Unteroffiziers-Vorschule

folie5Eine ganz bedeutsame Neuerung brachte das Jahr 1877. Das Kriegsministerium hatte erkannt, dass junge Männer schon vor ihrer militärischen Dienstzeit in der für die Lebensbildung so wichtigen Spanne zwischen Schulentlassung und dem 17. Jahre zusammengefasst werden müssten. Deshalb wurden Unteroffizier-Vorschulen geschaffen. Die erste Vorschule entstand 1877 in Weilburg. 1880 folgte Annaburg in Erweiterung der alten dort befindlichen militärischen Knabenanstalt. Die dritte Vorschule wurde 1888 in Neubreisach eingerichtet. 1891 wurde in Jülich, neben der Unteroffizier-Schule eine Vorschule eröffnet. Weitere Vorschulen entstanden 1894 in Fürstenfeldbruck in Bayern, 1896 in Bartenstein und 1897 in Greifenberg. Im Königreich Sachsen wurde in Marienberg eine Vorschule eingerichtet.

Die Unteroffizier-Vorschüler waren keine Militärpersonen. Im Gegensatz zur Unteroffizier-Schule, wo die militärische Vorbildung Hauptaufgabe war, sollte in der Vorschule die für den späteren Soldatenberuf benötigte allgemeine geistige, sittliche Grundlage und die körperliche Leistungsfähigkeit geschaffen werden. Daneben trat eine gewisse militärische Vorbildung. Nach den Grundbestimmungen vom 31. März 1888 erstreckte sich der Unterricht auf Deutsch, Rechnen, Geschichte, Geographie, Naturkunde, Schönschreiben, Zeichnen, Planzeichnen und Gesang. Zur Aufnahme bedurfte der Vorschüler der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters. Für jeden vollen oder begonnenen Monat des Aufenthalts auf der Vorschule hatte der Schüler zwei Monate, im ganzen höchstens vier Jahre über die gesetzliche Dienstpflicht hinaus aktiv im Heere zu verbleiben. Er erhielt alles zum Lebensunterhalt Notwendige unentgeltlich geliefert. Das Taschengeld von 75 Pfennig im Monat (!) war für Putzzeug und kleine Anschaffungen bestimmt.

Nach zwei Jahren Ausbildung erfolgte die Versetzung zur Unteroffizier-Schule. Wie die Kadettenvoranstalten hatten die Unteroffizier- Vorschulen zunächst nur zwei Kompanien. Wer als Vorschüler zur Unteroffizierschule kam, konnte diese bereits nach zwei Jahren Ausbildung abschließen, während die Ausbildung der Unteroffizieranwärter aus der Truppe drei Jahre dauerte.

Im Jahre 1910, anlässlich ihres 50jährigen Bestehens, verlieh der deutsche Kaiser der Unteroffizier-Schule Jülich, wie es zuvor schon in Potsdam geschehen, eine eigene Fahne. Wie auch von anderen Schulen, nahmen 120 ehemalige Jülicher Füsiliere an den Feldzügen in China und in den afrikanischen Kolonien erfolgreich teil.

Auch nach Ausbruch des 1. Weltkrieges wurde die Ausbildung an den Vorschulen und Schulen fortgesetzt. Im Juli 1916 wurde die Jülicher Schule nach Northeim, die Vorschule in die neu erbaute Kaserne in Biebrich verlegt. Neue Vorschulen entstanden in Ellwangen und in Jena. 1917 erfolgte die Verlegung der letzteren nach Frankenstein und Mölln. In Sachsen wechselte am 1. Juli 1916 die Unteroffizier-Schule Marienberg nach Frankenberg über. Das Lehrprogramm war damals auf die Bereitstellung frontfertigen Unteroffiziersnachwuchses eingestellt. Im Vordergrund stand sehr bald die Schulung der Unteroffiziere für den Stellungskrieg.

folie9Entwicklung der Unteroffizier-Vorschule Annaburg


Das 1815 preußisch gewordene „Soldatenknaben Institut Annaburg“ übergab man der Verwaltung des Regierungsbezirks Merseburg. Zunächst änderte sich in Annaburg wenig. Unmittelbar nach den Befreiungskriegen hatte der preußische Staat wichtigere Aufgaben als sich um die Belange des Instituts zu kümmern.

Nach einem Besuch König Friedrich Wilhelms III. 1819 in Annaburg, auf der Rückreise von Böhmen nach Potsdam, wurde entschieden aus dem Versorgungsheim eine Schule für den Unteroffizierersatz der Armee zu machen.

Da der Staat bereits ein Militärwaisenhaus, auch für ganz junge Kinder in Potsdam besaß, wurden ab 1822 in Annaburg nur noch Soldatenkinder ab dem 10. Lebensjahr aufgenommen.

Eine „Allerhöchste Order“ von 1824 legte die soldatische Erziehung sämtlicher Zöglinge und damit die Gründung einer Militärschule fest. Als Gegenleistung für die Ausbildung zum zukünftigen Unteroffizier mussten sich die Zöglinge zu einer Dienstzeit von zwei Jahren in der Armee für jedes Erziehungsjahr in der Schule verpflichten.

Folgerichtig wurde die Benennung des Instituts in „Militärknaben Erziehungsinstitut Annaburg“ geändert. Die Schulausbildung bis zur Konfirmation blieb unverändert. Die dann zum Militärdienst untauglichen Zöglinge mussten das Institut verlassen.

Für alle anderen folgte eine Lehrzeit als Militärschüler, Musiker oder Handwerker.

Dazu wurden 1826 in den ehemaligen Gestütsgebäuden eine Musikschule mit 100 Schülern, sowie Werkstätten für die Ausbildung im Schmiede-, Schuhmacher- und Schneiderhandwerk eingerichtet. Die Aufenthaltsdauer der Militärschüler wurde bis zur Vollendung des 17. Lebensjahres verlängert. Danach kamen die Militärschüler und Handwerker zur Schulabteilung des Lehr-Infanterie Bataillons in Potsdam, die Musiker kamen direkt in ein Regiment der Armee.

Die Ausbildung der Knaben in den Werkstätten hatte sich aus verschiedenen Gründen nicht bewährt und so wurden sie 1844 wieder aufgelöst und die Knaben nach der Konfirmation nach Hause entlassen. Die Musikschule blieb jedoch bestehen.

In den Folgejahren wurde den Zöglingen der Übertritt zur Militärschule und danach zur Potsdamer Lehrschule freigestellt. Die Dienstverpflichtung wurde zunächst auf 9 Jahre reduziert und 1850 gänzlich aufgehoben. 1850 waren nur noch 34 Zöglinge in der Militärschule.

Erst nach den siegreichen Kriegen von 1864, 1866 und 1870-71 stieg die Militärbegeisterung in Deutschland wieder an.

In den Folgejahren fanden überwiegend Waisenkinder der in den „Einigungskriegen“ gefallenen Soldaten Aufnahme in Annaburg. Auch die Zahl der Militärschüler stieg wieder, so dass 1877 20 Zöglinge zur Gründung der Unteroffiziervorschule Weilburg an der Lahn versetzt werden konnten.

Ab 1878 wurde an der Militärschule ein regulärer zweijähriger Kurs etabliert, nach dessen Abschluss die Militärschüler an die Unteroffizierschule in Weißenfels wechselten.

Die Militärschule, bisher dem Kriegsministerium unterstellt, wurde 1873 der Inspektion der Infanterieschulen angeschlossen.

Am 1. Oktober 1880 wurde die Militärschule in Unteroffiziervorschule Annaburg umbenannt.

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1881 wurde das für die Unteroffiziervorschule neugebaute Kasernengebäude bezogen. Ihr Erster Kommandeur war Hauptmann von Normann. Noch bis 1898 blieb die Unteroffiziervorschule organisatorisch der Militär-Knaben-Erziehungsanstalt unterstellt, deren Kommandeur gleichzeitig Standortältester von Annaburg ist.

Die „Unteroffiziersvorschule“ wurde entsprechend dem „Versailler Vertrages“  1920 entmilitarisiert  und im darauf folgendem Jahr endgültige aufgelöst.

 

 

Quelle

  • Thomas Finke, Konzept zur Ausstellung MKI, Annaburg 2008
  • Gründler, E.: „Schloß Annaburg“ Festschrift zur einhundertfünfzig-jährigen Jubelfeier des Militär-Knaben-Instituts zu Annaburg, Verlag von Oscar Haebringer, Berlin 1888
  • http://www.lexikon-der-wehrmacht.de/Soldat/Unteroffiziersschule-R.htm Zugriff 05/2008