Arzneien

Annas Kuriose Arzneien


Eine der bekanntesten „weisen“ Frauen des 16. Jahrhunderts, die sich angeblich in der Heilkunst ganz besonders gut auskannten und die von Alt und Jung und Hoch und Niedrig aufgesucht wurden, war die sächsische Kurfürstin Anna von Dänemark (1532-1585). Sie hinterließ zehn Arzneibücher, in denen sich ihre eigenen Rezepturen und die für teures Geld erworbenen befanden. In den vielen Laboratorien die sich an den meisten Schlössern und Aufentaltsorten der Kurfürstin errichtet und angelegt wurden (In Schloss Annaburg befand sich das größte Laboratorium in Sachsen ihrer Zeit – aber es gab sie auch auf Burg Stolpen, der Augustusburg, in Dresden usw.) beschäftigte sich sich persönlich mit der Zubereitung von Arzneien und Tinkturen- ihr bekanntestes Allheilmit der Aqua Vite – das Lebenselicier.

Von ihrem Biografen Karl von Weber erfahren wir im Folgenden nicht nur die Zusammensetzung einiger ihrer „Recepte“, sondern auch dass ihre Heilmittel ihr zuweilen bei ihren eigenen Übeln, z. B. ihren sehr häufig auftretenden schweren Zahnschmerzen, nicht helfen konnten:

„Ihre Recepte zu Bereitung der acqua vitae hielt Anna sehr geheim ... Nur ihre Tochter Elisabeth weihte Anna in ihre Geheimnisse ein ... Aus einer der Mittheilungen an Elisabeth ersehn wir, daß 'der gelbe Aquavit' aus 'Branntwein bestand mit Malvasier, der wohl verschäumt ward mit einem Ei, Zucker und allerhand guten Kräutern u.a. gelben Veilchen und anderen Species.' [Neben diesem gelben Aquavit gab es zudem noch einen weißen.] Gegen Zahnschmerzen wendete Anna an 'Granatblüthen, die ein bis zwei Stunden in Wein eingeweicht, dann in den Zahn gethan' wurden. Als die Churfürstin ihrer Tochter Elisabeth dieses Mittel mittheilte, fügte sie hinzu: 'welche Kunst Du für Dich behalten wolltest und da D. L. gleich dasselbe Jemanden giebt, so darf Sie doch nicht melden, was es sei und die Blüthen klein schneiden, daß sie unkenntlich werden' (7. Jan. 1571). Sich selbst vermochte Anna von Zahnschmerzen nicht zu befreien. Sie klagte im Jahr 1576 der Herzogin Anna von Bayern, daß 'ihr ein harter Fluß in die Zähne gefallen', und daß sie heftige Schmerzen zu leiden habe.“

Die sächsische Kurfürstin verwendete in ihren Rezepturen auch, jedenfalls für uns Menschen aus dem 21. Jahrhundert, sehr ungewöhnliche Fette, z. B. von verschnittenen Hunden und von Murmeltieren. Von Karl von Weber erfahren wir diesbezüglich, dass Anna, was die verschnittenen Hunde betrifft, hierfür „junge Hunde mit Semmeln und Milch auffüttern und mästen“ ließ. Über die Haltung der Murmeltiere lesen wir Folgendes:

„Der dortige [auf dem Ostravorwerk] Verwalter hatte viele Noth mit den 'Murmenthelthiern, welche beißen und kratzen Löcher in die Bretter', er erhielt aber die Weisung, sie sorgfältig zu hüten, da die Churfürstin ‚’Murmentenschmalz’ zu medicinischen Zwecken gebrauchte.“

Auch die Zutaten ihrer Rezepturen schrecken zuweilen ab:

„Hirschblut ward mit Bocksblut zum Augenwasser gegen den Star verwendet. Ferner wurden in Annas Apotheke verwendet 'die Füße der Rohrdommel, der Magen des Auerhahns und pulverisierte Rebhühnerfüße ... Forellen und Hechtzähne, Hechtaugen, Kaulbarschsteine [weiße, knochenähnliche Körperchen, welche der Fisch am untern Theil des Hinterkopfs trägt], Gräten und Aalraupen ...'“

aus: Karl von Weber, Anna, Churfürstin zu Sachsen, geboren aus dem Königlichen Stamm zu Dänemark – Ein Lebens- und Sittenbild aus dem sechzehnten Jahrhundert, Leipzig 1865, S. 450-481