Zinnfiguren

Spielfiguren

Zinnfiguren sind Miniaturen, die unter anderem aus den Materialien Zinn, Antimon, Wismut und gegebenenfalls Blei hergestellt wurden.

Zinnfiguren waren vermutlich bereits im antiken Griechenland und im Römischen Reich verbreitet. Die älteste bekannte deutsche Zinnfigur stammt vom Anfang des 13. Jahrhunderts und wurde bei Magdeburg entdeckt. Zunächst wurden Zinnfiguren wahrscheinlich als Pilgerzeichen verwendet.

Ab etwa 1550 erhielt die Zinnfigur einen immer größeren Raum im gesellschaftlichen Leben. Nürnberg und später auch Fürth waren die wichtigsten Zentren in Deutschland, von denen diese Entwicklung ausging. Aufwändig bemalte und kunstvoll hergestellte Figuren waren an den europäischen Fürstenhäusern und Königshöfen überaus beliebt.

Luxus für die Obrigkeit

So ist überliefert, dass der französische König Ludwig XIII. liebend gerne mit seinen Zinnsoldaten spielte. Allerdings war der Monarch bei seinem Amtsantritt im Jahre 1610 auch gerade einmal neun Jahre alt. Auch sein Nachfolger, König Ludwig XIV., fand großen Gefallen an den Miniaturmodellen.
Auf Geheiß des Sonnenkönigs wurden die Figuren von namhaften Bilderschnitzern gefertigt. Dementsprechend hoch waren die Kosten. In den Ausgabebüchern des Jahres 1650 – der junge Monarch war damals zwölf Jahre alt – findet sich ein Posten von 50.000 Ecus. Der Jahresverdienst eines Handwerksmeisters lag zu jener Zeit zwischen 200 und 600 Ecus.
Elf Jahre später, als der Sonnenkönig selbst Vater geworden war, beauftragte er einige bekannte Nürnberger Handwerksmeister mit der Anfertigung einer Spielzeugsoldatenarmee für seinen Sohn. Die etwas über zehn Zentimeter hohen Figuren waren aus Silber gefertigt und verfügten über bewegliche Details. Ein teurer Spaß für das hoheitliche Kinderzimmer. 

Neben den militärischen Zinnmotiven gab es auch zivile Figuren, wie Kaufleute, Bauern, Handwerker und Nutztiere. Aber es waren die Zinnsoldaten, in Form von Kavallerie, Infanterie und Artillerie, die zu den beliebtesten und meistverbreiteten Figuren in den Adels- und Bürgerhäusern wurden.
Mit dem Kriegsspielzeug bereiteten die Monarchen ihren männlichen Nachwuchs spielerisch auf spätere Aufgaben vor. Wenn Diplomatie und Verhandlungsgeschick versagten, wurden politische Streitigkeiten auf dem Schlachtfeld ausgetragen. Da schadete es nichts, wenn man schon in den Kinderstuben mit den Manövern anfing.

Spielzeugsoldaten waren natürlich auch bei den Kindern ärmerer Schichten begehrt, doch mussten die sich mit Figuren aus Papiermasse begnügen.

Als sich im 18. Jahrhundert in der realen Welt mehr und mehr einheitliche Uniformen mit festen Farben für Waffengattungen und Landeszugehörigkeit durchsetzten, änderten sich auch die Zinnsoldaten.

Durch individuelle Bemalung ließen sich nun mit einer Gussform Soldaten verschiedener Truppenzugehörigkeit fertigen, was sich positiv auf die Produktionsmengen auswirkte.

Aber nicht nur das: Es war auch die effektive Arbeitsteilung in den aufkommenden Manufakturen, durch die sich die beliebten Zinnfiguren in immer größerer Stückzahl herstellen ließen. Die Miniaturmodelle wurden nun für fast jedermann erschwinglich, was zu einem wahren Zinnfigurenboom im 19. Jahrhundert sorgte. Damit traten sie ihren Siegeszug in fast jedes Kinderzimmer an.

Mit mehr als 60 Herstellern waren Nürnberg und Fürth die Zentren der hiesigen Zinnfigurenherstellung. Die Figuren wurden nicht nur in viele andere deutsche Regionen und Städte verkauft, sondern auch ins europäische und internationale Ausland.

Die Hersteller boten in ihrem umfangreichen Repertoire teure und aufwändig gestaltete Figuren ebenso an wie preiswerte Massenartikel. Ende des 19. Jahrhunderts belief sich die Anzahl der in Nürnberg und Fürth hergestellten Figuren auf 40 Millionen.

Hatte man sich ab 1815 nach den napoleonischen Kriegen vermehrt friedlichen Themen bei der Herstellung von Zinnfiguren für Kinder gewidmet, lösten danach wieder neue Gefechte eine hohe Nachfrage nach militärischen Figuren aus: der Krimkrieg 1854, der deutsch-dänische Krieg 1864, der deutsch-österreichische Krieg 1866 und vor allem der deutsch-französische Krieg 1870/71.

Aber auch die deutsche Kolonialpolitik und der Traum von fernen, fremden Ländern wurden in Zinn gegossen und im Kinderzimmer mit entsprechenden Figuren aus Nürnberg nachgespielt. Wie sehr diese Stadt die Zinnwelt bestimmte, wird daran deutlich, dass man die gängige Zinnfigurengröße von 30 Millimetern als „Nürnberger Maß“ bezeichnete.

Die Hochphase von Zinnfigurenproduktion und -absatz hielt bis zum Ersten Weltkrieg an. Von der Kriegseuphorie der ersten Monate getragen, verkauften sich Zinnsoldaten noch sehr gut. Doch mit den zunehmenden Schreckensmeldungen von der Front sank das Interesse an den Kämpfern aus Zinn als Kinderspielzeug.

Aus dieser Zeitstammen die hier ausgestellten Stücke.

Nach dem Ersten Weltkrieg machten sie Platz für die Massefiguren – die eroberten jetzt diesen Markt.

Zinnfiguren gibt es als vollplastische, halbplastische und als Flachfiguren in allen Größen und Maßstäben. Bei den Flachfiguren ist die gängigste Größe 28 mm Augenhöhe; sie wird Nürnberger Maß oder Nürnberger Größe genannt.

Zinnfiguren waren zunächst „Lernspielzeug“, mit denen Kindern die „große weite Welt“ oder die geschlechtsspezifische Rolle von Mann und Frau nähergebracht werden sollte. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts gewannen die Zinnsoldaten eine immer größere Bedeutung und drängten die anderen Spielmöglichkeiten an den Rand. Lediglich Zinnschmuck (beispielsweise für Weihnachten) hatte noch eine größere Bedeutung.

Weltmarktführer war ab Mitte des 19. Jahrhunderts die Nürnberger Offizin Heinrichsen, die auch heute noch besteht.

Künstler, wie Carl Alexander Heideloff, dessen Bruder Manfred, Wilhelm Camphausen und andere lieferten Entwürfe. Zu Beginn waren sie meist flach gehalten, wurden später aber dann plastisch ausgeformt und entsprechend den Vorbildern bemalt. Ab etwa 1920 erhielt das Spielzeug „Zinnfigur“ eine neue Rolle. Die Figuren wurden realistischer gestaltet, und Erwachsene begannen „kulturhistorische Zinnfiguren“ zu sammeln. Damit sollte jetzt die deutsche und internationale Geschichte möglichst exakt dargestellt und der jeweiligen Generation verdeutlicht werden.

Im englischen Sprachraum werden Zinnfiguren gerne für Kriegsspiele verwendet.

Herstellung
Der Herausgeber beauftragt mit einer Vorlagezeichnung einen Graveur eine entsprechende Form aus Schiefer, Messing, Aluminium oder Silikon zu gravieren bzw. zu schneiden. Als Gussmaterial kommt eine Mischung aus den Metallen Zinn, Blei, Antimon und gegebenenfalls Wismut zur Anwendung. Dabei stellen Zinn und Blei die Hauptanteile, während der Anteil an Antimon nur zwischen zwei und sieben Prozent liegt. Die genauen Gewichtsanteile sind Geheimnis der jeweiligen Hersteller. Nach dem Guss muss die Figur verputzt bzw. gesäubert werden. Mittels entsprechender Vorlagen kann dann die Bemalung der Figuren erfolgen. Dazu werden am gebräuchlichsten Acryl- oder (Künstler-)ölfarben verwendet.