Der Tiergarten

Die Annaburg und die Jagd

In Ergänzung des Lochauer Jagdschlosses sollen unter Friedrich dem Weisen neben dem Schlossgarten ein Weingarten, ein Würzgarten und ein Wolfsgarten entstanden sein. Schon im Jahre 1498 begannen die Arbeiten zur Anlegung eines „Tiergartens“. Hier wurden Hirsche und Rehe gehalten. Die genaue Lage und die örtlichen Gegebenheiten dieser Anlagen können nicht mit Bestimmtheit angegeben werden.

Abb.: Karte von 1578 mit eingetragenem Bereich von Schloss und Gärten der Lochau von F. d. Weisen

Innerhalb der einzelnen Gärten, aber auch zu deren Trennung wurde ein ganzes System künstlich angelegter Teiche und Kanäle angelegt. Dieses Grabensystem hatte außer einer architektonischen Funktion auch die Aufgabe, die Teiche, in denen man intensiv Fischzucht betrieb, mit Wasser zu versorgen und das umgebende Land zu entwässern. Bereits zu Zeiten Friedrich dem Weisen sprechen die Quellen (Gründler) davon, dass zu Lochau in dem von einer schönen Mauer umgebenen Tiergarten ein Hirsch nebst vielem anderen Wildpret gehalten… wurde. Kartenmaterial aus dem 16. Jh. lässt vermuten, dass es sich hierbei um den ehemaligen Forsthof auf dem heutigen Reitzensteingrundstück handeln muss. Die Tiergärten der damaligen Zeit hatten vorrangig die Aufgabe lebendes Wild für die fürstliche Tafel zu halten. Schließlich gab es noch keine Kühlhäuser die heute diesem Zwecke dienen. Auf der Karte von 1556 ist jedenfalls eine so große Tiergartenanlage wie sie 1578 entstanden ist, noch nicht eingezeichnet.

(Ausschnitt Karte von 1556 Lochau mit Gebiet des späteren Tiergarten)

Zum Jagdschloss, welches Kurfürst August der I. 1572-75 anstelle der alten Lochau erbauen ließ, gehörten drei unterschiedliche Gärten; der „Schlossgarten“, der „Neuer Garten“ und der „Tiergarten„. Sie wurden umschlossen und gleichzeitig verbunden durch die künstlichen Kanäle und Teiche und entwickelten so jeweils ein besonderes Flair, aber ihre beeindruckende Wirkung entfalteten sie jedoch erst in ihrer Gesamtheit.

(Ausschnitt einer Karte aus dem 16.Jh. [ca. 1578 ] mit Eintragung der beschriebenen Gärten/Bereiche)

Westlich des Schlosses lag der „Neue Garten“. Er nahm die Fläche zwischen dem Westflügel des Hinterschlosses, der jetzigen „Schlossstraße“, und der „Züllsdorfer Straße“ ein. Das gesamte Gelände wurde von einem Wall und einem Wassergraben umgeben. Ein geringer Rest der ursprünglichen Anlage ist mit dem an die „Züllsdorfer Straße“ angrenzenden, inzwischen versumpften Wasserlauf erhalten geblieben. Im „Neuen Garten“ standen vorrangig Obstbäume, aber auch Schlehen und Weiden wuchsen hier. Besonders die Weiden hatten vor der Errichtung der Mauer stark unter Wildverbiss zu leiden. Innerhalb dieses Gartens stand eine ummauerte Anlage, die speziell der kurfürstlichen Fasanenzucht vorbehalten war. Aus alten Unterlagen soll hervorgehen, dass ein dafür eingestellter Fasanenwächter dort auch sein Haus hatte. Zur Abwehr der Greifvögel gestattete man das Schießen mit Pulver und Blei. Ein Privileg, das ansonsten nur dem Kurfürsten oder dem Jägermeister zustand. Später entstand auf diesem Gebiet ein Pferdegestüt welches anschließend in eine Schäferei umgewandelt wurde. Teile dieses Gebäudekomplexes stehen heute noch und werden als Wohnungen genutzt (Kellerberg – gegenüber der Sekundarschule). Dort hat sich auch noch ein Rest von der Mauer des Fasanengartens erhalten.

Südlich des Schlosses, zwischen Schloss und heutigem Baumschulenweg, befand sich der Schlossgarten. Er wurde nach Westen durch den großen Schlossteich begrenzt. Als südliche Grenze diente anfänglich ein Wall und Wassergraben. Dieser Garten wurde sehr bald in südlicher Richtung erweitert und erfuhr seine Abgrenzung zum großen Tiergarten durch eine Mauer. Die damalige südliche Begrenzung ist mit der Lage eines Teiles des heutigen „Baumschulenweg“ identisch. Diese Mauer wurde nach Westen (1577) erweitert und verlief als Quermauer“ nun durch den gesamten „Tiergarten„. Zu August’s Zeiten befand sich hier ein Schießplatz mit Gebäuden (Schießgebäude). Im 17. Jh. wurde auf diesem Terrain ein Barockgarten angelegt. Dazu wurde der Wassergraben, der den Schießplatz östlich begrenzte, verfüllt.

In diesem Garten befand sich auch Annas Laboratorium. Aus späteren Überlieferungen (Johann Kunkel 1630/1638-1703) wurde bekannt, dass:

 „in dem Fasangarten auf mehr denn 2000 Schritte ins Gevierte 4 große Öfen nebst vielen kleinen in den Wall (ge)legen und mit einem Wassergraben herum(ge)leitet …, welches Wasser … auf eine ganze Meile Weges heraufgeführt … 

wurde.

Von diesem einstigen Garten ist heute nichts mehr zu erkennen, selbst der große Schlossteich ist verlandet.

Bereich des Schlossgartens im Wandel der Zeit

Bild 1 16. Jh.;                 Bild 2 17 Jh.;                Bild 3 18 Jh.;                     Bild 4   20. Jh.

Damit sind wir beim größten Garten, dem Tiergarten, angekommen. Dieser wurde vollständig von einem Wassergraben, dem „Mauergraben“, auch Schifffahrtsgraben genannt und durch eine Mauer umschlossen. Der „Garten“ war ca. 300 ha groß und seine Umfassungsmauer ca. 7,6 km lang. Nach E. Gründler soll der Name „Baumschulenweg“ (Straßenname in Annaburg) abgeleitet sein von der südlich des Weges als „Baumschule“ gedeutete Anlage, die innerhalb des großen Tiergartens errichtet wurde. (siehe Gründler, E.: „Schloß Annaburg“ Festschrift zur einhundertfünfzigjährigen Jubelfeier des Militär-Knaben-Instituts zu Annaburg, Verlag von Oscar Haebringer, Berlin 1888.). Dort befand sich eine kreisrund geschlagene Rodung von 1600 Ellen im Durchmesser, welche mit zahlreichen Fischbehältern besetzt war. (Gründer gab allerdings für die Lichtung 1000 Ellen an)

(aus einer Karte von der Annaburger Heide 16.Jh. (1678) Urheber: Kurfürst August (?).- Brecht, Hofmaler (?) mit Vermessungspunkte, Waldzeichen, typische Ortsbilder.)

Im Jahre 1578 erhielt Christoph Tendier den Befehl, von der „Quermauer“ bis an „Gorles Haus“ (heutiger Zugang zum Sperrgebiet) einen graden Weg anzulegen. Seine Fertigstellung war die Geburtsstunde der „Züllsdorfer Straße„. Da die Straße den „Tiergarten“ ursprünglich in der Mitte von Nord nach Süd teilte, nannte man sie „Mittelweg„. Eine Schilderung der Gartenanlagen wäre unvollständig ohne Erwähnung des weit verzweigten künstlichen Grabensystems. Neben der gestalterischen Funktion dürfte die Anlegung auch der Entwässerung von Wäldern und Wiesen gedient haben.

Der Mittelweg teilte den Tiergarten anfänglich nicht vollständig. Auf der Karte aus dem 16. Jh. ist zu ersehen, dass der Mittelweg im Rund des Tiergartens an einem eingetragenen Platz einst endete, zumindest unterbrochen war. Dort ist auch der Umriss eines Gebäudes ersichtlich. Der Mittelweg fängt dann erst wieder auf der anderen Seite am Ende der Kreisanlage an. Dieser Weg erscheint wie eine Zuwegung, damit die Hofgesellschaft bequemer zum Mittelpunkt der Kreisanlage gelangen konnte.

(Ausschnitt aus Karte von Annaburg (Ort, Schloß- und Tiergarten) – Alter Plan des Ortes und des Schlosses Annaburg und der 1578 zu Anlegung einer Baumschule geschlagenen kreisrunden Rodung von 1600 Ellen im Durchmesser, welche mit zahlreichen Fischbehältern besetzt war)

Die Beschreibung bei Gründler endet mit dem Mauergraben:

Erwähnung finden soll als bedeutendster Kanal der „Mauergraben". Er umgab den „Kleinen" und den „Großen Tiergarten" ebenso wie den Schlossbereich. Seine Anlegung geht bereits auf Friedrich den Weisen zurück. Insgesamt war der Umfang des „Mauergrabens“ 8,5 km lang. Bei einer Breite von 10-12 Metern und einer geschätzten Tiefe von etwa 150 cm diente er auch so manch lustiger Kahnpartie. Zu diesem Zweck gab es neben mehreren kleinen Booten auch einige „Lustschiffe". Ein in Dänemark gebürtiger Schiffsmann, Michael Stöhr, hatte speziell die Aufgabe, die kurfürstlichen Herrschaften durch die Gewässer zu staken und die Boote zu pflegen. Bis in das 19. Jahrhundert war die Bezeichnung „Schiffahrtsgraben" ein Andenken an diesen längst vergangenen Verwendungszweck. Der Graben war, wie alle Kanäle der Schlossanlage, an den Ufern mit Faschinen gesichert. Der heutige Name „Mauergraben" findet seinen Ursprung in der 1577 erbauten „Tiergartenmauer".

Es darf angenommen werden, dass sie mit 2,20 Metern die gleiche Höhe besaß wie die fast gleichzeitig angelegte Mauer um den Fasanengarten im „Neuen Garten„. Ein Rest derselben ist an der Straße zum „Kellerberg“ (gegenüber der Turnhalle) bis in die Gegenwart erhalten geblieben.

(Grundriss des Tiergartens bei Annaburg 18 Jh. aus Beilage zum Buch Schloss Annaburg eine geschichtliche Wanderung)

Nicht nur die Anlegung der Fundamente für die „Tiergartenmauer“ muss viel Schweiß gekostet haben, musste doch . . .an etlichen Stellen der Grund 2 1/2 Fuß tief gesucht werden …, sondern auch die Beschaffung des Baumaterials.

Da es von Kanitz nicht vermochte, den Bau zur Zufriedenheit des Kurfürsten voranzutreiben, entsandte dieser im Sommer 1577 den Stallmeister Balthasar Worm nach Annaburg. Worm, ein besserer Organisator und wohl auch Antreiber als von Kanitz, ordnete an, dass für die 23. 000 Fuß lange, mit Ziegeln gedeckte Mauer 400 Bauerngeschirre aus den Ämtern Beizig, Seyda und Hainichen Steine aus Pretzsch, Klöden und vom Gorrenberg heranschaffen sollten. Jeder Wagen hatte 150 Stück zu laden, für 7 Groschen auf 100 Stück. Unter das betreffende Schreiben zur Lieferung bemerkte der Kurfürst eigenhändig:

Rest 287.000 Mauerziegel sollen zu Schweinitz vom alten Gebäude gebrochen werden. 

Am 23. August (1577) konnte Worm melden:

,,Ew. Ch. Gn. kann ich mit fröhlichem Herzen und Gemüt nicht verhalten, dass sie morgen, Sonnabend, den Tag Bartholomai, fertig ist...“.

Innerhalb der „Tiergartenmauer“ befanden sich vier Tore, das „Schwarze Tor“, „Gorle (oder „Jordans“) Tor“, „Kuh Tor“ und das „Bader Tor“ genannt. Zwischen der neuen Mauer und dem Graben befahl der Kurfürst entlang der gesamten Strecke einen Weg anzulegen. An der Mauerinnenseite mussten Pfähle eingegraben werden:

das man mit dem Wagen nicht Schaden thun könne“.

Unklar ist, ob der mit Kutsche befahrbare Weg zwischen Innenseite der Mauer und dem Mauergraben um die gesamte Anlage herum tatsächlich gebaut wurde. Auf der Karte vom Anfang des 18.Jh. ist davon keine einzige Spur mehr zu sehen. Vielleicht ist damit aber nur die Außenumfahrung gemeint gewesen; ein Weg also, der nicht an der Innenseite sondern an der Außenseite der Mauer gelegen war. Der hat sich zumindest in Form der Torgauerstr. erhalten.

Gründler beschreibt weiter:

Eine Verbindung vom „Mauergraben“ bestand auch zu den, mehrheitlich in der „Baumschule“ angelegten Fischteichen. Diese waren bereits eine Einrichtung Friedrich des Weisen. Kurfürst August ließ ihre Anzahl auf 48 erweitern. Der Fischbesatz mit Karpfen, Hechten und Schleien erfolgte im Herbst 1577 durch den Torgauer Fischmeister aus dem Loswiger Teich. Bereits ein Jahr darauf wurde er von Fischottern derart heimgesucht, dass einige Otterstecher eingestellt wurden mussten.
(Ausschnitt aus der Karte „Annaburg – Grundriss des Tiergartens bei Annaburg 18 Jh.“)

Dieser Teil kann so nicht ganz stimmen. Unstrittig wird Friedrich der Weise Fischteiche in der Annaburger Heide angelegt haben, aber nicht die beschriebenen 48 (oder in anderen Quellen als 50 bezifferten) Fischteiche. Diese Teiche entstanden erst durch das planmäßige Anlegen der als „Baumschule“ bezeichneten Kreisanlage. Die dabei dort angelegten Wege kreuzten und unterbrachen einen sich hier befindlichen Wasserlauf. So sind die dann als Fischbehälter sicherlich ausgebauten und verwendeten Bassins entstanden. Wenn man also die Kreisanlage aus der Darstellung vom 16.Jh. in die Karte vom Tiergarten aus dem 18. Jh. hineinkonstruiert – lässt sich das ziemlich genau erkennen.

Aber zurück zur als „Baumschule“ bezeichnete Kreisanlage. Nach Gründler wird diese Anlage folgendermaßen beschrieben:

„Auf Ungefähr in der Mitte zwischen Quermauer und Gorles Haus wurde eine Rundung von etwa 1000 Ruten Durchmesser (ca. 660 m) ausgerodet. Einen Teil der Lichtung richtete der Gärtner Georg Heinrich zur Baumschule her, um in derselbst laut kurfürstlichen Befehl einen Vorrat von 26 Scheffeln Haselnuß-, 15 Scheffel Kirsch- und 14 Scheffel Apfelkernen auszusähen.“
(Annaburg (Ort, Schloß- und Tiergarten) – Alter Plan des Ortes und des Schlosses Annaburg und der 1578 zu Anlegung einer Baumschule geschlagenen kreisrunden Rodung von 1600 Ellen im Durchmesser, welche mit zahlreichen Fischbehältern besetzt war)

Dieser Satz erst gab der Einrichtung einen Namen. Das Wort „Baumschule“ war zu dieser Zeit noch gar nicht geprägt. Dem Begriff nach sollte also August I mit der kreisförmigen Anlage eine bewirtschaftete Anbaufläche für Bäume, Sträucher, Rosen (Ziergehölze), Obstgehölze und Forstpflanzen geschaffen haben. Hier sollten demnach Bäume aufgepflanzt (Fachausdruck: aufschulen; schulen bedeutet sinngemäß Wurzeltreiben) oder kultiviert werden, bis sie zu einer gewissen Größe herangewachsen sind, um dann an andere Orte verpflanzt zu werden?

Unbestritten ist, dass es durchaus zu dieser Zeit schon üblich war, Gehölze aus Stecklingen anzuziehen. Nur eben noch nicht in Baumschulen. Leibeigene Bauern erhielten den Auftrag, junge Bäume zu liefern. In Klöstern erfolgte zu dieser Zeit schon das anziehen/aufziehen von Nutzgehölzen in umfriedeten Klostergärten. In Fürstengärten gab es zwar schon seit dem 14. Jahrhundert eigene Pflanzenkulturen, die dort auch herangezogen wurden. Aber erst seit der Barockzeit entstanden an den Hofgärten und bei den Parks der Adelssitze eigene Baumschulen, die dann auch weithin Handel mit den Setzlingen trieben. In dieser beschriebenen Größenordnung und auch in dieser exotischen Form (Kreissegmente) sind uns solche Einrichtungen aus dieser Zeit nicht überliefert. Der Begriff „Baumschule“ wurde erst durch nachfolgende Generationen geprägt und demzufolge wurde diese Anlage als solche auch erst später so interpretiert und bezeichnet.

Auf zeitgenössischen Karten fehlt jeder Hinweis auf eine solche oder ähnliche Benennung, die einen solchen Gebrauch dieser Anlage belegen würde. Auf einer sehr detailreichen Karte aus dem 16. Jh. wird der Tiergarten als „Garten zur Annaburgk“ bezeichnet und auch detailgetreu mit Mauergraben, Quermauer, Neuen Garten und auch mit der beschrieben Anlage dargestellt. Es finden sich weitere Details wie einen „Gots Ackr“ der identisch ist mit dem heutigen Stadtfriedhof von Annaburg in der Friedensstraße. Oder einem „Fasanengarten“ auf dem Feld (Flurstück) welches auf den Separationskarten des 19.Jh. diese Flurbezeichnung tragen wird. Auch ein „Vogelherd“ finden wir nahe der späteren Torgauer Strasse. Interessant ist noch zu bemerken, dass in der Kreisanlage im inneren ein Gebäude mit zwei Türmen abgebildet und die runde „Lichtung“ durch ein kreisförmiges Waldstück abgegrenzt dargestellt wurde.

(vergrößerter Karteausschnitt aus einer Karte von der Annaburger Heide 16.Jh. (ca.1586) Urheber: Kurfürst August (?).- Brecht, Hofmaler (?) mit Vermessungspunkte, Waldzeichen, typische Ortsbilder; Sächsisches Staatsarchiv, 12884 Karten und Risse, Schr R, F001; Nr. 006 )

Da der Mittelweg auf dieser Karte fehlt, kann man sie zeitlich zwischen der Errichtung der Quermauer (1577) und dem Anlegen des Mittelweges (1578) datieren.

Die Dimension der Anlage ist uns aus der überlieferten Karte bekannt. Auf ihr ist ersichtlich, dass die „Lichtung“ in zwei Teile untergliedert wurde. Der äußere Kreisabschnitt wurde in 10 im gleichen Abstand liegende Kreisringe eingeteilt, die in 32 Kreissegmente untergliedert wurden. So entstanden 320 Segmente, die durch Wege unterteilt und verbunden waren. Diese Wege mit einer durchschnittlichen Breite von ca. 6 m kamen auf die beachtliche Gesamtlänge von 25 km. Mit Hilfe dieser Wege wurden ca. 340.000 m² (34 ha) umsäumt. Dieser äußere Ring war 60 Ruten (ca 204 m) breit, seine Gesamtfläche betrug ca. 530.000 m² (53 ha). Der Innere Kreis wurde nicht untergliedert – er hatte einen Durchmesser von 180 Ruten (ca. 610 m) und damit umfasste er eine Fläche von ca. 280.000 m² (28 ha). Im inneren ist ein Gebäude dargestellt. Der äußere Umfang der Anlage betrug ca. 940 Ruten (3,2 km).

Hier ist auch zu beachten, dass Gründler nur 1000 Ellen für die Lichtung angegeben hat. Die Anlage aber tatsächlich 1600 Ellen bemisst. Im Staatsarchiv in Dresden ist auch deshalb zur Karte folgendes vermerkt:

„Die Baumschulen-Rodung behandelt Gründler, Schloß Annaburg (1888) S. 80 fg., danach O. E. Schmidt, Kursächsische Streifzüge I (1913) S. 80-84. Der Durchmesser der Rodung ist bei Gründler fälschlich mit 1000 Ellen angegeben, Schmidt hat 600 Meter; außerdem nennt erster 43, letzterer 48 Fischhälter, während der bei auch bei Gündler abgebildete Riss Schr. 12, F. 3, Nr. 21, 50 Hälter zeigt.“

Geht man davon aus, dass Gründler zu preußischen Zeiten als Lehrer tätig war – was bedeutet, dass er seine Maßangaben in preußischer Elle machte – ist eine Lichtung nur im Innenbereich der Anlage angelegt worden. Das würde ja auch bei Nutzung als eine Jagdeinrichtung Sinn machen und entspricht auch der anderen überlieferten Karte wo der äußere Bereich bewaldet dargestellt wurde.

Was hat Gründler und Heintze veranlasst diese Kreisanlage als eine Baumschule zu bezeichnen. Eigentlich nur der Tatsache wegen, dass Gärtner Georg Heinrich dort einen Vorrat von 26 Scheffel Haselnuss, 15 Scheffel Kirch- und 14 Scheffel Apfelkerne“ auf kurfürstliches Geheiß ausgesät hat. (1 Dresdner Scheffel ≈ 103,821 Liter) .

Berechnet man einmal die Menge an Saatgut

26 Scheffel Haselnusskerne      =          2.700 Liter (nach Dresdner Maß)

15 Scheffel Kirschkerne             =          1.557 Liter (dito)

14 Scheffel Apfelkerne               =          1.453 Liter (dito)

so kommt man unter Berücksichtigung einer Schüttdichte von ca. 60 % bei Haselnuss-, und Kirchkernen und 70 % bei Apfelkernen – auf ca. 72 Mill. Apfelkerne, 8,3 Mill. Kirschkerne und 3,2 Mill. Haselnusskerne. Bei 4-5 Saatkörner je Pflanzloch hätten daraus ca. 18,6 Mill. Pflanzen durch Gärtner Georg Heinrich gezogen werden können. Bei einem Pflanzabstand von 0,25 m je Pflanzloch wären 120 ha Fläche nötig.

So wurde aber nicht angepflanzt. Zur damaligen Zeit ließ man bekanntlich den Wald sich selbst verjüngen. Ein Aufforsten im heutigen Sinne kannte man damals noch nicht. Man half höchstens durch „Waldverwundung“ d.h. aufreißen des Waldbodens und Aufbringen von Saat etwas nach.

Beim Anlegen dieser Lichtung innerhalb der Kreisanlage wurde der Wald gerodet, er war aufgerissen und verwundet, man konnte ihn zur Anzucht ohne weiteres nutzen so lange man an der Anlage baute. Was lag jetzt näher als Saatgut auszubringen um Hasel-, Kirsch- und Apfelbäume zu ziehen – wovon ja nur die besten Pflanzen anschließend veredelt werden sollten. Es wurde dieses Terrain nur solange dafür genutzt – wie man an dieser Anlage zur Eingestellten Jagd gebaut hat.

Als Beweis für die längerfristige Nutzung des Areals diente ein Inventarverzeichnis der neunziger Jahre des 16. Jahrhunderts, welches E. Gründler benennt.

„Danach betrug die Summe aller Bäume, so in den (Tier=)Garten zu Annaburg gesetzt worden sind', 266.850! Eingerechnet sind dabei die zur Einfassung der Wege (16.000) wie die über die Wiesen in einem Abstand von 12 Ellen versetzten (63.000); auch die auf der Rundung stehenden, Bäumlein’ (102.500) sind einbegriffen.“

Die auf der Rundung stehenden Bäume, damit sind die Bäume die sich auf den äußeren Kreissegmente befunden haben. Hier legte der Gärtner Georg Heinrich nicht eine „Baumschule“ an, sondern pflanzte Bäume nach, nachdem das Wegesystem fertig angelegt war. Er tat damit für seine Zeit etwas durchaus ungewöhnliches, er forstete die unterteilten Segmente, die durch 6 m breite Lichtungen unterbrochen waren, auf. Wenn wir einen Pflanzabstand von ca. 1,8 m annehmen, hätte Gärtner Georg Heinrich dort rund 100.000 Bäume pflanzen lassen. Berücksichtigen wir aber, dass ja nicht alle Bäume dort gefällt wurden und nur entlang der Wege aufgeforstet werden musste, so reichten dafür sicherlich die im Herbst des Jahres 1578 in Annaburg angekommenen 30.000 Bäumchen. Sie wurden mit Wagen von Prettin geholt, und der Hofgärtner Georg Winzer hatte die Aufgabe, diese mit Hilfe von 5 Knechten zu pflanzen. Letztere erhielten dafür gemeinsam einen wöchentlichen Lohn von 18 Groschen.

Es ist anzunehmen, dass die gelieferten Bäume in dem Bereich des unterteilten Außenringes (320 Kreissegmente) angepflanzt wurden und diese Aufforstung zur Abgrenzung der Anlage dienten. Die Aufforstung einer Fläche von 34 ha (Gesamtfläche 53 ha) stellte eine Größenordnung dar, die für damalige Verhältnisse ungewöhnlich war. Wald wurde zu dieser Zeit nicht aufgeforstet sondern entstand durch Selbstverjüngung auf natürlichem Wege. Diese Waldanlage wurde nach der vorgegebenen Kreisgeometrie geordnet angelegt, wo die Bäume in die vorgesehenen Kreissegmente angepflanzt wurden, unterteilt durch 6 m breite Schneisen. Dafür waren ca. 100.000 Bäume notwendig. Diese Anzahl entspricht genau dem Bestand an gepflanzten Bäumen, die E. Gründler, bezogen auf ein Inventarverzeichnis der neunziger Jahre des 16. Jahrhunderts, benennt.

Wozu diente die Pflanzung von Bäumen in einem Gehege, wo Tiere eingesperrt wurden?

Bäume pflanzt man dort aus landschaftsgärtnerischer Sicht. Um schattige Plätze anzulegen, entlang einer Straße, aber auch um ein Schussfeld zu begrenzen, um dahinterliegende Dinge bei einem Fehlschuss nicht zu gefährden, aber auch als Abgrenzungen waren Bäume denkbar. Auch für so genannte Wildbahnen waren Bäume und Schneisen nötig um hier Netze zu spannen und das Wild entsprechend entlang zu leiten.

Jagdszene 17.Jh (Jagdgesellschaft unter dem Jagdschirm)

Für welchen eigentlichen Zweck das Rondell mit einem Durchmesser von 1600 Ellen (ca. 1056 m) von Kurfürst August tatsächlich angelegt wurde, zeigt uns eine ähnliche Anlage aus dem Schradenwald am Mittellauf der Schwarzen Elster.

Hier bei Elsterwerda wurde 1564 im Schradenwald vom Kurfürst August I. ein sternförmig verlaufendes Schneisensystem angelegt, dessen Zentrum mitten im Wald etwa zwischen Plessa und Gröden lag. Diese auch aus anderen sächsischen Waldungen bekannt gewordenen Sternschneisensysteme waren der Ort für Hetzjagden, so genannte „sächsische“ bzw. „eingestellte“ Jagden. Das Wild wurde aus dem Wald entlang der mit Netzen versehenen Schneisen in Richtung Jagdhaus auf einen waldfreien Platz getrieben, wo es dann von bereitstehenden Jägern mittels Spießen getötet bzw. vom Jagdhaus bzw. von Stellbäumen aus beschossen wurde. Dieser zentrale Platz hatte eine achteckige Fläche mit einem Inhalt von ca. 50 ha, von dem jeweils im Winkel von 45° sternförmig acht gerade Schneisen ausgingen. Zwischen diesen bestanden in gleichmäßigen Abständen vom Zentrum drei Querverbindungen, so genannte Rundungen, die der gesamten Anlage aus der Vogelperspektive das Aussehen eines achteckigen Spinnennetzes verliehen, wie es u. a. anhand mehrerer Karten des 16. und 17. Jh. ersichtlich ist (siehe Abb.).

Der Schradenwald 1658

Die erste Schneise richtete sich in südöstliche Richtung. Alle weiteren wurden entgegen dem Uhrzeigersinn nummeriert. Sie verliefen jeweils bis zum Rand des Schradenwaldes. Das in der 2. Hälfte des 16. Jh. errichtete Jagdhaus im Zentrum des Platzes war von einer 49 Ellen langen und fünf Ellen hohen Mauer umgeben, die an den Ecken kleine Türmchen aufwies. Das Haus selbst war ein Fachwerkbau, welcher entsprechend des Inventariums von 1607 in der l. Etage zwei Zimmer und eine Kammer, in der 2. Etage zwei Stuben und zwei Kammern, in der 3. Etage eine Stube und eine Kammer und in der 4. Etage:

„nichtes allß achtt gute scheibenfenster umb und umbu hatte." 

Der Turm, der das Haus krönte, war an vier Ecken mit Ziegeln, ansonsten mit Holzschindeln eingedeckt. Holzflächen waren mit Kienruß geschwärzt. 1608 wird das Jagdhaus durch den Großenhainer Hofzimmermann JACOB GROSSMAN für 57 Gulden umfassend rekonstruiert. 1636 war es durch die Wirren des Dreißigjährigen Krieges in einem desolaten Zustand und wurde alsbald abgetragen.

Jagen im eingelappten Bereich; 17 Jh

August I beschäftigte sich mit der Vermessungskunst. In seiner Bibliothek befand sich auch Albrecht Dürers Buch „Unterweisung der Messung mit dem Zirkel und dem Richtscheyt“ (Nürnberg 1525, posthum erweitert 2. Ausgabe 1538). Dieser höhere Aufwand in Annaburg gegenüber der Anlage im Schradenwald ließe sich sicherlich damit erklären. Die dort als „Rundungen“ benannten Querverbindungen waren in Annaburg tatsächlich rund. Es war für die damalige Zeit beträchtlich – die Vermessungstechnik als Grundlage der Kartographie befand sich selber noch in der Entwicklung (für eine Baumschule wäre ein Rechteck als Grundfläche zweckmäßiger und ausreichend). Die hier errichtete Anlage hatte aber die gleiche Aufgabe und Funktion wie die zuvor beschriebene Anlage aus dem Schradenwald. Sie diente der Jagd. Diese Jagdanlage wurde in Annaburg noch verfeinert, statt achteckig wurde sie kreisförmig gestaltet. Der Kreis stellt in der Renaissance in Idealfigur dar.

Abb.: Johann Täntzer, Jagdstern. Abbildung aus: Der Dianen hohe und niedere Jagtgeheimnüß, darinnen die gantze Jagt-Wissenschafft außführlich zu befinden. 3 Bde., Kopenhagen 1682–1689

Neu waren auch die kreisrund angelegten Wege oder Schneisen (äußere Ringweg 3,2 km lang), diese könnten als Vorläufer für die später als Parforcejagd bekannt gewordene Weiterentwicklung der eingestellten Jagd gedient haben. Damit stellte gewissermaßen die Annaburger Anlage den Urtyp des 100 Jahre später von Johann Täntzer beschriebenen Jagdstern dar. Leider muss davon ausgegangen werden, dass die Annaburger Anlage nie zu ihrem eigentlichen Zweck genutzt wurde, da August zu einer Zeit gestorben ist, wo die gepflanzten Bäume noch viel zu klein waren. 

Auch Widerspricht etwas anderes der Nutzung der Kreisanlage als „Baumschule“.

Der große zusammenhängende, mit einer Mauer eingegrenzte „Garten zur Annaburg“ wurde wegen Wildverbiss kurz vor Anlegen der Kreisanlage durch eine Mauer in den Kleinen und in den großen Tiergarten unterteilt. Im kleinen Tiergarten wurden Obstbäume gepflanzt. Die besagten Rodungsarbeiten erfolgten (nach Gründler) auch in beiden Gärten.

Anzumerken sein noch, dass reine Steinbauten zu dieser Zeit noch absoluten Luxus war. Erinnert sei an die Fachwerkbauten am Markt die zu dieser Zeit entstanden und als Fachwerkbauten ausgeführt wurden. Es war also ein gewaltiger wirtschaftlicher Kraftakt diese 7,6 km lange Mauer zu errichten, die Quermauer zur Teilung des Gartens war ca. 1,4 km lang. Was man also durchaus als einen erheblichen Aufwand zum Schutz vor Wildverbiss unternahm. Wenn man also dazumal keine Kosten scheute um z.B. die Obstbäume und Weiden im neuen Garten zu schützen, warum sollte man dann eine Baumschule für Nutzgehölze im gegen die Tiere nicht geschützten großen Tiergarten anlegen? Warum nicht im kleine Tiergarten – das hätte sich doch geradezu angeboten?

Abb.: Eingestellte Jagd im 17. Jh.

Die Funktion, Bedeutung und Aufgabe des „Tiergarten“ kann man nur im Zusammenhang mit dem „Jagdvergnügen“ der damaligen Zeit verstehen. Die Jagd der damaligen Zeit avancierte zu einem höfischen Vergnügen von kaum zu überbietender Grausamkeit gegenüber den Wildtieren. Die reine Lust am Töten brachte Jagdarten hervor wie die so genannte eingestellte Jagd – auch deutsche oder sächsische Jagd genannt.

Zur eingestellten Jagd benötigt man große Mengen an Blend oder Sperrzeug auch einfach als Jagdzeug bezeichnet. Das Blendzeug bestand aus großen Tuchlappen (ca. 0,5 m² groß) die an einer ca. 150 Schritt langen Leine in einem Abstand von einem Meter angenäht waren. Diese Leinen mit dem Tuch (auch als Flaggen bezeichnet) wurden entweder von Baum zu Baum abgespannt – oder man musste entsprechende Stangen (Abstand 15 Schritte), in die Erde rammen. Die Leinen wurden bei Rotwild auf 1,5 m, für Rehe auf 1 m und für Hasen und Füchse auf 0,5 m Höhe angebracht. Bei Hochwild mussten zwei Leinen übereinander gespannt werden. Das Wild scheute vor den Tüchern und verließ so das „eingelappte“ Gebiet nicht. Gelegentlich ging ein gehetztes Tier durch die Lappen – was zur besagten Redewendung „durch die Lappen gehen“ führte.

In dieses abgegrenzte „eingestellte“ Waldgebiet hatten die Jagdleute (zur Jagdfron verpflichtete Bauern) große Mengen an Wild zu treiben. Zu Beginn der Jagd drückten die Jagdleute die Tiere in ein anschließendes gleichfalls „eingestelltes“ Gebiet, in dem sich der Schießstand für die fürstlichen Herrschaften befand (Rondell).

Jagdrondell 17 Jh. (Modell)

Wir haben auf den Karten gesehen dass sich im Zentrum der Kreisanlage im Tiergarten gleichfalls ein Gebäude eingezeichnet war.

Da es sich als schwierig erwies, die Tiere in großer Zahl über Nacht in einem eingelappten Bereich zu halten – denn nachts „blendeten“ die Tücher nicht -, verwendete man dann sogenanntes Sperrzeug. Dieses bestand aus starken Leinentüchern, die oben und unten an einer starken Saumleine angenäht wurden. Das Sperrzeug war gleichfalls 150 Schritte lang – die Höhe betrug je nach Wildart – für Rehe und Sauen 2 m und für Rot- und Damwild 3 m. Statt der Tücher konnten auch Netze zur Anwendung kommen.

Die eingestellte Jagd, zuweilen auch als deutsche Jagd bezeichnet, war schon um 1500 an den deutschen Höfen bekannt (zur Erinnerung Friedrich der Weise ließ 1498 den Tiergarten anlegen). Ihren Höhepunkt erreichte sie zum Ende des 17. und Anfang 18. Jahrhundert. Der eingestellten Jagd sächsischer Herrscher fielen neben ungezählten anderen Wildtieren auch Wisente in Massen zum Opfer. August III. erwarb sich den zweifelhaften Ruf eines Schlächters von Wisenten der Bialiwieser Heide (Polen).

Die arrangierten Jagden nahmen dabei immer den gleichen Verlauf:

Mit Sonnenaufgang treiben die Jagdhelfer das Wild in eine „Kammer“ (eingelappter Bereich) und von hier in den Lauf, der direkt zum girlandengeschmückten hölzernen Pavillon führt. Hinter den fürstlichen Gästen haben Büchsenspanner und Musikkapelle Aufstellung genommen. Als der Fürst das verabredete Zeichen gibt, erschallen die Jagdhörner, und die Quertücher geben den Tieren den Weg in den Lauf frei. Von den Hunden gehetzt, naht das erste Wild. Die Büchsen knallen unaufhörlich. ,,Manch ein Geweihter liegt und färbt den Rasen rot, um ihn stürzen Tiere und Kälber, dort umkreist, von Hunden gehetzt, ein angeschweißter Hirsch den Schirm auf drei Läufen, der linke Vorderlauf schlenkert um den rechten, dort wälzen Tiere sich im Todeskampf und schlagen mit den Läufen in die Luft, aus zehn Wunden schweißend, flüchten andere den Laufplatz auf und nieder, dort schleppt ein Hirsch durchs Kreuz geschossen, sich auf den Vorderläufen fort, hier ein anderer hat den Hunden sich gestellt und kämpft, während der rote Schweiß ihm aus dem Windfang träufelt. Neue Scharen werden aus der Kammer getrieben. Fieberhaft arbeiten die Büchsenspanner. Nur wenn die Schützen vor Pulverdampf nichts mehr sehen, tritt eine Pause ein."

Eines nach dem anderen der stattlichen Tiere konnte so abgeknallt werden. Erst wenn nichts mehr totzuschießen ist, wird dem blutigen Schauspiel ein Ende gesetzt. Während die fürstlichen Gäste zum großen Jagdbankett ins Schloss eilen, geben die Jägerknechte dem verwundeten Wild den Fang, um anschließend die Strecke zu legen. Bei solch unwaidmännischem „Jagdvergnügen“ kann es kaum verwundern, dass bei einer Wildschweinhatz vom 11. bis zum 18. November 1585 in der „Annaburger Heide“ 201 Schweine, 242 Keiler. 711 Bachen und 378 Frischlinge erlegt wurden.

Da das höfische Zeitalter die Jagd als amüsante Unterhaltung betrachtete, wurden die eingestellten Jagden immer verrohter, aber anderseits immer festlicher ausgeschmückt. Die prachtvollste Form der eingestellten Jagd war die Festinjagd, auch Haupt- oder Prunkjagd genannt. Das Töten der Wildtiere wurde immer bequemer und theatralischer. Die Jagd fungierte bei der Hofgesellschaft nur noch als Belustigung.

Von da ab war es bis zum Aufkommen der Tierkämpfe (auch Tierhetzen genannt) in so genannte „Hetztheater“ nicht mehr allzu weit.

„Dies ist nun ein Plaisir vor den großen Herren und Damen, die mit Lust stundenlang ansehen wie die Thiere auf einander gehetzt … werden.“,

schrieb H. W. Döbel 1746 in seiner „Neu eröffnete Jäger-Practica“. Weiter können wir dort lesen:

„ In Kästen wurden die Thiere herbeigeschaft, wie etwa dergleichen vorhanden sind also Löwen, Tiger, Auerochsen (Wisente), Büffel, Bären, Wölfe und wilde Sauen. So auch wohl ein mutiger Hengst, Maulesel und Bullen- oder Samenrind vorhanden ist, so werden dieselben alle eines nach dem anderen, und also untereinander, zusammen in den Kampfplatz gebracht. Nun wirft man angezündete Schwärmer (Knallkörper aus feinem Pulver und Spiritus bestehend) oder auch Lust-Feuer-Werckes-Sachen wie ‚Raketten’ (also Raketten, die den Rindern an den Hörnern gebunden und zum Brennen gebracht wurden) nach den Bären und anderen Thieren, auf das sie zornig werden müssen, und attaquiren alles, was ihnen vorkommt.“ -

und weiter:

„ Die Thiere gehen auf einander los. Der Wisent hat eine sehr starke Force, er hält den Kopf dar, und so etwas anläuft, muss es auch zurück prallen. Er ist im Stande, Rinder, wie auch andere Thiere, ganz oder gar vom Boden aufzuheben und in die Höhe zu werfen. Wenn aber das Schwein recht ankommt, so macht dieses mit seinem Schlage seinem Gegner bald den Garaus. Das Pferd und der Maulesel wird hinten und vorn (mit Eisen) beschlagen, und dergleichen der Maulesel sonst für ein dummes Thier geachtet wird, so muss man sich wundern, wie er sich mit Rennen, Schlagen und Beißen gegen den Bär, Löwen und dergleichen wehren kann. Die Thiere kämpfen sich bald müde, darum lässt man auch wohl etliche Hunde zu ihnen hinein, die sie wieder anregen, dass sie untereinander kämpfen und durch einander her rennen… Wenn der Löwe, Tiger, das Pferd und der Maulesel nicht gar sehr im Kämpfen verwundet worden, werden sie wieder in ihren Käpfige gebracht. So endet alsdann dieses Divertissement (Vergnügen), dergleichen an großen Höfen zum Zeitvertreibe sowohl deren Herren und Damen öfters geschieht.“

Hetzgarten gab es nachweislich schon unter dem Brandenburger Joachim II. (1535-1571) in Berlin – wo man Wisente gegen Wölfe und Bären kämpfen ließ, wobei nach der Überlieferung ein riesiger Bär derart vor einem Wisent erschrak, dass er flüchtend die Umzäunung niederriss. Kaiser Maximilian II. (1527-1576) unterhielt in Wien ein Hetztheater, wo die vom Polenkönig Sigismund August 1569 verehrten neun Wisente, neben fünf siebenbürgischen zum größten Anziehungspunkt wurden.

Hier wollen wir uns daran erinnern, an die freundschaftliche Bande zwischen unserem Kurfürst August und Kaiser Maximilian.

Sehr bequem konnte auch die Jagd „par force“, die französische Jagd, gestaltet sein, setzte die eigentlichen Hetzjagden noch vorbildliches weidmännisches Können des Jagdpersonals voraus und forderten den Teilnehmern noch Geschicklichkeit, Mut und Ausdauer beim Reiten, so wurden die prunkvollen Parforcejagden immer mehr zum ungefährlichen Vergnügen. Durch die Anlage spezieller Reit- und Fahrwege im Wald ging die Jagd nicht mehr über „Stock und Stein“ – sondern man konnte sogar mit der Jagdkutsche fahren. Sie hatte mit einer Nutzjagd nichts mehr gemein. Sie war ein Spiel mit den Tieren, die man bereits in Gefangenschaft gehalten (Tiergarten) hatte und erst am Jagdtag wieder frei ließ, um es zu Tode zu hetzen.

Die letzten zwei Jagdarten kamen zwar im 16. Jahrhundert an deutschen Fürstenhöfen auf, wurden aber erst im 17.Jahrhundert perfektioniert. August hat sich intensiv mit der Jagd beschäftigt, mit der Jagd seiner Zeit. Als Kurfürst von Sachsen repräsentierte er seinen Staat, die „Jagdveranstaltungen“ bekamen so auch einen politischen Aspekt, sie wurden nicht nur aus reinem Vergnügen – sondern „zeitgemäß“ auch aus Staatsräson – um der Politik wegen – ausgerichtet. Dem diente auch diese, wie mit dem Zirkel konstruierte Anlage, im Tiergarten beim Lieblingsschloss von August I.

Woher hat aber der Baumschulenweg nun seinen Namen?

Denkbar wäre, dass im abgeteilten „Neuen Garten“ solche Pflanzungen angelegt wurden. Dort standen ja die Obstbäume. Schließlich wurde der Neue Garten als erster vom Tiergarten durch einen Graben und einem Erdwall (wie auf der Karte von 1678 ersichtlich) abgeteilt. Am ehesten lässt sich solch eine Pflanzung auf dem damaligen Schlossgarten, hinter dem Jagdschloss gelegen, vermuten. Hier erfolgte ja auch recht schnell eine Trennung vom großen Tiergarten durch eine Mauer. Dieser Bereich wurde vom Jagdschloss und vom großen Schlossteich begrenzt. Lediglich nach Süden hin war er zum Tiergarten anfänglich offen. Deshalb erfolgte eine Abgrenzung durch eine Mauer, die später 1677 erweitert wurde und dann erst als „Quermauer“ durch den gesamten Tiergarten verlief und ihn in den großen und kleinen Tiergarten unterteilte. Das als Tiergarten bezeichnete Waldstück im Stadtgebiet von Annaburg ist übriges ein Rest vom kleinen Tiergarten aus der damaligen Zeit. Tatsächlich hat der Baumschulenweg aber seinen Namen von der ehemaligen Baumschule die auf dem Gelände der Annaburger Domäne im ausgehendem 19. Jh. errichtet wurde. Sie lag in etwa zwischen der heutigen Schulstraße und der Baderei.

Situationsplan 19.Jh in Gründler,  „Schloß Annaburg“ Festschrift zur einhundertfünfzig-jährigen Jubelfeier des Militär-Knaben-Instituts zu Annaburg

 

 

Bernd Hopke
Ortschronist

AnnaOffice©2021-09-12

 

Quellen- und Literaturhinweise:

  • Verein f. Heimatgeschichte u. Denkmalpflege Annaburg (Hrsg.) Jagdschloss Annaburg-eine geschichtliche Wanderung, Horb/Neckar 1994;
  • Verein f. Heimatgeschichte u. Denkmalpflege Annaburg (Hrsg.); Karte zur Beilage zum Buch „Jagdschloss Annaburg eine geschichtliche Wanderung“, Horb/Neckar 1994;
  • Gründler, E.: „Schloß Annaburg“ Festschrift zur einhundertfünfzig-jährigen Jubelfeier des Militär-Knaben-Instituts zu Annaburg, Verlag von Oscar Haebringer, Berlin 1888
  • Öder, Matthias; Annaburg (Ort, Schloß- und Tiergarten) – Alter Plan des Ortes und des Schlosses Annaburg und der 1578 zu Anlegung einer Baumschule geschlagenen kreisrunden Rodung von 1600 Ellen im Durchmesser, welche mit zahlreichen Fischbehältern besetzt war; Sächsisches Staatsarchiv, 12884 Karten und Risse, Nr. Schr 005, F 068, Nr 009ff
  • Brecht, Hofmaler, Kurfürst August (?); Annaburger Heide 16.Jh. (1678) mit Vermessungspunkte, Waldzeichen, typische Ortsbilder; Sächsisches Staatsarchiv, 12884 Karten und Risse, Schr R, F001; Nr. 006
  • Beutel oder Beutelschule; Nachzeichnung (18. Jh): Lochische und Seydische Heide mit den umliegenden kleineren Wäldern und Gehölzen (nach HumiliusRisse um 1654) ; Sächsisches Staatsarchiv, 12884 Karten und Risse, Nr. Schr 006, F 080, Nr 013; Datei: MF17526
  • Heintze, Otto: „Annaburg das Städtlein an der Heide“ Geschichtlicher Rückblick, aus gebundene Beilagen der „Annaburger Zeitung“ um 1930
  • Rolf von Ende:“Circenses, Spiele auf Leben und Tod“, Henschelverlag 1988
  • Hobusch, E.: Das große Halali, Militärverlag der DDR, Berlin 1985
  • Floericke, K.: Wisent und Elch, Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde, Stuttgart 1930
  • Dietrich Hanspach: „Der Schraden“;Böhlau Verlag 2005