Kriegsnagelung

Eiserne Gedenktafel für die gefallenen Annaburger

Objekt: "Eiserne Gedenktafel für die gefallenen Annaburger"
Feierliche Übergabe: 21. Oktober 1915

Hier wurden gegen eine Spende, eiserne, silberne und auch golden Nägel in ein Objekt, Figur, Skulptur oder auch nur eine einfache Kiste durch verschiedene Personen eingeschlagen.

Diese als Kriegsnagelung bezeichnete Aktion wurde ausgehend in Österreich-Ungarn im ganzen Deutschen Kaiserreich während des ersten Weltkrieges in zahlreichen Städten durchgeführt. Diese Objekte wurden meist im öffentlichen Raum aufgestellt um Unterstützungsgelder zu sammeln.
Die eigentliche Geschichte der Kriegsnagelungen beginnt am 6. März 1915 mit der feierlichen Einweihung des Wehrmanns in Eisen auf dem Schwarzenbergplatz in Wien.
Die Idee dazu stammte von Korvettenkapitän Theodor Graf Hartig.
Er griff dazu einen alten Wiener Brauch auf, der dort seit dem Mittelalter bekannten Baumnagelung. Auf deren Grundlage hatten dann seit dem 18. Jahrhundert durchziehende Schlosser- und Schmiedegesellen bei ihrer Wanderschaft an dem bekannten Ort in der Donaumetropole, dem „Stock im Eisen“ einen Nagel hinterlassen.
Der Korvettenkapitän verknüpfte diese bekannte Tradition mit einer Spendensammlung.
Von dort verbreiteten sich diese Art der Spendenbeschaffungen nicht nur in Österreich-Ungarn, sondern auch rasant im Deutschen Kaiserreich und anderen Länder.

An den Nagelungen beteiligten sich im Rahmen öffentlicher Veranstaltungen mit feierlichem Charakter breite Bevölkerungskreise. Parallel dazu erfolgten in Schulen unter Beteiligung von Schülern Schulnagelungen. Die dadurch eingenommenen Gelder dienten der Unterstützung von Kriegsopfern, wie Hinterbliebenen und Verwundeten. Die Einnahmen im geschätzten einstelligen Millionenbereich an Mark waren eher nicht entscheidend für den Erfolg der Nagelungen. Weit bedeutender war ihre propagandistische Wirkung, da sie den Patriotismus und das Gemeinschaftsgefühl der Menschen ansprachen und so zur Stärkung der Heimatfront beitrugen. Es wurde schnell erkannt, dass diese Aktion:

- eine gemeinschaftsstiftende Aktion, um Risse im sozialen Gefüge zu verdecken und die Volksgemeinschaft nach außen sichtbar zu machen. Eine ähnliche Funktion hatten auch andere Veranstaltungen, wie in Deutschland Festlichkeiten zum Kaisergeburtstag oder Feiern zum Sedantag.
- patriotischer Akt, bei dem die Teilnehmenden ihre Siegeszuversicht, das Vertrauen in die politische und militärische Führung sowie ihre Opferbereitschaft zeigen konnten. Die Beteiligten zeigten durch den Akt des Nagelns ihre vaterländische Gesinnung.
- Akt der Kraftübertragung in die hölzerne Unterlage durch Hammerschläge. Mit den zum Teil heftig und mit Inbrunst ausgeführten Schlägen konnte sinnbildlich der Eindruck entstehen, dass die Schläge dem Feind galten, um ihn zu zertrümmern. Derartige Aussagen enthalten zu Nagelungen verfasste Gedichte, wie „Damit wir zerschmettern mit wuchtigem Streich. Die Feinde ringsum. Für Kaiser und Reich.“
- Kriegswahrzeichen, aus dem ein Fetisch mit magischer Bedeutung wurde. Den Nagelungsobjekten wurden zum Teil übernatürlichen Eigenschaften zugesprochen, so dass Menschen eine persönliche Beziehung zu den genagelten Objekten entwickelten.
- Akt der Selbstbeschwärung, da das Vaterland den Krieg nicht verlieren könne, wenn so viele Menschen durch das Nageln ihre Opferbereitschaft zeigten, um den Sieg zu erringen.
- Gelübde der Menschen, die nicht an der Front kämpften und sich einsetzen wollten, um den Sieg zu erringen.
- Ehrung der im Krieg Gefallenen in der Vorwegnahme von Kriegerdenkmalen, die beim Aufkommen der Nagelungen 1915 noch nicht aufgestellt waren.
Praxis

Von Gemeinden und karitativen Organisationen wurden aus Holz, einige deutsche Quellen erwähnen Eichenholz, gefertigte Figuren (Ritter, Soldaten, Generalfeldmarschall von Hindenburg und andere) beziehungsweise regionale und nationale Symbole wie beispielsweise Stadtwappen, Eiserne Kreuze, Säulen aufgestellt. Diese Figuren wurden oft von namhaften Künstlern entworfen und geschaffen. Gegen Entrichtung einer Mindestspende durften die Bürger einen Nagel in dieses Objekt schlagen. Die Nägel wurden in Eisen und Silber, manchmal auch Gold zu unterschiedlichen Preisen angeboten. Die Nägel waren teilweise auch vergoldet oder versilbert, ihr Materialgegenwert war jedoch stets wesentlich geringer als die dafür zu leistende Spende. Zum Beweis für ihre „patriotische Spende“ erhielten die Spender je nach Ort und Höhe der Spende Anstecknadeln, Urkunden oder sonstige Spendenbescheinigungen, die oft mit einer laufenden Nummer versehen waren.
Eine von dem Berliner Bildhauer Gotthold Riegelmann (1864–1935) verfasste Broschüre „Der Stock im Eisen, Praktische Ratschläge zur Errichtung einfacher Nagelholzmale mit Ideen-Skizzen und Kostenberechnungen“ enthielt die Ratschläge:

- zur Auswahl der Holzart – abhängig davon, ob das Nageldenkmal gänzlich oder nur teilweise von Nägeln umschlossen ist
- zur Dimensionierung – Riegelmann empfiehlt hohe und schlanke Formen und gibt die Anzahl von etwa 30.000 bis 40.000 Nägeln pro Quadratmeter zu bedenken
- zur Motivwahl – Riegelmann hält das Eiserne Kreuz, das deutsche Schwert, die deutsche Eiche oder auch das 42 Zentimeter-Geschoss neben heraldischen Formen und Wappentieren für besonders geeignet. Da es Spendern widerstreben könnte, einen Nagel in die Figur eines noch lebenden Menschen zu treiben, rät er von solchen ab.

Mit Kriegsende wurden die Statuen von ihren meist prominenten Standorten entfernt. Manche von ihnen wurden später wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Die Nationalsozialisten griffen die erfolgreiche Idee der Nagelungen auf und wieder wurde die Spendenaktion ein großer Erfolg.

Nachgewiesene Kriegsnagelungen in unserer näheren Umgebung:
Torgau: 
Eine Mackensen-Säule wurde 1915 benagelt. Benannt wurde sie nach August von Mackensen, der hier sechs Jahre lang das Gymnasium besuchte. Feierliche Übergabe: 7. November 1915 
Aufstellungsort: auf dem Marktplatz vor dem Rathaus
Jüterbog Altes Lager (ehemaliger Militärflughafen, der heute zur Gemeinde 14913 Niedergörsdorf im Kreis Teltow-Fläming gehört) 
Objekt: Nagelung im Casino in der Kaiserstraße
Jüterbog: 
Eine rund 2,6 Meter große Nagelfigur mit dem Aussehen des Heiligen Mauritius und den Gesichtszügen Hindenburgs wurde von Karl Kiesche geschaffen, im Schulhof der Schillerschule aufgestellt und ab 21. Oktober 1915 benagelt.
Jüterbog
Objekt: Schild der Firma Glasmachers 
Schule /Klasse: Schule Lindow-Maltershausen 
Motiv:  ‘Schwert und Schlange‘ 
Nagelung zu Gunsten der „Jugendspende für Kriegerwaisen“
Wittenberg/Lutherstadt
Objekt: Eisernes Kreuz als Türfüllung 
Feierliche Übergabe: 31. März 1916 
Aufstellungsort: im Festsaal des Melanchthongymnasiums in der Neustraße 
Erlös: geschätzt 5000 Mark
Bitterfeld: 
Objekt: Eisernes Kreuz 
Zeitraum nicht näher bekannt
Dahme
Objekt: Ehrenschild des Vaterländischen Frauenvereins 
Feierliche Übergabe: 21. Mai 1916
Mühlberg (Elbe)
Objekt: "Hindenburg-Bild" 
Feierliche Übergabe: 24. Oktober 1915 
Aufstellungsort: im Rathaussaal

 

Quelle:
Internet unter https://www.kriegsnagelungen.com/
Quelle: http://www.munzel-everling.de/download/Kriegsnagelungen_August_2012.pdf 
Siehe Gerhard Schneider S. 109; 149; 455; 496