Sachsen & Preußen

Sachsens Glanz und Preußens Gloria (1648-1815)


Sachsens Glanz und Preußens Gloria“ ist eigentlich der Titel eines sechsteiligen Fernsehfilmes, der auf historischen Ereignissen der Jahre 1697 bis 1763 basiert. Wir fassen ihn etwas weiter und zwar bezüglich der Änderungen am Fluss der Schwarzen Elster – vom Ende des 30 jährigen Krieges bis zur preußischen Einverleibung der Elsterniederung 1815.

„Als globaler Wandel werden zusammenfassend jene Veränderungen in Natur und Gesellschaft bezeichnet, die global wirksam die Lebensgrundlagen der Menschen irreversibel beeinflussen.“

Dieser Satz stammt aus einem Vortrag zu Schwarzen Elster aus unserer heutigen Zeit. Das hört sich daher auch ziemlich modern, gegenwartsbezogen an und man kann sich an dieser Stelle fragen, was diese Aussage mit der Geschichte der Schwarzen Elster zu tun haben mag – nun sehr viel.

Was sich so zeitgemäß anhört, hat auch schon die geschichtlichen Ereignisse längst vergangener Zeit maßgeblich beeinflusst.
Der globale Wandel betrifft also die Gesellschaftsveränderungen, den technologische Wandel (Entwicklung der Landwirtschaft, der Fischerei, der Transportsysteme, u.v.m.), die ökonomische Globalisierung durch die Entwicklung des Handels, vor allem des Fernhandels, des Überganges von der Tauschwirtschaft zur Geldwirtschaft und dem demographische Wandel.

Über Jahrhunderte waren Münzen nur Ergänzung zum Tauschhandel. Doch mit jedem Schub für die Wirtschaft wuchs ihre Bedeutung. Immer wieder gab es Versuche, das Münzwirrwarr mit einer Währungsunion zu beenden. Erster wichtiger Schritt war dabei die Reichsmünzordnungen im 16. Jahrhundert.

Und letztlich die Naturveränderungen, angefangen bei den klimatischen Veränderungen, der Änderungen der Landnutzung, und dem Verlust an Biodiversität (der Artenvielfalt im Zusammenhang mit dem Verlust der Vielfalt der einzelnen Ökosysteme innerhalb einer Kulturlandschaft).

Wichtige wasserbautechnische Leistungen in Preußen, die nach dem Dreißigjährigen Krieg einsetzten, wirken sich auch auf das Elstergebiet aus.

Im Dreißigjährigen Krieg wurde das Elstergebiet genau wie große Teile des deutschen Reiches stark verwüstet. Nach heutigen Erkenntnissen kostete der Krieg etwa drei bis vier Millionen Menschenleben bei einer Gesamtbevölkerung im Reichsgebiet von rund 17 Millionen. Die meisten Opfer forderten die Seuchen ab 1634. So waren viele Orte im Elstergebiet verlassen und lagen wüst.
Wenig beachtet, aber von großem Schaden war, dass mit der Unabhängigkeit der Niederlande und dem Verlust wichtiger Küstenregionen und Ostseehäfen an Schweden praktisch alle großen Flussmündungen unter fremdem Einfluss standen. Die deutschen Staaten hatten kaum Zugang zur Hohen See und waren damit weitgehend vom überseeischen Handel ausgeschlossen. Deutschland hatte damit nicht nur den Einfluss über seine eigenen Geschicke an die umgebenden Mächte verloren, es war auch wirtschaftlich von den Chancen abgeschnitten, die der Seehandel und der Erwerb von Kolonien anderen Nationen wie England, Frankreich und den Niederlanden eröffnete. Den deutschen Ländern blieb als nur die Entwicklung nach innen
Frankreich, England, Schweden und die Niederlande konnten sich nach dem Dreißigjährigen Krieg zu Nationalstaaten entwickeln. Mit dem aufblühenden Handel ging in diesen Ländern ein Aufschwung des liberalen Bürgertums einher, dessen Ausbleiben für Deutschland kaum ermessliche geschichtliche und gesellschaftliche Folgen hatte. Das Reich bildete weiterhin einen lockeren Verbund von Fürstentümern. Wenn dieser Verbund zum wesentlichen Friedensfaktor im Europa der nächsten 150 Jahre wurde, so geschah das auch auf Kosten der wirtschaftlichen Chancen Deutschlands und nicht zuletzt der Elsterregion.
Hinzu kommt noch der Umstand, dass der regionale Landesmittelpunkt – der kurfürstliche Hof – sich endgültig nach Dresden verlagert hat. Damit lag das Elstergebiet am äußeren Rand – so wie heute auch.
In dieser nachfolgenden Zeit begann Preußen unter dem „Großen Kurfürsten“ seine ungünstigen natürlichen Bedingungen (auch in Brandenburg gab es viele wasserreiche Feuchtgebiete, die landwirtschaftlich nicht genutzt werden konnten) im Laufe von Jahrhunderten durch wasserwirtschaftliche Maßnahmen gezielt zu beeinflussen.

„...Nicht nur die besten Böden Brandenburgs sind erst durch Meliorationen für die Volksernährung erschlossen worden. Weit größere Bedeutung noch hat der umfassende Ausbau der Wasserwirtschaft gewonnen. Er ist wesentlich dafür gewesen, dass hier das Kraftzentrum des Zweiten Deutschen Reiches entstehen konnte...“

Der Große Kurfürst“ Friedrich Wilhelm (Regierungszeit 1640 – 1688) entfaltete nach dem entscheidenden Sieg bei Fehrbellin 1675 über die eingefallenen Schweden vielfältige wasserbauliche, landbauliche und wasserwirtschaftliche Aktivitäten. So ließ er z.B. 1662 den Spree-Oder-Kanal bauen, der Berlin aus seiner abseitigen Lage befreite und somit sein Warenaufkommen wieder an das von Hamburg heranreichte. Mit dem „Potsdamer Edikt“, vom 29.10.1685 werden zielgerichtet „Kolonisten“ (Hugenotten, Pfälzer, Schweizer, Niederländer und Flamen) auf preußischem Gebiet angesiedelt, was mit der Melioration von Gebieten bei Potsdam, Berlin, Oranienburg, usw. einhergeht.
Die Preußen realisieren eine „Einwanderungs- und Kolonialisierungspolitik, verknüpft mit Wasserpolitik“. Sein Nachfolger der „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I von Preußen (Regierungszeit 1713 – 1740) macht in diesem Sinne weiter. So verfügte er über die Entwässerung und Urbarmachung des großen Havelländischen Luchs (Beginn: 14.03.1718), die Forcierung des Ausbaus von Wasserwegen (Dahme, Storkower Gewässer, u.a.), die Gründung des „Preußisches Ingenieurkorps“, zuständig auch für Wasserbauten und die weitere „Einwanderungs- und Kolonialisierungspolitik“.
Daraus geht Preußen organisatorisch gefestigt hervor. Die Staatseinnahmen verdoppeln sich; 600.000 Einwanderer vergrößern die Gesamteinwohnerzahl um ein Viertel.
Sein Ziel, eine „große, leistungsbereite Armee“, hat er auf „friedlichem Wege“ erreicht. Auch ohne Feldzüge wurde Preußen zum europäischen Machtfaktor.

In seinem politischen Testament legt er

Für meinen Sohn Friedrich“ das Ziel vor; „das Königreich Preußen mit friedlichen Mitteln zu stärken und die Ernährungslücken zu schließen“

So verfährt auch „Friedrich der Große“ Friedrich der II. von Preußen (Regierungszeit 1740-1786) nach dem bewährten Muster und vervollkommnet die „Landeskultur und die Wasserwege“. Als ingenieurtechnische Meisterleistung sei insbesondere die Melioration (Urbarmachung) des Oderbruchs zu nennen:

„Hier habe ich eine Provinz gewonnen, die keinen einzigen Mann gekostet hat.“

Aber damit gibt er sich nicht zufrieden, es folgen die Trockenlegung des Rhinluch, der Altmärker Wische, der Bau des Finowkanals, des Plauer Kanals, sowie die Anlegung der Trenndeiche Elbe-Havel. Terrain für weitere „Kolonisten und Siedlertätigkeit“ ist so entstanden. Das hatte auch seinen Preis; die „Subventionen“ des Königs dürften im preußischen Gesamtgebiet bei rund 50 Mio. Taler für Meliorationen und Schifffahrt gelegen haben, hinzu kommen ca. 25 Mio. Taler für die Unterstützung der Siedler und Kolonisten („Erstausstattung“, Beihilfen, … – zum Kostenvergleich: der „Siebenjähriger Krieg“ soll dem Königreich Preußen 150 Mio. Taler gekostet haben)
Erreicht wurde u.a., dass

…wandert das Holz aus der Neumark, das sonst in den Wäldern verfaulte, von der Mietzel über die Oder, den Finow-Kanal, die Havel und Plauen zur Elbe, geht dort die Saale aufwärts und dient in Halle zur Salzsiederei.“

Nach dem Tode Friedrich des Großen 1786 wurde nicht mehr so intensiv in dieser Richtung gearbeitet – man kann von einer „Wende zur Lässigkeit“ sprechen. (König F. Wilhelm II. [1786 – 1797] und III. [1797 – 1840])
Dennoch wird der Spreewald (vor 1635 im Besitz des „Hauses Habsburg“, ab 1635 kursächsisch und gemäß „Wiener Kongress“ ab 1815 Preußen „zugeordnet“), nachdem seine Bewohner „großen Belastungen durch Wasserverhältnisse ausgesetzt“ waren, mit dem „Preußisches Vorflutedikt“ vom 15.11.1811 – Begradigung „Hauptwasserzüge Oberspreewald“ – so hergerichtet, wie wir ihn heute noch kennen. Es folgen vor und nach 1850 verschiedenste kleinere Meliorationsmaßnahmen, aber eben auch die Begradigung und einheitliche Eindeichung der Elbe, sowie die Regulierung der Schwarzen Elster im Mittellauf.

Soweit zu Preußen und seine wasserbautechnischen Leistungen in der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg. Wie aber sah es nun in unserem „glanzvollen“ Sachsen aus?
Wir wissen, dass vor den großen Regulierungen das Schwarze Elster-Gebiet vergleichbar mit dem Spreewald ein sehr verzweigtes Gewässersystem darstellte. Noch teilte sich aufgrund der Gefälleverhältnisse der Fluss im Bereich zwischen Tätzschwitz bis unterhalb Bad Liebenwerda in viele Arme, z. B. Alte Elster, Barans Elster, auf. Zwischen Hauptstrom im Norden und Grenzstrom im Süden breitete sich ein Gewirr von Wasserarmen mit dazwischen liegenden Inseln aus. Die wirtschaftlichen Verhältnisse vor der Industrialisierung (bis ca. 1855) glichen traditionell den Bewirtschaftungsformen des Spreewaldes. Der Reichtum der Elster waren ihre Fische und Krebse. Die Fischerei bildete eine Haupteinnahmequelle der Region. Traditionell wurde Wiesenwirtschaft betrieben. Das Vieh trieb man zum Abweiden des Grases durch die seichten Flussarme auf die Inseln. Der Kahn stellte zu dieser Zeit ein Hauptverkehrsmittel dar. Üblich waren Hochwasser, die oft zur Vernichtung von Ernten führten. Charakteristisch waren auch die Mühlenstaue, die zum Teil auch heute noch vorhanden sind.

Urkundlich wurden 28 dieser Staue erwähnt, beispielsweise wurde so das Eisenwerk Lauchhammer über den Hammergraben betrieben. Bis 1850 änderte sich nichts daran.

Wo heute (1935) saftige Wiesen, gepflegte Äcker, Gärten und schmucke Siedlungen stehen, wurde bei Hochwasser um 1850

„die ganze Gegend auf mehrere Wochen überschwemmt und glich dann einem weit wogenden See. Das Wasser verlief sich nur allmählich und erzeugte namentlich an den heißen Sommertagen Fäulnis der darunter begrabenen Vegetation. Durch die modrigen Ausdünstungen dieser Sümpfe waren die Bewohner häufig durch Krankheiten heimgesucht. Das einzige Verkehrsmittel war der Kahn, der mühsam … die trübe Flut durchfurcht.“

Die sächsische Entwicklung verlief etwas anders. Sachsen unterhielt zwar keine große Armee, deswegen war Nachwuchs für Soldaten nicht so knapp. Man brauchte deshalb keine zielstrebig geplanten Neuansiedlungen und Gründungen neuer Dörfer durchzuführen. Nicht einmal alle wüstgefallenen Ansiedlungen im Zuge des Dreißigjährigen Krieg konnten wieder zum Leben erweckt werden. Dennoch konnte sich die Wirtschaft Sachsen recht gut erholen; sie war durchaus leistungsstark, aber ihre Leistungskraft verdankte sie lediglich der Grundlagen, die bereits im 16. Jh. hier gelegt wurden. Solche Aktivitäten wie in Preußen gab es in Sachsen nicht. Der „Glanz“ Sachsens verbindet sich eher mit der Zeit der kulturellen Blüte in dieser Zeit als mit bahnbrechenden wirtschaftlichen Erfolgen, auch mit den hochfliegenden und meist gescheiterten politischen Ambitionen der sächsischen Kurfürsten.
Die Prachtentfaltung, welche die sächsischen Kurfürsten, allen voran August der Starke, an den Höfen des westlichen und südlichen Europas kennen gelernt hatten, versuchten sie auch am Dresdner Hof zu erreichen. Die Förderung von Architektur und Kunst, die großen Gemäldesammlungen wie die Dresdner Gemäldegalerie und das „Grüne Gewölbe„, die prächtigen barocken Bauwerke wie das Schloss Moritzburg, der Dresdner Zwinger und die Dresdner Frauenkirche, Erfindungen auf technischem und künstlerischem Gebiet, so etwa die Errichtung der ersten abendländischen Porzellanmanufaktur in Meißen 1710, haben der sächsischen Residenz Dresden den bewundernden Beinamen „Elbflorenz“ gegeben und bis jetzt erhalten.
Die heute noch vorhandenen Zeugnisse dieser Zeit sind jedoch teuer bezahlt. Hohe Steuern und eine harte Politik gegen die Vertreter des Volkes, die Landstände, haben erst die enormen Summen beschaffen helfen, welche die sächsischen Kurfürsten für ihre Pläne benötigten. Summen, die auch das damals wirtschaftlich bereits blühende Sachsen nicht ohne Schwierigkeiten aufbringen konnte.
Der rücksichtslose Umgang unter Augusts dem Starken mit seiner Umgebung hat sich ins Geschichtsbewusstsein der Menschen eingeprägt. Er zögerte nicht, in Ungnade gefallene Berater in Festungshaft setzen zu lassen. Die mit ihm seit 1693 verheiratete Bayreuther Markgräfin Christiane Eberhardine musste sich jahrelang die Zurücksetzung durch Augusts zahlreiche Mätressen gefallen lassen. Sie starb am 5. September 1727 auf Schloss Pretzsch an der Elbe, wo sie jahrelang fern vom Hofe ihres Mannes gelebt hatte.
Allein das Erringen der polnischen Königskrone musste durch August dem Starken teuer erstanden werden und brachte keinen Gewinn für Sachsen.
In der Nacht vom 26. auf den 27. Juni 1697 wurden Friedrich August I. und der Prinz von Conti von ihren jeweiligen Parteigängern gleichzeitig zum polnischen König ausgerufen. Der sächsische Kurfürst stand zu dieser Zeit bereits mit einem Heer an der polnischen Grenze. Gleich nach Bekannt werden der Wahl marschierte er in Polen ein und konnte sich gegen die Konkurrenten durchsetzen. Am 15. September 1697 wurde er in der Krönungsstadt Krakau als August II. mit einer mitgebrachten Krone vom Bischof von Kujavien zum polnischen König gekrönt. Den Ausschlag zu diesem politischen Erfolg aber gaben große Summen an Bestechungsgelder, die Friedrich August durch seinen Berater, den Grafen Jakob Heinrich von Flemming, an die entscheidenden Wähler zahlen ließ, um sie sich gewogen zu machen. Große Teile des kurfürstlichen Schatzes und die Handelsrechte wurden verkauft, Ländereien abgetreten, um die nötigen Mittel aufzutreiben.

Sachsens Glanz und Preußens Gloria“ endet mit dem Siebenjährigen Krieg 1756-63.
Sachsen wird Ziel eines preußischen Präventivschlages und sowohl der sächsische Minister Brühl als auch August III. müssen entmachtet das Land verlassen. Die wirtschaftlichen Folgen für die Bevölkerung waren katastrophal. Der Verlust an Soldaten war immens – so verlor allein Preußen 180.000 Mann. Auch die Zivilbevölkerung wurde dezimiert, insbesondere in den am stärksten betroffenen Gebieten Sachsens.
Sachsen und Mecklenburg hatten als von den Preußen besetzte Gebiete auch sehr stark unter Plünderungen, Zwangsrekrutierungen und Kontributionszahlungen zu leiden.

Zurück zu unserem Fluss, der Schwarzen Elster. Der sächsische Hof nahm durchaus wahr, was sich wasserbautechnisch in Preußen getan hat. Es gab genügend kluge Köpfe, auch in Sachsen, die ähnliche Projekte hätten realisieren können; nur leider fehlte es an der nötigen Weitsicht und am lieben Geld. Geld wurde am Hofe immer benötigt, woher es kam und was damit passierte, ist schon beschrieben. Für Investitionen in die Zukunft, wie in Preußen geschehen, dafür war leider kein Geld da.
All dies sollte man im Hintergrund beachten, wenn es um die nachfolgenden Veränderungen am Elsterfluss geht. Diese erfolgten bis 1815 unter Führung Sachsen und ab 1815 im Ergebnis der Befreiungskriege gegen Napoleon unter Preußen.
Ähnlich wie im Spreegebiet wurde letztlich auch erst unter Führung Preußens eine umfassende Regulierung im Bereich des Einzugsgebietes der Schwarze Elster durchgeführt.

Preußen sei Dank.


Bernd Hopke

Quellen

• Europa Info-Online 2002 http://userpage.fu-berlin.de/~tmuehle/europa/euro
• Müller, J. 1935; Paulitz 1830 in die Schwarze Elster
• Friedrich der Große, Das politische Testament von 1752, Friedrich der Große - Werke und Schriften, Bechtermünzverlag 1998
• Dietrich Hanspach: „Der Schraden“;Böhlau Verlag 2005