Kriegsgefangenenlager

Oflag54 (IV E)  –  Stalag IV DZ  – IV D Heilag Annaburg


In das Kasernengebäude der 1881 errichteten Unteroffiziervorschule zog mit Ausbruch des Krieges wieder militärisches Leben ein. So zog die am 2. April durch Generaloberst Frießner, Inspekteur des Erziehungs- und Bildungswesens im Heer, neu aufgestellte Unteroffizier-Vorschule Annaburg in das verwaiste Gebäude ein. Der Einzug der ersten 660 Jungschützen, so die Dienstgradbezeichnung der Unteroffizier-Vorschüler, erfolgte am 01. Juni 1940. Um so viel Auszubildende aufnehmen zu können, die Kaserne war ursprünglich für 250 Personen ausgelegt, wurden zusätzliche Baracken auf dem Kasernenvorplatz und im Schlossbereich errichtet.       

Diese Einrichtung sollte aber keinen langen Bestand haben. Bereits am 31. März 1941 wurde die Schule aufgelöst und die Jungschützen zu anderen Unteroffizier-Vorschulen im Reichsgebiet versetzt. Man hatte mit Annaburg anderes vor. Nahtlos wurde mit der Umfunktionierung der Kaserne und ihrem Gelände in ein Kriegsgefangenenlager begonnen. Vermutlich war es von Anfang an geplant das Lager als ein Zweiglager von Torgau aus zu führen. Die genaueren Fakten zu den unterschiedlichen Lager wurden erst durch die Arbeit von Thomas Finke, Mitglied des Vereins Heimatgeschichte und Denkmalpflege e.V. Annaburg  bekannt. Den vorherigen Sachstand kann man an Hand des nachfolgenden Artikels entnehmen.

"Nach der Auflösung der Unteroffiziers[vor]schule in der Kaserne - der heutigen Garnison - im Jahre 1920/21 wurden die Räume für Privatwohnungen genutzt. Außerdem soll zeitweise eine Einheit der Schutzpolizei untergebracht gewesen sein. Nach dem Machtantritt des Hitler-Faschismus 1933 wurde die Kaserne ab 1933 als RAD-Lager (Reichsarbeitsdienst) genutzt, wahrscheinlich bis zum Jahre 1939/40. 450-500 Mann unterstanden dem Wasserausbau Torgau und der Oberförsterei Eberswalde.
Ab 1941 wurde die Kaserne als Kriegsgefangenen-Lager eingerichtet. Auf dem Hof gab es 4-6 Baracken. Insassen waren Engländer und Inder. Die Wachmannschaft wurde von der Wehrmacht gestellt. Die heutige "Sekundarschule" war vom 4. Landesschützen-Bataillon 383 belegt. Es handelte sich um Wehrmachtsangehörige, die im Krieg verwundet wurden, aber noch nicht wieder kriegsverwendungsfähig waren und deshalb als Wachmannschaft eingesetzt wurden. In Erweiterung des Lagers in der Kaserne wurden auf dem heutigen Schulhof Baracken errichtet, um die wachsende Zahl von Kriegsgefangenen unterzubringen. 4 Baracken sollen quer zwischen Schule und Schloss gestanden haben. Außerdem befand sich möglicherweise noch eine große Baracke in Längsrichtung.
Das Gelände war mit einem Stacheldrahtzaun eingefasst. Insgesamt haben sich wahrscheinlich etwa 1.800 Kriegsgefangene in Annaburg befunden. Nur für die englischen bzw. indischen Gefangenen gab es Post und Pakete. In der Turnhalle war ein Proviantlager eingerichtet worden.
Die Annaburger Einwohner sollen keinen oder nur spärlichen Kontakt gehabt haben. Es wird aber berichtet, dass bei der Arbeit oder durch den Zaun Häftlingen - auch von Kindern - Esswaren zugesteckt wurden, obwohl es ein strenges Verbot gab.
Die Gefangenen - Ausnahme Engländer - wurden in Annaburger Betrieben, bei den Bauern der Stadt und Umgebung sowie bei wald- und Straßenarbeiten eingesetzt, um die fehlenden deutschen Arbeitskräfte zu ersetzen. Mit der Dauer des Krieges wurden immer mehr Männer zur Wehrmacht eingezogen. Mittag- und Abendessen gab es in der Kaserne, Frühstück stellten die jeweiligen Betriebs- bzw. Wirtschaftsbesitzer.
In der Kaserne war auch wahrscheinlich ein englisches Austausch-Lazarett eingerichtet. Im Jahre 1942 soll auf dem Dach u.a. auch ein rotes Kreuz angebracht worden sein.
Im der früheren Gaststätte Dubro (Eckhaus Torgauerstr./Markt) befand sich mindestens seit 1942 ein polnisches Frauenlager. Unten im kleinen Saal und in einigen oberen Zimmern waren diese Frauen untergebracht; wahrscheinlich waren es zwangsverschleppte polnische Bürger.
Auch im damaligen Steingutwerk sollen Franzosen und Inder untergebracht gewesen sein und im Werk gearbeitet haben.
Neben dem Schilbach`schen Grundstück (Marktplatz) waren etwa 40 Franzosen in einem kleinen Lager. Auch der (ehemalige) "Bürgergarten" (neben dem Kino) war mit polnischen Kriegsgefangenen belegt. Einzelne Polen waren bei einigen Bauern der Stadt als billige Arbeitskräfte fest einquartiert.


Annaburg, den 20. April 1987"

Mit dem Balkanfeldzug der deutschen Wehrmacht 1941, der am 06. April begann und mit der jugoslawischen Kapitulation am 17. April 1941 formal endete, entstand ein zusätzlicher Bedarf zur Unterbringung angefallener Kriegsgefangener. Der deutsche Angriff, der eigentlich nicht geplant war, erfolgte als Reaktion auf einen Umsturz in Belgrad, der ein deutsch-freundliches Regime durch ein pro-britisches Militärregime ersetzte. Die Notwendigkeit des Krieges 1941 ergab sich zur Sicherung der Südflanke für den bevorstehenden Russlandfeldzug die durch diesen Militärputsch bedrohten war.

Diese militärische Aktion verzögerte sogar den Überfall auf die Sowjetunion um einige Wochen. Mit der Kapitulation entstand kurzzeitig ein noch höherer Bedarf an Unterbringungskapazitäten für Kriegsgefangene. So wurden kurzzeitig serbische Offiziere im Frühjahr 1941 auch in Annaburg interniert. Nach den Bildaufnahmen des schweizerischen Roten Kreuz und den Informationen des Bundesarchives wurden hier serbische Offiziere interniert. Die vormalige Annahme der Internierung des serbischen Generalstab konnte hier nicht bestätigt werden (Diese Information beruht lediglich auf der Aussage eines Annaburger Zeitzeugen). So entstand kurzfristig aus der Unteroffiziersvorschule ein Offiziersgefangenenlager (Oflag) in Annaburg, welches anfänglich nur auf das Kasernengebäude mit den hier vorhandenen Baracken beschränkt war. Die Kapazität betrug daher anfänglich nur ca. 500 Personen. Zur zusätzlichen Sicherung wurde ein Doppelzaun um das Kasernengebäude und den Baracken angelegt. Die ehemalige Führung(Stab)-Baracke wurde zum Wachlokal.

Um auch die Baracken auf dem heutigen Schulplatz im Schlossbereich nutzen zu können, wurde auch hier ein zusätzlicher Sicherungszaun errichtet. Das Schloss und Vorschloss konnte aber nicht vollständig einbezogen werden, da die zivile Fremdnutzung nicht vollständig verlagert werden konnte. So verblieb im Vorschloss die Annaburg-Prettiner Mittelschule, wie die teilweise Wohnungsbelegung auch im Schloss bestehen. Im direkten Schloss-Bereich zogen die nötigen Lager Werkstätten und Schreibstuben zur rückwärtigen und administrativen Versorgung des Kriegsgefangenenlagers unter. Wobei das alte Stabsgebäude wieder bestimmungsgemäß genutzt wurde. Die hier wohnenden Familien wurden in die zu diesem Zweck errichteten Wehrmachtsbaracken auf dem Schützenplatz umquartiert. 

Spätestens ab Mai war klar, dass dieses Lager ein „Speziallager“ für  indische Kriegsgefangene vom afrikanischen Kriegsschauplatz werden wird.

Die offizielle Bezeichnung lautete Oflag54 Annaburg. In dieser Funktion und Bestand wurde das Lager vom 09. April 1941 bis 31.März 1942 geführt. Vermutlich weil Jugoslawien auch als Verbündeter von England galt, trat in Annaburg die Schweiz als neutrale Schutzmacht schon von Anfang an in Erscheinung. Man geht in der Anfangszeit von einer Belegung von ca. 600 (Kaserne) – 1.000 (zusätzliche Baracken) gefangener Personen aus. Hier wurden, Stand 01.06.1941 ca. 600 Offiziere britischer Herkunft mit anderen Nationalität, als Hindus und Mohammedaner charakterisiert, im Lager interniert. Diese Zahl wird aber die der serbischen Offiziere entsprochen haben, die bis Mitte Juni 41 auf andere Lager verteilt wurden um den ersten indischen Kriegsgefangenen Platz zu machen. 

In der Folgezeit kamen nun zielgerichtet weitere indische Gefangene vom Afrikanischen Kriegsschauplatz nach Annaburg. Das Oflag IV E Annaburg, wie es zum Abschluss noch umbenannt wurde, bestand bis 31.05.1942. Auch wenn das Lager als Oflag geführt wurde, überwogen hier aber trotzdem die Mannschaftsdienstgrade. Warum man an der Oflag-Bezeichnung festhielt kann daran gelegen haben, dass man so eine versehentliche Überbelegung verhindern wollte (Oflag waren 1.000 Mann begrenzt), oder aber man wollte dadurch die indischen Kriegsgefangenen besser versorgen (Offiziere hatten einen besseren Versorgungsstatus als Mannschaften). Es wurde den indischen Gefangenen auch freigestellt „Arbeiten“ zugehen. 200-400 Inder nutzten diese Möglichkeit. Ihre Unterbringung erfolgte dann sogar zum Teil bei den Familienbetrieben (in unserer ländlichen Region waren es ja meist landwirtschaftliche Betriebe) außerhalb des Lagers.

Der Zweck des Lagers für indische Kriegsgefangene in Annaburg bestand darin, unter den hier internierten indischen Soldaten,  Freiwillige für die Legion freies Indien anzuwerben. Das geht auf eine Initiative des indischen Freiheitskämpfers Subhash Chandra Bose zurück der in Deutschland aus diesen Kriegsgefangenen eine Befreiungsarmee mit deutscher Hilfe aufbauen wollte. Es war Beabsichtigt diese militärische Einheit zusammen mit deutschen Kräften im Kaukasus einzusetzen. Aus diesen Freiwilligen wurden in Königsbrück bei Dresden nach entsprechender Ausbildung eine militärische Einheit formiert. Die Belegungszahlen des Annaburger Lagers bilden das aber nicht ab, weil man so auch weiterhin für die Freiwilligen die Verpflegungspakete vom Roten Kreuz bekam. Ab 01.06.1942 wurde das Lager in ein Mannschaftsstammlager (Stalag) umgewandelt. Es erhielt nun die Bezeichnung StaLag IV D/Z Annaburg und wurde als Zweiglager von Torgau geführt, da ein Kapazitätsausbau auf 10.000 Mann räumlich hier nicht gegeben war. Dennoch sollen zeitweilig bis zu 2.000 Personen hier interniert gewesen sein. Das indische  Speziallager verlor mit dem Stalingraddilemma 1943 seine eigentliche militärische Bedeutung und die Freiwilligenwerbung wurde eingestellt. Daher war 1943 auch die Belegung leicht rückläufig. Dennoch wurde das Lager in Annaburg als indisches Kriegsgefangenenlager bis Kriegsende weitergeführt. Sicherlich auch deswegen um die als Arbeitskräfte in der Region integrierten indischen Kriegsgefangenen nicht abziehen zu müssen. Die Inder wurden jetzt nur noch in den Baracken auf dem Schlossplatz untergebracht. Vermutlich wurde die Anzahl indischen Kriegsgefangenen im ersten Halbjahr 1944 durch Umverteilung auf andere Kriegsgefangenenlager verringert, da drei Baracken zurück gebaut wurden und an dieser Stelle ein Feuerlöschteich entstand. 

Die freigewordenen Kapazitäten dienten zur Einrichtung eines Heimkehrerlagers für verwundete britische Kriegsgefangene, deren Austausch über Skandinavien erfolgte. Ende März/Anfang April 1944 wurde das Heimkehrerlager (IV D Heilag Annaburg) für zirka 500 Personen, Mannschaften und Offiziere (entspr. den Zahlen des Bundesarchiv) errichtet. Da uns nach den Mai 1944 keine weiteren Zahlen vorliegen, wissen wir auch nicht aus verlässlicher Quelle, ob und in welchem Umfang das Annaburger Kriegsgefangenenlager dann bis zum April 1945 weiter bestanden hat.   

Bernd Hopke
Ortschronist

AnnaOffice©2019-08-28, aktualisiert 07.11.2025

Quellen: 

AG "Junge Historiker" Leiter B. Hohler, Archiv des Verein für Heimatgeschichte und Denkmalpflege Annaburg e.V.
Thomas Finke; „Ausarbeitung zum Kriegsgefangenenlager Annaburg zur Neugestaltung des Annaburger Museums 2025“, Verein für Heimatgeschichte und Denkmalpflege e.V. Annaburg;