Mutter Anna

 die Kurfürstin von Sachsen als kluge Hausmutter und Gärtnerin


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Anna von Sachsen ist eine Frau voller Energie und Entschlossenheit. Sie ist nicht nur fleißig, sie ist schier unermüdlich. Sie bringt 15 Kinder zur Welt, doch nur vier erreichen das Erwachsenenalter. Vor jeder Geburt hat sie die Leichentücher bereitgelegt, und für die fromme Mutter scheint es ein Trost zu wissen, „dass wir Seiner Göttlichen Majestät angenehme, liebe Engelein überliefert haben.“

anna1Als überzeugte Anhängerin von Martin Luther redet und entscheidet sie auch in theologischen Fragen mit. Sehr zum Ärger der Calvinisten, die deshalb gern von „Gynägokratie“, der Weiberherrschaft, am Dresdner Hof sprechen. Doch Anna und August haben eben viele gemeinsame Interessen und Ansichten.

Trotz der vielen Schwangerschaften steht sie einem Haushalt vor, der täglich einhundert Leute zu verköstigen hat. Sie trägt die Schlüssel der Wäsche- und Speisekammern am Gürtel. Den für die Zuckerkammer nimmt sie sogar mit auf Reisen.

ps_20161119234254Die Kurfürstin ist eine kompetente Wirtschafterin. Geschickt verwaltet sie die Hofgüter, steigert die Erträge und vermarktet sie erfolgreich. Dabei scheut sie sich nicht, selbst am Butterfass zu stehen. Auch wenn man sie spöttisch die “dänische Käsemutter“ nennt, bleibt ihr die Königliche Herkunft stets bewusst.

Eine weitere Leidenschaft gilt dem Garten- und Obstbau. Nutz- und Ziergärten existieren nebeneinander. Obst, Gemüse und Kräuter für Küche und Apotheke sind genauso zu finden wie Pomeranzen, Tulpen und Lilien. Die Beete sind mit Brettern eingefasst, damit die gute Erde nicht weggeschwemmt wird, und die Gänge zwischen den Gartenteilen werden an den Seiten von Latten und Weidengeflecht begrenzt, an denen Wein oder andere Kletterpflanzen emporranken. Trotz mancher Ähnlichkeiten mit den Klostergärten des Mittelalters sind die „Lustgärten“ im 16 Jh. „ dem ehrbaren Vergnügen geweiht. Blumen und wohlriechende Kräuter seien dazu da, „die Augen zu erfreuen, die Nasen zu erfrischen, den Geist zu erneuern“, schreibt 1518 der Humanist Erasmus von Rotterdam. „Lust“ bedeutet in diesem Zusammenhang immer auch ein intellektuelles Vergnügen.

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Weitverbreitet ist das künstliche Obst- und Gartenbüchlein von 1571, in dem Kurfürst August seine persönlichen Erfahrungen bei der Obstzucht schriftlich niedergelegt hat. August I. ist leidenschaftlicher Pomologe (Pomologie = Obstbaumkunde) und betreibt die Obstzucht in großem Maße. In seinem Ratgeberbüchlein führt er die für jeden Monat notwendigen Gartenarbeiten auf. In drei Auflagen wird das Wissen des „Landesvaters“ unters Volk gebracht, mit dem Ziel, die Obstkultur im Lande und damit auch die Ernährung seiner Untertanen zu verbessern. Auf phantasievolle Weise fördert er den Obstanbau: So muss jedes Hochzeitspaar zwei Obstbäume pflanzen, die der Hof zur Verfügung stellt. Außerdem bemüht sich August erfolgreich, das für seine Baumschulen notwendige Saatgut zu beschaffen: 1577 erhält jeder Untertan, der ein Maß Kirschkerne abliefert, im Tausch die gleiche Menge Korn dafür. Im gleichen Jahr werden in den Gärten der Annaburg 26 Scheffel Haselnüsse, 15 Scheffel Kirsch- und 14 Scheffel Apfelkerne gesteckt (ein Scheffel = ca. 100 Liter).

Ein Inventurverzeichnis aus den neunziger Jahren zählt in den zur Annaburg gehörenden Gärten 266.850 Bäume. Anna fällt die Aufgabe zu, über ihr weitverzweigtes Netzwerk neue, edle Obstsorten herbeizuschaffen. Annas Obstgärten liegen in der Annaburg, im Ostra-Vorwerk und im „Zwingergärtlein“.

ps_20161119232511Hier vor allem kultiviert sie die Sorten für die fürstliche Tafel. Die passionierte Gärtnerin ist durchaus nicht abgeneigt zu experimentieren und Besonderes auszuprobieren. Die Setzlinge lässt Anna aus allen Teilen des Reiches kommen, aus Mecklenburg bezieht sie beispielsweise Reiser einer Sorte mit besonders großen Früchten, die sie auf Birnbäume pfropft.

Für den Winter wird felderweise Kohl angebaut, der sich einlegen und als Sauerkraut konservieren lässt. Dieser „Kaps“ ist auch an anderen Höfen sehr beliebt und wird in großen Fässern verschickt. Als Gegengabe erhält die sächsische Gärtnerin Rübchen aus Teltow und Braunschweig. Was in Sachsen nicht wächst, wird importiert. So kommen die Artischocken, die August besonders gerne mag, aus Bayern.

ps_20161119232432Wenn es um die Beschaffung und Kultivierung noch unbekannter Pflanzen geht, scheut Anna keine Mühen. So will sie wissen, wie man Wacholderbeeren sät und wie man den Boden vorbereiten muss. Sie korrespondiert dazu mit dem Erzbischof, der ihr die gewünschte Anleitung liefern kann. Danach lässt Anna in Augustusburg 10 Scheffel Wacholderbeeren aussäen, „um dort ein Wacholdergesträuch zu erzeugen“, dessen Früchte die Apothekerin Anna von Sachsen in Mengen für die Herstellung ihrer berühmten „aquae vitae“ braucht.

… Fortsetzung folgt.

Auch die heutigen Zeilen basieren auf den Ausführungen von Renate Hücking in dem Buch: Süchtig nach grün – Gärtnerinnen aus Leidenschaft, erschienen im Piper – Verlag.

An dieser Stelle sei einmal allen gedankt, die mir helfen, diese Beiträge zu schreiben. Allen voran sind da die Familien Schräpler und Trebeljahr zu nennen, die mich nicht nur mit Literatur, Informationen und Bildmaterial „versorgen“, sondern mir auch beim Durchdenken und Formulieren helfen.

Wenn ich ab heute auf Wunsch einiger interessierter Leser meinen Namen unter die Texte setze, dann geschieht das stellvertretend für eine Vielzahl interessierter und engagierter Annaburger, die mich mit Geduld, Kritik und Motivation unterstützen.

 

Karin Reihs

Förderverein Annaburger Porzellaneum e. V.

 

Quelle

  • Karin Reihs, Countdown 2017 – „Mutter Anna“, die kluge Hausmutter und Gärtnerin Annaburger Amtsblatt Nr. 11 vom 08.11.2016
  • Renate Hücking; Süchtig nach grün – Gärtnerinnen aus Leidenschaft, Piper – Verlag 2015.