abweicht vom Wittenberger und Torgauer Maß. Es bildete sich unter diesen Grafen ein kleiner Wirtschaftsraum heraus der für unser Dorf und seiner unmittelbaren Umgebung für die nächsten Jahrhunderte bindend war.  Die zugehörende Wirtschaftsregion wechselte im 14. Jahrhundert den Besitzer und gehörte dann zum askanischen Besitz. Daher wurde es dann über die weiteren Jahrhunderte anfänglich von Schloss in Schweinitz aus geführt. Hier unter den Askaniern vom Schlossvoigt des Schweinitzer Schloss aus und dann mit Einführung der Ämterstruktur in Sachsen vom Amtmann des Schweinitzer Amtes aus. Das Dorf Naundorf war diesem Amte zinspflichtig, aber zusätzlich mussten die Bewohner bei großen Jagdveranstaltungen wie alle umliegenden Dörfer und Stadtgemeinden auch die Jagdfronde erdulden. Mehr als die anderen Orte war Naundorf bei der Ausrichtung der Jagd involviert. Denn in keinem anderen Dorf gab es einen „Forstknecht“ der hier Wohnung und Auskommen hatte. Es war nicht irgendein „Knecht“ sondern der auch als Heidevoigt bezeichnete Forstknecht Jörg Weidemann, Stellvertreter des Forst- und Wildmeisters aus Lochau (Annaburg).

Es wird danach auch kein Zufall sein, dass die Nummerierung der Jagdflügel bei Naundorf beginnt. Mehr als ein Indiz dafür, dass die meisten und vor allem die großen Jagdveranstaltungen von hier aus auch organisiert wurden. Das blieb so bis ins 16. Jahrhundert, danach verschob sich der Schwerpunkt der Jagdausrichtung nach Dautzschen, wobei die Jagdgesellschaften in der Lichtenburg Quartier nahmen. 

Für diese forstlichen Tätigkeiten (z.B. Jagdtreiber) bekamen die Dorfbewohner Hutungs- und Leserechte in den Randgebieten der Annaburger Heide zugesprochen. Diese wirtschaftliche Verflechtungen, aber auch die Verfügungsgewalt durch das Amt Schweinitz änderte sich mit der preußischen Besitzübernahme. Bis zu diesem Zeitpunkt war Naundorf ein reines Hüfnerdorf. Auch der 30igjährige Krieg mit seinem Aderlass steckte Naundorf unbeschadet weg, d.h. die Dorfstellen konnten durch das Amt wieder, vielleicht an deplatzierte ehemalige Söldner oder Marketender, vergeben werden. Das blieb eine Hüfnergemeinde. Die Chronisten schrieben:

Blättern wir in der Kirchenchronik zu Bethau, so können wir feststellen, daß diese mit dem Jahre 1632 ihren Anfang nimmt In Anbetracht der unsozialen und unhygienischen Zustände verbreitet sich die Pest immer mehr. Das Dorf muß zur da­maligen Zeit eine beachtliche Größe gehabt haben, denn, obwohl das Dorf 1637 von Schwedenhand teils niedergebrannt wurde und die Pest in den Jahren 1637 - 39 die Einwohnerzahl dezimiert hatte, zählte das Dorf wenige Jahre später nach dem Schrecken des 30-jährigen Krieges im Jahre 1651 noch 513 Einwohner. Die Pest und die Schweden wüteten so arg, daß einige Dörfer vollständig von der Bildfläche verschwanden.
U. a. bestanden 2 solche zerstörten Dörfer zwischen Naundorf und Plossig: Eschbrücke und Mark Burgstädel. Die Fluren führen noch heute diese Bezeichnungen. Nach weiteren 4 Jahren, 1665, zerstörte eine große Elbüberschwemmung viele Gebäude. Man Kann die Not der Gemeinde verstehen, wenn man all die Gründe betrachtet; viele hohe Steuern, den Brand, die Seuche u. dazu noch die Witte­rung, die das Wachstum der Feldfrüchte beeinträchtigte.

Die Karte von Mattheo Seutter bestätigt diese wüsten Flecken in Folge des 30igjährigen Krieges dagegen nicht. Sie werden vermutlich noch viel früher und aus anderen Gründen wüst gefallen sein. Naundorf blieb uns als ein klassisches  Dorf in den sächsischen Zeiten erhalten und trotzte der Überschwemmungen, aber auch den häufigen Brandereignisse und wurde immer wieder neu am gleichen Flecken aufgebaut.

Änderungen, auch die der Sozialstruktur, erfolgten anfänglich erst sachte mit Beginn der preußischen Übernahme und dann zum Ende des 19. Jahrhundert abrupter. Damit entstanden verschiedene Probleme die durch die veränderte Dorfgemeinschaft zu bewältigen war. 

BERND HOPKE
ANNABURGER ORTSCHRONIST

Annaoffice©2024-04-06

Quelle:
Zweite Chronistin Magda Miething; zur Chronik der Gemeinde Naundorf; 70iger Jahre, abschriftlich B. Hopke 2024-02-15;
Dr. phil. habil. Gerlinde Schlenker, Geschichte in Mitteldeutschland Bd.1 (2.veränd. überarb. erw. Aufl.) „Auf den Spuren der Wettiner in Sachsen-Anhalt, Verlag Janos Stekovics, Halle/S. 1999;
Matthäus Seutter; Ämterkarten – Amt Annaburg; um 1700