KZ

Die Lichtenburg als KZ

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Nach der „Machtübernahme“ der Faschisten waren bald alle Strafanstalten mit „politischen Gegnern“ voll belegt. Da entsann man sich der Lichtenburg, die immer noch dem Justizfiskus gehörte. Am 9. 5. 33 heißt es in der Zeitung, dass die Lichtenburg mit „einigen hundert Mann belegt werden“ und darum instand gesetzt werden solle. Die ersten „Inhaftierten“ wurden dann für den 9. 6. erwartet, trafen aber erst mit 69 Mann am 12. 6. ein, während am 20.6. weitere 500 Häftlinge, teils per Auto, teils mit einem Sonderzug bis Dommitzsch, eintrafen.

ps_20161121160355Im Juli 1933 schufen die KZ-Häftlinge ein Kinderplanschbecken in der Kiesgrube an der Hinterfährstraße. Vom 5. 8. wird, berichtet:

„Zur Zeit ist das Sammellager mit ca. 1.200 Schutzhäftlingen belegt"

und am 21. 10.:

Im Konzentrationslager ist die Zahl der Häftlinge beträchtlich zurückgegangen . . . Doch wird in der nächsten Zeit mit weiteren Zugängen gerechnet . . . Unter den jetzt hier Eingelieferten befinden sich eine ganze Menge „Prominente“ . . . Hiesiges Konzentrationslager ist eines der größten im ganzen Reich".

Und am 1. 12. 33 folgt ein Bericht eines Japaners, der das Lager besichtigt hatte, in dem es heißt:

Jetzt ist das Lager mit 1.535 Mann belegt. Die Wachmannschaft, SS und SA, ist rund 150 Mann stark";

dann lobt er die gute Behandlung der Häftlinge. Dass man ihm nicht alles gesagt und gezeigt hatte, davon zeugen die späteren Berichte der Inhaftierten. Wolfgang Langhoff beschreibt in seinem Buch „Die Moorsoldaten“ in den letzten Kapiteln u. a. den „Empfang“ neuer Häftlinge im Lager. Die SS trieb ihnen gleich in den ersten Minuten die Menschenwürde aus, indem sie die Neuen mit Schlägen, Fußtritten usw. endlos über den Hof jagten, bis nur noch Menschenwracks in die Zellen schleichen konnten. Friedrich Sober beschreibt in einer Broschüre der Provinzialverwaltung Sachsen, Halle, in dem Artikel „Von Lichtenburg nach Halle“ aus der Fülle seiner Erlebnisse und aus der Unzahl von Peinigungsmethoden die so genannte „Abkühlung“. Der Häftling wurde unbarmherzig über den Hof gejagt und ihm dann eiskaltes Wasser über den Körper gepumpt. Er erwähnt aber auch, dass Menschen zu Tode geprügelt wurden. Andere Augenzeugen berichten, wie eine Kolonne die schweren Abortkübel im Laufschritt über den Hof tragen mussten. Beim Bau des Prettiner Stadtparkes 1936 mussten die Häftlinge die schweren Rübenwagen mit Erde und Sand an Seilen und Gurten selbst ziehen. Als Männer-KZ diente die Lichtenburg bis 1937.

ps_20161121160312Ab 1938 wurde die Lichtenburg als erstes reines Frauen-KZ geführt. Hier erfolgte dann auch die Ausbildung der meisten weiblichen KZ-Aufseherinnen. Die Frauen wurden 1939 in das „neue“ Frauen-KZ Ravensbrück verlegt, da die Kapazität und Erweiterungsmöglichkeiten der Lichtenburg nicht mehr ausreichten.

Die Opfer des KZs Lichtenburg:

Ernst Richter am 28. 8. 1933, 55 Jahre alt, aus Prettin-Hintersee, angebliche Todesursache: Alkoholvergiftung, die blaue Flecke (sollen) rührten von seinem „Toben“ her;

Friedrich Heinrich am 2.10.1933, 21 Jahre alt, aus Niemegk, angebliche Todesursache: Selbstmord durch Erhängen mit Verletzungen am Gesäß und an den Oberschenkeln;

Christian Hansen am 10.1.1934, 43 Jahre alt, aus Flensburg;

Reinhard Döring am 15.1.1934, 62 Jahre alt, aus Berlin-Niederschönhausen;

Otto Hurras am 23.2.1934, 31 Jahre alt, aus Bockwitz;

Karl Koppen am 24.2.1934, 47 Jahre alt, aus Berlin-Spandau;

Kurt Jahn am 14. 11. 1934, 33 Jahre alt, aus Wittenberg;

Heinz Schreiber am 13. 1. 1935, 23 Jahre alt, aus Berlin, angebliche Todesursache: Herzschwäche;

Willi Rollen am 20. 2. 1935, 38 Jahre alt, aus Berlin, angebliche Todesursache: Selbstmord durch Erhängen;


Paul Haberstroh am 3.4.1935, 33 Jahre alt, aus Berlin, angebliche Todesursache: Kopfrose;

Joseph Süß am 13.4.1935, 64 Jahre alt, aus Berlin-NO, angebliche Todesursache: Schlaganfall oder Herzkrämpfe;

Ignatz Manasse am 21.7.1936, 48 Jahre alt, aus Berlin-SO, angebliche Todesursache: Schlaganfall;

Adalbert Probst am 1.7.1934, 34 Jahre alt, aus Düsseldorf;

Stefanie Curow am 28.3.1939, 55 Jahre alt, aus Berlin-Neukölln, angebliche Todesursache: Herz- und Kreislaufstörung infolge Hungerstreiks

Offiziell blieb die Lichtenburg bis Mai 1939 KZ, und zwar zuletzt Frauen-KZ, in Wirklichkeit war sie ab 1936 SS-Kaserne mit einigen Häftlingen im Zellenflügel. Hier erfolgte die Ausbildung von KZ-Aufsehern, die u.a. von den Arbeitsämtern des Reiches zwangsverpflichtet wurden. Auch als sie 1940 SS-Versorgungslager, Hauptzeugamt wurde, gab es bis zum Kriegsende ca. 40 Häftlinge, meist krimineller Art, in der Lichtenburg. Beim Rückzug der deutschen Truppen waren auch Waren aus anderen Lagern, wie Lebensmittel, Stoffe, Schuhe u.s.w., geräumt und hierher gebracht worden. In der Zeit, in der sich 95 % der Bevölkerung von Prettin auf dem Treck zwischen Elbe und Mulde befand, haben Prettiner Plünderungen dort vorgenommen.

Interniert in der Lichtenburg – nach 1945

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Auch nach 1945 spielte die Lichtenburg als Gefängnis noch einmal eine unrühmsame Rolle. Ab dem 1. Juli 1945 beschäftigte sich in der Lichtenburg ein sowjetischer Militärstab von 7 Personen mit der Aufgabe, die inzwischen von den Amerikanern (entgegen der Genfer Konvention) ausgelieferten Wlassow-Soldaten abzuurteilen. Die Wlassow-Soldaten hatten sich vor den Sowjets über die Mulde geflüchtet und den Amerikanern ergeben. Sie waren in die Lichtenburg überstellt worden. Den russischen Soldaten, die auf deutscher Seite gekämpft haben, gewährten die Sowjets keinen Pardon.

Der Stab blieb 2 bis 3 Wochen. Man hörte, daß die Wlassow-Soldaten nach Torgau gebracht wurden. Dort sollen die geschlossenen Waggons in der Augustsonne noch tagelang auf den Gleisen gestanden haben. Über das Lager Torgau (Fort Zinna) wurden sie in die berüchtigten „Archipel Gulag“ verbracht.

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Wlassow-Soldaten

Wer die Wlassow-Truppen waren und wo sie rekrutiert wurden können wir folgenden Beiträgen entnehmen:

Wlassow, Andrei Andrejewitsch (14.09.1900 – 01.08.1946)
Sowjetischer General, Überläufer und Dissident

Wlassow geriet 1942 bei Wolochow als Armee-Oberbefehlshaber in deutsche Gefangenschaft. Tief enttäuscht von Stalin organisierte er eine Antistalinbewegung und gründete aus russischen Kriegsgefangenen und Freiwilligen die antistalinistische Befreiungsarmee (Wlassow-Armee) mit 100.000 bis 300.000 Mann.
ps_20161121161100Im April 1941 wurde in der Nähe von Ravensbrück ein Konzentrationslager für Männer eingerichtet, offiziell ein Nebenlager des KZ Sachsenhausen. Während der Zeit seines Bestehens durchliefen etwa 20.000 Gefangene dieses Lager, 16% davon Juden. Zu Beginn des Jahres 1945 wurden sowjetische Gefangene im Männerlager für die Armee von Andrei Wlassow (russischer General, der in der deutschen Gefangenschaft die Seiten wechselte und mit seiner Truppe ROA zusammen mit der Wehrmacht gegen die Sowjetunion kämpfte) rekrutiert, während die deutschen Gefangenen in die SS-Brigade Oskar Dirlewangers eingezogen wurden.
Wegen Adolf Hitlers Weigerung , die staatliche Existenz Rußlands zuzusichern, kam sie erst Ende 1944 mit 2 Divisionen zum Einsatz. Wlassow versuchte kurz vor Kriegsende mit der Unterstützung des Prager Aufstandes einen Frontwechsel, wurde jedoch von den USA mit seinen Truppen 1945 an die Sowjetunion ausgeliefert, und dort hingerichtet. Die Wlassow-Soldaten kamen in den "Archipel Gulag".

 

 

Bernd Hopke
Ortschronist

AnnaOffice©2008-08-29

 

 

 Quelle

  • Dünnebier, Heimatkalender 1960 Kreis Jessen, Jessen 1960
  • Ausstellung KZ Ravensbrück, Abt. KZ-Aufseher 2007
  • „Mitteldeutsche Zeitung“ 08.05.2003 Lokalbereich Jessen S. 12
  • www.ghetto-theresienstadt.info/pages/r/ravensbrueck.htm Zugriff 05/2008