Stadtplan 1578

Alter Plan des Ortes und des Schlosses Annaburg und der 1578 zu Anlegung einer Baumschule


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Die allgemeine Geschichte und Entwicklung von Stadtplänen ist eng verbunden mit der Geschichtlichen Entwicklung der Geodäsie und der Kartographie.

Die antiken Kenntnisse der Kartographie gingen in Europa weitgehend verloren. Sie wurden aber in der islamischen Welt weitergepflegt, deren Kartografie und Mathematik später wegweisend für die europäische Kartographie der Renaissance wurde. Aus diesem Grunde gibt es vor dem 16. Jh. keine verlässlichen Karten mit genauen Entfernungsangaben. Mit dem Aufbruch in die Neuzeit (Renaissance) sorgten die Bedürfnisse von Kartographie und Navigation für einen enormen technischen Entwicklungsschub. Die Niederländer waren in dieser Zeit tonangebend auf dem Gebiet der Kartographie. Hier setzte sich ab Mitte des 16. Jahrhunderts ausgehend von Antwerpen der Kupferstich gegenüber dem Holzschnitt durch und erlaubte wesentlich feinere und detaillierter Darstellungen. Ein schönes Beispiel dazu – der Stadtplan von Antwerpen (Kupferstich), ca. 1572 von Georg Braun und Frans Hogenberg.

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Antwerpen – Kupferstich von 1572

Aufträge für diese sehr aufwendigen und kostspieligen kartographischen Arbeiten konnten nur durch reiche Städte oder Landesfürsten erteilt werden.

Die Kartographie im Kurfürstentum Sachsen begann mit Matthias Oeder, der 1586 während der letzten Tage der Regentschaft des sächsischen Kurfürsten August I. (1526-1586) und dann unter seinem Sohn Christian I. (1586–1591) auftragsgemäß mit der Schaffung eines Kartenwerkes zur „Ersten Kursächsischen Landesaufnahme“ begonnen hat. Mit den von der Bergvermessung her bekannten Messungsmethoden und Geräten, wie Messkette, Kompass (Bussole), Diopterlineal und Gradbogen hat er den gesamten kurfürstlichen Besitz vermessen. Kartographisiert wurden dabei die Forst-, Domänen-, Gerichts-, Herrschafts- und Landesgrenzen. Hinzu kamen das Gewässernetz und der Grundriss mit zahlreichen Einzelobjekten, wie Kirchtürmen, Mühlen, Hammerwerken, Hochgerichten, Brücken und Zäunen. In den Siedlungen sind oft die einzelnen Höfe eingetragen, teils ist aber auch die Ortschaft nur schematisch dargestellt. Die Ergebnisse wurden in zahlreichen Handzeichnungen festgehalten, nach denen dann die Originalkartierungen erfolgten.

Diese „Ur-Oeder“-Karten entstanden im Maßstab 1:13.333 und übertrafen alle bis dahin in Deutschland existierenden Karten. Sein noch unvollendetes Werk wurde von seinem Neffen und Nachfolger Balthasar Zimmermann im viertel so großen Maßstab 1:53.333 fortgesetzt und erst mit den Tod Zimmermanns 1633 oder 1634 zu einem Ende gebracht. Diese Karten waren alles Unikate.

Erst 1713 wurde durch August dem Starken eine neue Landesaufnahme angeordnet, die Adam Friedrich Zürner ausführte. Er kartierte alle Ämter des Kurfürstentums.

(Messgerät aus Zürners-Messwagen)
(Messgerät aus Zürners-Messwagen)

Mit seinem Messwagen bestimmte er die Entfernung zwischen den Orten. Die Streckenmaße dienten zum Setzen der Meilensteine an den Poststraßen und zur Beschriftung der Distanzsäulen in den Städten. Alle diese Karten waren Unikate und vorrangig als Tuschezeichnungen ausgeführt. Erst lange nach Zürners Tod wurden die meisten Ämterkarten von Peter Schenk 1754 in Amsterdam gestochen und im „Atlas Saxonicus Novus“ gedruckt.

Die meisten ältesten kartographischen Zeugnisse einzelner Dörfer und Städte Sachsen stammen daher erst aus der Zeit des 18. Jahrhunderts.

Alter Plan des Ortes und des Schlosses Annaburg und der 1578 zu Anlegung einer Baumschule geschlagenen kreisrunden Rodung von 1600 Ellen im Durchmesser, welche mit zahlreichen Fischbehältern besetzt war (12884 Karten und Risse, Schrank 5, Fach 68,Nr.9dd),
Alter Plan des Ortes und des Schlosses Annaburg und der 1578 zu Anlegung einer Baumschule geschlagenen kreisrunden Rodung von 1600 Ellen im Durchmesser, welche mit zahlreichen Fischbehältern besetzt war (12884 Karten und Risse, Schrank 5, Fach 68,Nr.9dd),

Die sich im Sächsisches Staatsarchiv, im Hauptstaatsarchiv Dresden befindliche Karte, Annaburg (Ort, Schloß- und Tiergarten – siehe oben) – ist zeitgleich mit dem Stadtplan von Antwerpen erstellt wurden, ist daher wesentlich älter und stammt aus den unmittelbaren Anfängen der Kartographie im Kurfürstentum Sachsen. Sie gehört zu den Arbeiten die Oeder unter August im Vorfeld seines großen Werkes anfertigte hat. Diese Karte zeigt Lochau, das spätere Annaburg nach dem Schlossneubau 1571-74, der Ansiedlung „Lochau“ nahe beim Schloss 1573, dem Neugrabens 1577 und der Stadtmühle 1578. Wir lassen mal die „kreisrunde Anlage im Tiergarten weg, und beziehen uns nur auf die Darstellung des Ortes. Da ist neben dem Schloss und seiner Außenanlagen, wie Schießhaus, Fasengarten, großer und kleiner Tiergarten, Kellerberg auch der Markt mit Amtshaus, ev. Stadtkirche mit „Barockfriedhof“ und den zehn „Neuen Häusern“, die heutige Torgauer Straße mit dem Forsthof (heutiges „Reitzenstein“ Grundstück), die heutige Friedensstraße mit dem Friedhof („Gottacker“), die Mittel- und Hinterstraße, die Holzdorfer Straße und die Mühlenstraße dargestellt ist. Aus der Darstellung ist deutlich ersichtlich, dass es sich bei der Vielzahl der dargestellten Gebäude um Gehöfte (Wohnhaus und Wirtschaftsgebäude/Scheune) handelt, aber auch Einzelgebäude (Handwerk) sind vertreten. Das entspricht auch den uns bekannten geschichtlichen Begebenheiten. Denn Annaburg ging aus dem Dorf Lochau hervor, welches 1339 erstmals urkundlich Erwähnung fand und bis 1447 zum Patronat der Antoniermönche in Lichtenberg (jetzt Prettin) gehörte. Erst 1447 kam es im Tauschwege in den Besitz Friedrich den Sanftmütigen dem Herzog von Sachsen. Erst in Zusammenhang mit der Entwicklung des kurfürstlichen Jagdhaus zum Jagdschloss veränderte sich das Dorf hin zu einer Gemeinde mit teilweiser Stadtfunktion – zum Städtlein. Die Kirchenvisitation von 1528 dokumentieren, ,,… 33 feuerstet“ (Familien) das sind ca. 150 Einwohner in Lochau (Annaburg) wogegen Prettin 1542 etwa 800 Einwohner zählte (Wittenberg: 2500, Torgau: 4500, Dommitzsch: 820). Wo dieses Lochau 1528 tatsächlich lag, kann nicht mehr genau festgestellt werden, da es 1573 total nieder brannte. Es wurde näher beim Schloss neu aufgebaut. Das ist die Geburtsstunde der Mittel-, Hinter- und Holzdorfer Strasse.

Ausschnitt aus der Karte von 1578
Ausschnitt aus der Karte von 1578

Lochau (Annaburg) gehörte nicht zu den reichen sächsischen Städten und konnte sich 1574 keine Kartographisierung leisten. Das Durchschnittsvermögen der Bürger in dieser Zeit lag bei 270 Gulden. (Bei dieser Erhebung lag Prettin unter den 13 Städten des ernestineschen Sachsens an dritter Stelle. Nur Torgau mit 431 und Wittenberg mit 408 Gulden standen höher.)

Die Karte wurde im Auftrag vom Kurfürsten von Sachsen August I. (1526-1586) vermutlich von Matthias Oeder erstellt, wobei selbst der Kurfürst als Urheber nicht auszuschließen ist.

Der Kurfürst war der Mathematik und der Mechanik sehr zugetan und beschäftigte sich persönlich zum praktischen Vorteil seines Landes damit. Wie er aus der Alchemie, der er mit Leidenschaft nachging, Vorteile für den Bergbau und für die Erzbearbeitung zu ziehen wusste, so gebrauchte er seine mathematischen Kenntnisse zur Abmessung und Aufzeichnung seiner Heiden, Wälder und Jagden zu topographischen Aufnahmen seiner kurfürstlichen Länder. Dabei war er nicht allein der Auftraggeber, sondern er nahm auch überall persönlichen Anteil, vermass und riss mit eigener Hand die Gegenden während seiner Jagdzüge und Reisen auf. Dabei sann er ständig auf Verbesserung und Erfindung neuer Messinstrumente, unterstützte die Handwerker, die mit solchen Erfindungen zu ihm kamen. Er interessierte sich weit über die Grenzen seines Kurfürstentums hinaus auf jeden Fortschritt auf diesem Gebiet. Alles, was Kurfürst August ankaufen ließ, musste von ausgezeichneter Qualität sein – egal ob es feinmechanische Instrumente für den Bergbau waren, astronomische Geräte für die Schifffahrt oder ballistische Apparate für militärische Einsätze. Kurfürst August erwarb vor allem aus den Reichsstädten Nürnberg und Augsburg Werkzeuge und wissenschaftliche Instrumente, die damals dem neuesten Stand der Technik entsprachen. Gleichzeitig genügten sie künstlerisch in höchstem Maße den repräsentativen Ansprüchen einer fürstlichen Sammlung: vergoldete Instrumente, die mittels der Mathematik und Mechanik vorrangig der Vermessung dienten. All diese Geräte wurden in der um 1560 gegründete Kunstkammer aufbewahrt und bildeten den Grundstock der Sammlung des Mathematisch-Physikalische Salons in Dresden.

Vor allem die Geräte zur Landvermessung, die Entfernungsmess- und Wegemessgeräte probierte August hier in Annaburg aus. Das bot sich vor allem deswegen an, da man Entfernungen mit Wegemessinstrumenten, wie Schrittzähler am besten in einem ebenen Gelände ausprobieren kann. Und wo im damaligen Kurfürstentum Sachsen war es so schön eben wie in seiner Lochauer Heide in seinem geliebten Jagdgebiet bei Annaburg.

Annaburg 1578 Annaburg 2001
Annaburg 1578 . .Annaburg 2001

 

 

Bernd Hopke
Ortschronist

AnnaOffice©2020-12-29

 

Quellen:

  1. Johannes Falke, Die Geschichte des Kurfürsten August von Sachsen in volkswirtschaftlicher Beziehung; Leipzig S. Hirzel 1868
  2. Karte, Annaburg (Ort, Schloß- und Tiergarten) – Alter Plan des Ortes und des Schlosses Annaburg und der 1578 zu Anlegung einer Baumschule geschlagenen kreisrunden Rodung von 1600 Ellen im Durchmesser, welche mit zahlreichen Fischbehältern besetzt war; Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden, unter 12884 Karten und Risse, Schrank 5, Fach 68,Nr.9dd)
  3. Internetportal der Staatliche Kunstsammlung Dresden unter http://www.skd.museum/de/museen-institutionen/zwinger-mit-semperbau/mathematisch-physikalischer-salon/index.html Zugriff 01/2011
  4. Verein f. Heimatgeschichte u. Denkmalpflege Annaburg (Hrsg.) Jagdschloß Annaburg – Eine geschichtliche Wanderung, Horb/Neckar 1994;
  5. Gründler, E.: „Schloß Annaburg“ Festschrift zur einhundertfünfzig-jährigen Jubelfeier des Militär-Knaben-Instituts zu Annaburg, Verlag von Oscar Haebringer, Berlin 1888
  6. Heintze, Otto: „Annaburg das Städtlein an der Heide“ Geschichtlicher Rückblick, aus gebundene Beilagen der „Annaburger Zeitung“ 1930
  7. Duden, Grundwissen-Geschichte, Verlag Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG Mannheim 1996
  8. Geschichte der Kartografie – Wikipedia unter de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Kartografie; Zugriff 01/2011